Rebekkas Tagebuch. Eckart zur Nieden
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Читать онлайн книгу Rebekkas Tagebuch - Eckart zur Nieden страница 8

Название: Rebekkas Tagebuch

Автор: Eckart zur Nieden

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783865067050

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СКАЧАТЬ verantwortlich machen kann. Das erleichtert. Es erspart den Menschen, Fehler bei sich selbst zu suchen.“

       Er schwieg eine Weile, und Aaron nickte. Dann fuhr Ludwig fort: „Das sage ich als Mensch. Aber als Christ sage ich noch etwas anderes. Die Juden sind Gottes Volk. Das sind sie auch, nachdem die meisten nicht bejahen, dass Gott sich mit seinem Sohn auf eine ganz neue Weise gezeigt hat. So hat es Paulus geschrieben, im Römerbrief. Ich weiß nicht, was das im Einzelnen bedeutet, weiß auch nicht, was Gott noch mit seinem Volk vorhat. Weiß auch nicht, wie das viele Leid, das die Juden erleiden mussten und müssen, damit zu vereinbaren ist. Aber Tatsache bleibt es, dass sie ‚Gottes Augapfel‘ sind. Denn so steht es geschrieben.“

       „Manche Christen bekämpfen die Juden, weil sie sagen, sie seien die Christusmörder“, wandte Aaron ein.

       „Unsinn! Es waren heidnische Römer, die Christus gekreuzigt haben. Juden waren auch beteiligt, sicher. Aber nicht das ganze Volk. Letztlich schuld am Tod Jesu am Kreuz sind alle Sünder, denn ihretwegen ist er als Mensch erschienen und hat den Tod auf sich genommen, als Sühne.“

      „Ich weiß, dass die Christen das lehren“, sagte Aaron, und er klang dabei etwas unwillig. Ludwig wird das nicht bemerkt haben, weil Aaron natürlich unseren freundlichen Helfer nicht angreifen wollte, aber ich, der ich meinen Mann seit langem kenne, hörte es wohl. Er fuhr fort: „Die Nazis sehen das leider nicht so wie du. Es ist ja ein furchtbarer Hass, den sie uns gegenüber haben. So fanatisch, dass mir scheint, die Erklärungen, die du gerade gegeben hast, reichen nicht aus, ihn zu begründen.“

       „Manche Nazis brauchen auch keine logische Begründung für ihren Hass. Sie freuen sich nur, wenn sie irgendwo draufhauen können, statt ihren Ärger nur runterzuschlucken. Sie freuen sich, wenn sie sich irgendjemandem gegenüber besser und stärker fühlen können. Da kommen sie sich heldenhaft vor. Überhaupt – Stärke zu beweisen scheint die neue Religion in unserem Land zu sein.“

       Aaron nickte. „In unseren Heiligen Schriften, die zum Teil euer Altes Testament sind, wird von Lamech erzählt. Ich habe noch vor einigen Wochen über ihn gelesen. Der erfand am Anfang der Menschheitsgeschichte das Schwert. Und dadurch fühlte er sich stark genug, sich siebenfach zu rächen. Einen Mann zu töten, wenn der ihm nur eine Beule beigebracht hat. So denken viele heute.“

       „Genau so denken die Ideologen der neuen Zeit“, bestätigte Ludwig. „Man könnte die Nationalsozialisten Lamechbewegung nennen. Nur hat man heute keine Schwerter, sondern Panzer und U-Boote und Flugzeuge.“

       „Aber Gott hat dieser Denkweise sein Gebot entgegengestellt: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Die Strafe soll nicht über die Tat hinausgehen. Rache darf nicht maßlos werden.“

       „Und Jesus ging noch weiter“, sagte Ludwig. „Wenn dich jemand auf die eine Backe schlägt, halte ihm die andere auch noch hin. Liebt eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen.“

       Aaron lächelte. „Aber du tust uns nicht wohl, weil du uns hasst, nicht wahr? Scherz beiseite – ich kenne nicht viele Christen, die mit solchem Handeln beweisen, dass sie das Wort von Jesus ernst nehmen.“

       „Leider.“

       „Und wegen dieses Liebesgebotes, das kaum jemand beachtet, glaubst du, das Christentum sei wertvoller als das Judentum?“

       „Wertvoller? Ich weiß nicht, was ich mir darunter vorstellen soll. Ich möchte so sagen: Das eine ist eine Weiterführung des anderen. Eine Steigerung. Ein Schritt weiter in der Geschichte Gottes mit den Menschen.“

       „Aber du verachtest uns und den Glauben der Juden trotzdem nicht?“

       „Jesus sagte – das steht bei Johannes: Das Heil kommt von den Juden.“

       Es wunderte mich, dass ein solcher Satz im Neuen Testament stehen sollte, aber ich sagte nichts dazu, wusste ich doch, dass meine Kenntnis dieser Dinge äußerst mangelhaft war.

       Ich habe hier versucht, das Gespräch möglichst genau festzuhalten. Aber natürlich kann ich mich nicht mehr an jeden einzelnen Satz erinnern. Sinngemäß lief aber unser Gespräch so ab.

       Aaron und ich haben uns dann noch ein wenig über das Thema unterhalten, kamen aber nicht wesentlich weiter, weil wir über den christlichen Glauben nicht genug wussten. Es war uns nur geläufig, was zur Allgemeinbildung gehört. Wir hatten aber den Eindruck, damit nicht bis zum Kern vorgedrungen zu sein. Im Übrigen wussten wir über unseren eignen Glauben auch nicht genug.

       Gestern hörten wir lautes Reden unten im Hof.

       Wir können durch einen kleinen Schlitz zwischen den Dachziegeln hinuntersehen. Allerdings können wir nicht den ganzen Hof mit einem Blick erfassen.

       Wir beobachteten, dass Ludwig sich mit einem Mann im braunen Hemd stritt. Es war ein ziemlich dicker Mann, bei dem das militärische Gehabe etwas unpassend und lächerlich wirkte. Nach dem heftigen Wortwechsel drehte sich der Dicke um und stapfte wütend davon.

      Später berichtete uns Elisabeth, was geschehen war. Sie stieg die Leiter hinauf, aber nicht ganz. Nur ihr Oberkörper lugte durch die geöffnete Klappe. Der Mann, erzählte sie, war der Ortsgruppenleiter der Partei. Er wollte, dass Ludwig eine Hakenkreuzfahne vorn an der Straße aufhängt. Er erwartete einen Gauleiter – oder wie die sich nennen – für morgen zu einem Besuch. Der sollte würdig empfangen werden. Da Borns Haus direkt an der Hauptstraße steht, sollten sie sich an dem Fahnenschmuck beteiligen und damit ihre Begeisterung über den neuen Geist ausdrücken. Diese Begeisterung war aber bei Ludwig nicht vorhanden, eher das Gegenteil. Er weigerte sich. Er habe keine Fahne, sagte er dem Nazi. Das brachte ihm den Ärger dieses Mannes ein.

       Elisabeth meinte: „Hoffentlich bewirkt das nicht, dass er uns nun mit mehr Sorgfalt beobachten lässt. Es wird erzählt, dass die Gestapo manche Leute drängt, andere zu bespitzeln. Nachbarn, Geschäftspartner, sogar Verwandte.“

       „Könnt ihr euren Nachbarn trauen?“, fragte Aaron.

       „Nun ... “ Elisabeth wiegte den Kopf. „Ich sage ihnen nichts Schlechtes nach. Wir haben eigentlich nach beiden Seiten und gegenüber ein gutes Nachbarschaftsverhältnis. Aber wer weiß schon, wie Menschen reagieren, wenn sie unter Druck gesetzt werden und persönliche Nachteile befürchten müssen. Eine kleine Beobachtung, aufgebauscht oder sogar erfunden, ist ein einfaches Mittel, sich für irgendeinen kleinen Ärger zu rächen, oder zumindest, um sich bei den Machthabern beliebt zu machen.“

       „Es wäre leichter, wenn euer Hof weiter draußen läge. Aber er liegt nun mal mitten im Ort. Und mit der offenen Seite zur Straße, sodass jeder, der vorbeikommt, hineinsehen kann.“

       Elisabeth nickte. Nach einer Weile fuhr sie fort: „Der Ortsgruppenleiter scheint gut über unsere Familie informiert zu sein. Er erwähnte unseren Sohn.“

       Ich sagte: „Es spricht doch für euch, dass euer Sohn an der Front kämpft.“

       „Ja, eigentlich schon. Aber es kann ihm auch schaden, wenn wir gegen das Regime sind. Ein Nazifeind wirft sofort einen Schatten auf die ganze Familie.“

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