Название: Hannah von Bredow
Автор: Reiner Möckelmann
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806237443
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Aufkommendes Misstrauen Helene Jessens konnte Hannah von Bredow sich angesichts ihres intensiven Schriftverkehrs mit Sydney Jessen durchaus vorstellen und wurde in ihren Vermutungen auch bestätigt. Nach einem Theaterbesuch mit Jessen fragt sie sich Mitte Februar 1935 im Tagebuch: „Kann man sich eine Ehefrau vorstellen, die alle Briefe ihres Manns liest? Sowohl die gesendeten wie erhaltenen? Welch erstaunliche Idee eines ehelichen Glücks! Aber solange sie daran Spaß hat …“ Mit Hinweisen auf ihre Treue und den Altersunterschied bemühte sich Hannah in ihren Briefen an Helene, das Misstrauen zu dämpfen: „Vergiss mich nicht ganz trotz langer Trennungen und lass Dich in treuer Freundschaft und Liebe innig umarmen. Grüße Deinen Mann und die Kinder. Deine alte, müde, traurige und allgemein erschöpfte Hannah“.
Dauerhaft konnte Hannah von Bredow den Argwohn und die Eifersucht von Helene Jessen nicht dämpfen. Zum zehnten Hochzeitstag Anfang April 1937 schenkte sie dem Paar einen alten englischen Freundschaftsbecher und bemerkte in ihrem Brief an Jessen Ende des Monats: „Vielleicht hat Helene ihn in Laufen noch gesehen.“ Die Ehe war in die Brüche gegangen und Helene auf das Familienanwesen in Aschhausen gezogen. Ende Juli reichte sie die Scheidung ein. Doch hierbei ließ sie es nicht bewenden: Sie benannte Hannah als Schuldige und denunzierte sie zudem, wie diese am 12. November 1937 im Tagebuch festhält: „I have been denounced by the nurse, by Helen, by Raeder and Arnim. Well, well! A close shave. Damn those Nazis!“ Hannah erwog eine Klage und überlegte im September, „wo mein Fehler lag. Ich habe sie nie verachtet, ich fand sie nur anders. Ich hatte nie unloyale Gedanken über sie. Das Komische ist, dass ich wirklich glaubte, sie mochte mich. Jetzt muss ich das alles für mich klären.“
Nach der Rückkehr von einer Wienreise wurde Hannah von Bredow Ende Oktober 1937 in Berlin völlig überraschend von zwei Zollbeamten empfangen, die sie nach Potsdam begleiteten und ihren Schreibtisch durchsuchten. Beiläufig erwähnten sie, dass Sydney Jessen wenige Tage zuvor inhaftiert worden war. Am 13. November berichtet Hannah dem Brieffreund Jessen ausführlich über das siebenstündige Verhör der Beamten. Diese bezichtigten sie des Devisenvergehens, welches sie unter einem Pseudonym vorgenommen habe. Den Beamten erklärte Hannah hierzu: „Dieses Mal wissen Sie ja aus Frau Jessens Denunziationen den Sinn, und deshalb brauche ich ihn nicht zu wiederholen.“2
Bereits in einem Schreiben an Jessen hatte Hannah von Bredow drei Tage zuvor resignierend festgestellt: „Es interessiert mich auch sehr wenig, denn ich bin nicht mehr auf dieser Welt, weil ich ja doch nur ein Schädling bin. Vielleicht kann ich mich als Skelett ausstellen, sonst fällt mir nichts mehr ein. Ich wiege jetzt 48 kg und das ist immerhin nicht sehr üppig, aber es ist wohl noch immer zu viel, denn ich nehme weiter ab. Das lässt sich nun nicht ändern …“ – Ein Alarmsignal einer knapp einen Meter achtzig großen Mutter von acht Kindern.
Hannah von Bredow verzagte nicht und bemühte sich mit allen Mitteln um Aufklärung. Erschwerend kam für sie aber hinzu, dass „alle Briefe, die ich Ihnen je geschrieben habe, in den Händen der Zollfahndungsstellen sind,“ schrieb sie Jessen Ende November 1937. Mit den abgefangenen und abgeschriebenen Briefen verband Hannah die Sorge, dass diese Jessen auch devisenrechtlich und politisch im Rahmen des Scheidungsprozesses belasten könnten.
Mit Hilfe ihres Bruders Otto und ihres Rechtsanwalts Walther von Simson gelang es Hannah von Bredow immerhin, beim Oberfinanzpräsidenten die haltlosen Vorwürfe wegen Devisenvergehen auch mit eigenen unkonventionellen Mitteln aufzuklären: Ihre Brüder hatten sie nämlich darin bestärkt, „dass nur mit Marktweibergebrüll heutzutage durchzukommen sei, nicht aber mit einem einzigen Zeichen des sich Unterordnens.“
Politische Unterordnung kam für Hannah von Bredow ohnehin nicht in Frage. Besorgt war sie aber, als sie erfuhr, dass Abschriften ihrer Briefe an Jessen auch dem Chef der Potsdamer Gestapo und zweitem Vorsitzenden im Volksgerichtshof, Wilhelm Graf von Wedel, vorlagen und er beabsichtigte, Hannah in Haft zu nehmen. Bruder Gottfried von Bismarck, Parteigenosse von Wedel, musste intervenieren und tat dies erfolgreich. Dennoch ließ Wedel im Januar 1938 Hannah von Bredows Pass einziehen. Gottfried empfahl ihr daraufhin dringlich, Sydney Jessen bis zum Abschluss des Scheidungsprozesses nicht mehr zu sehen. Hannah schlug den brüderlichen Rat aus und traf Jessen noch verschiedentlich vor Ende des Prozesses, der Anfang Oktober 1938 mit einem Schuldspruch gegen ihn endete. Kurz vor Weihnachten wurde die Scheidung wirksam. Den Jahreswechsel feierte der Geschiedene zusammen mit Hannah von Bredow und ihren acht Kindern in Potsdam.
Jessens aus dem Briefwechsel mit Hannah von Bredow ersichtliche ‚politische Unzuverlässigkeit‘ bestimmte das negative Scheidungsurteil wohl auch unabhängig von den Scheidungsgründen seiner Frau Helene. Seine früh geäußerte Distanz zum NS-Regime beantworteten dessen Erfüllungsgehilfen bereits im Jahre 1934 mit Jessens Ausschluss aus dem Vorstand der Laufener Winzergenossenschaft und einer bäuerlichen Berufsvereinigung in der Markgrafschaft Baden. Gegenüber weiteren Schikanen sicherte er sich ab 1934 durch Teilnahme an Reserveübungen ab. Diese erleichterten ihm nach seiner Scheidung die Einstellung in der Nachrichtenabteilung der Seekriegsleitung in Berlin Anfang 1939.
Angesichts der räumlichen Nähe verzeichnet Hannah von Bredow in ihrem Tagebuch für das Jahr 1939 nahezu wöchentlich Treffen mit Sydney Jessen. Wenig zur Freude der Familie Bismarck-Bredow wohnte Sydney Jessen, als er in Berlin auf Wohnungssuche war, in den ersten Monaten sogar bei Hannah, die im Tagebuch vermerkt: „Mutter täglich ärgerlicher, dass Sydney in unserem Haus wohnt. Kein Trost für sie, dass er sich im Haus nicht wohl fühlt. Auf jeden Fall muss er bedauert werden.“ Das Mitleid für den unter unwürdigen und erniedrigenden Umständen geschiedenen Freund hatte aber Grenzen: Zur Frage ihres Bruders Gottfried, ob sie Sydney Jessen nicht heiraten wolle, vermerkt sie: „Ich weiß nicht, was ich noch tun soll.“
Ein dauerhaftes Zusammenleben mit Sydney Jessen oder gar eine Ehe mit ihm kam für Hannah von Bredow allein ihrer Kinder wegen nicht in Frage. Die drei älteren Töchter, die Ende der 1930er-Jahre bereits über oder knapp unter 20 Jahre alt waren, lehnten es strikt ab, Jessen eine Vaterrolle zuzugestehen. Hannah hatte besonders mit ihrer Ältesten, Marguerite, erhebliche Schwierigkeiten und wollte Jessen nicht in ihre Erziehungsprobleme hineinziehen. Auch hatte sie seit dem Tod ihres Mannes Leopold den großen Haushalt, unterstützt zwar durch reichliches Personal, mehr als fünf Jahre ohne männlichen Vorstand bewältigt.
Nicht zuletzt galt es für Hannah von Bredow, Vorbehalte gegen Jessen auch im weiteren Familien- und Bekanntenkreis zu berücksichtigen. So schreibt sie schon früh, Ende des Jahres 1934, ins Tagebuch, dass sie einer Einladung Jessens nach Laufen gern nachgekommen wäre: „Wie aber soll man das machen? Schade. Ich habe so wenig gute Freunde, und gerade dieser wird mir von den dümmsten Leuten verübelt, weil er bürgerlich ist. – Komische Welt.“
Hannah von Bredows Nähe zu Sydney Jessen, die sie in Form regelmäßiger Briefe und gelegentlicher Besuche seit dem Jahre 1925 hergestellt hatte, hielt sie in keiner Weise davon ab, die von ihr erwarteten gesellschaftlichen Aktivitäten und familiären Pflichten wahrzunehmen und zu erfüllen. Auch nach dem frühen Tod von Ehemann Leopold im Oktober 1933 verzichtete sie nicht auf ein reges Gesellschaftsleben. Gern nahm sie Einladungen zu Frühstücks-, Mittags- und Abendveranstaltungen von Verwandten und Freunden, von Vertretern aus Diplomatie, Politik und Wirtschaft wahr und lud ihrerseits zum Tee und zu Essen ein.
Ende der 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre versäumte Hannah von Bredow darüber hinaus wenige der von Wilhelm Furtwängler, Otto Klemperer oder Bruno Walter СКАЧАТЬ