Hannah von Bredow. Reiner Möckelmann
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Название: Hannah von Bredow

Автор: Reiner Möckelmann

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806237443

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СКАЧАТЬ und dessen Frau Ann Mari zu Gast bei Hermann Göring, Hitlers Vertrauter und „politischer Beauftragter in der Reichshauptstadt“. Dessen wesentlicher Auftrag in Berlin bestand darin, die Nationalsozialisten in der besseren Gesellschaft hoffähig zu machen. Den Industriellen Fritz Thyssen hatte Göring bereits ein Jahr zuvor gewonnen, und dieser verhalf ihm in der Folge finanziell zu einem adäquaten Lebens- und Wohnstil.

      Minutiös, mit wörtlichen Dialogen und auf mehr als einem Dutzend Seiten, schildert Hannah ihrem Briefpartner Jessen das Ambiente und die Gespräche im Hause Göring, beim „Witwer nach einer schwedischen Gräfin“, wie sie dessen Status nach dem Tod seiner 1931 verstorbenen schwedischen Frau Carin bezeichnet.7 Schon die Einrichtung des ersten Zimmers ließ sie staunen: „Schwere altvenezianische, rote Samtbehänge an den Wänden, in der Mitte des Zimmers ein großer Kamin. Über diesem ein Riesenmosaik: auf königsblauem, glasierten Grunde das riesige goldene Hakenkreuz.“

      Nach ein paar Minuten des Wartens „kam ein kleiner, fetter Mann herein: Blonde, leicht gewellte Haare, blaue, ausdruckslose, aber ‚herrische‘ Augen, ein enormes Kinn, das die Nase ganz in den Schatten stellte, ein breites, rötliches Gesicht, ein genießerischer ‚loose-lipped‘ Mund, erstaunlich kurze Arme, fette, weiße Hände. Am Ringfinger ein Lapislazuli von so ungewöhnlicher Größe, dass eine Biegung des Gelenkes unmöglich war. Auf dem Stein das Wappen. Im Knopfloch das Hakenkreuz.“

      Beim Mittagessen saß Hannah von Bredow rechts vom Hausherrn und eröffnete die Konversation: „Wunderbar sind die Farben Ihrer blauen Teppiche und Ihrer blauen Samte.“ Er: „Ja, blau ist die Farbe der göttlichen Runen, Blau und Gold die Sonnenrunen, und darum beherrscht Blau mein Leben. Blau ist arisch, kein Jude kann Blau sehen, daher auch mein Ring!“ Ich: „Sehr interessant, ich habe auch eine große Vorliebe für blau, die aber angeboren ist.“ Nach weiteren Dialogen zur Farbenlehre und Berichten Görings über seine Herkunft gab es „Erbsensuppe mit kleinen Stücken Schweinefleisch“, die Göring schmunzelnd mit: „Schwedisches Donnerstagsessen, wir leben einfach“ kommentierte.

      Nach dem Essen führte Göring seine Gäste in den „Braunen Salon“, an dessen einer Wand „auf Gobelinstoff gemalt eine enorme Landkarte“ hing, „den Wunschtraum Deutschland (ein bisschen kleiner nur als das Hl. Röm. Reich deutscher Nation) darstellend.“ Eine Goldbronzebüste von Mussolini stand in einer Ecke. Vor dem Weggehen drängte Göring seine Tischdame etwas von den anderen ab, und Hannah von Bredow schreibt in wörtlicher Wiedergabe: „G.: ‚Also, ich komme bald nach Potsdam, Sie müssen zu uns.‘ Ich: ‚Ich glaube nicht, dass eine vielbeschäftigte Hausfrau für Ihre Partei Zeit hat. 7 Kinder füllen den Tag aus.‘ G.: ‚Sieben Kinder! Das ist ja fast wie ein Märchen! Ich kann das nicht verstehen!‘ Er wandte sich hilfesuchend an meinen Mann, der ihn nicht trösten konnte. G.: ‚Nur eins! Bei uns gibt es keine Rangunterschiede, bei uns gibt es keine Snobs.‘ ‚Was Sie nicht sagen!‘ erwiderte ich.“

      Es war nicht die knappe Zeit, die Hannah von Bredow an einer Mitgliedschaft in der NSDAP hinderte; sie hatte eine grundsätzliche Abneigung gegen deren Personal, Methoden und Ziele. Die Haltung ihrer beiden Brüder Otto und Gottfried von Bismarck zur Partei war dagegen früh und bis ins Jahr 1943 hinein positiv.

      Der jüngere Gottfried nahm bereits am 1. September 1932 das Parteibuch entgegen. Bruder Otto ließ sich mit der Mitgliedschaft in der NSDAP etwas mehr Zeit als der Bruder. Am 1. Mai 1933, dem ersten mit großem Aufwand gefeierten „Tag der nationalen Arbeit“ trat er in die Partei ein. Es war in der letzten Minute, bevor die Parteileitung noch am selben Tag bis Mitte 1937 einen Aufnahmestopp verhängte, um „Konjunkturritter“ abzuhalten. Die Mitgliederzahl war nämlich von rund 860.000 im Januar auf über 2 Millionen im April 1933 angewachsen.8

      Drei Tage vor der Machtübergabe hatte Otto von Bismarck seiner Mutter am 27. Januar 1933 geschrieben, dass das NS-Regime durchaus auch Karrierechancen für ihn und Bruder Gottfried bieten könne.9 Für seinen Bruder traf dies zweifellos zu: Gottfried von Bismarck vertrat die NSDAP von 1933 bis 1945 im Reichstag, gehörte dem Freundeskreis Reichsführer SS an und wurde später SS- Oberführer und SS-Brigadeführer. Auf Rügen übernahm er 1933 das Amt des Landrats und NSDAP-Kreisleiters, im Jahre 1935 wechselte er als Regierungspräsident nach Stettin und 1938 in gleicher Funktion nach Potsdam.

      Dagegen sprechen Otto von Bismarcks langjährige Zeit als Botschaftsrat in London und seine spätere Gesandtentätigkeit in Rom nicht für eine steile Karriere im NS-Staat. Wohl zeigte er aber früh Sympathie für die Nationalsozialisten. So notierte Joseph Goebbels am 1. Februar 1933, einen Tag nach der Machtübernahme Hitlers und eineinhalb Monate vor seiner eigenen Ernennung zum Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, in seinem Tagebuch:10 „Nachher noch Fürst und Fürstin Bismarck. Sie sind begeistert.“ Wichtiger als eine Karriere war für Otto Fürst von Bismarck zweifellos, dass die Nationalsozialisten die Landwirtschaft und den Grundbesitz mit ihrer ideologischen Überhöhung von Blut und Boden erheblich aufwerteten. Dementsprechend konnte der Eigentümer der Familiengüter in Schönhausen und Friedrichsruh schon Ende 1933 erleben, dass diese als Erbhöfe anerkannt wurden.

      Den Weg in die Diktatur verfolgte Hannah von Bredow ihrerseits weiterhin genau und fragte sich am 1. Mai 1932, dem fünften Sonntag nach Ostern: „Rogate. Ob die Nazis nächstes Jahr ‚Jubilate‘ schreien? Ich bin davon überzeugt.“ Für die nächsten Maitage gibt ihr Tagebuch Auskunft über eine „große Schlägerei im Reichstag“, ebenso wie über die Eröffnung des Preußischen Landtags „mit einer Riesenprügelei“. Als Drahtzieher erkannte sie jeweils NSDAP-Abgeordnete. Am Montag, dem 30. Mai 1932, schreibt sie schließlich: „Brüning ist entlassen, auf die abrupteste Weise. Gott Lob. Hoffentlich nehmen sie jetzt die Nazis ins Kabinett. Noch sind sie billig zu haben!“

      Franz von Papen, Heinrich Brünings Nachfolger im Kanzleramt, bemühte sich ab dem 1. Juni 1932 vergeblich, die Nationalsozialisten in seine Regierung zu bringen. Hitler wollte die ganze Macht. Den Kanzler von Papen erlebte Hannah dann rund drei Monate nach seinem Amtsantritt als Essensgast in ihrem Hause. Sie hatte auch ihre Brüder Otto und Gottfried sowie die Familie Planck geladen.

      Freimütig berichtete Papen der Gastgeberin über ein Frühstück mit dem preußischen Kronprinzen einen Tag zuvor, am 2. September 1932. Friedrich Wilhelm habe Papen Lob für seine Arbeit bekundet und dass er „spätestens mit dem Frühling“ rechne. Auf Hannahs Nachfrage zu diesem Halbsatz zitierte Papen den Kronprinzen: „Nun, Deutschland muss demnächst einen Kaiser haben, denn sonst kommt unweigerlich der Bolschewismus“, habe dieser erklärt, „und Sie denken doch bestimmt an die Legalität, denn, was könnte legaler sein als die Wiedereinsetzung einer Dynastie wie der Unsrigen?“ Papen schloss sich dieser Meinung vollkommen an, worauf Hannah ihm, „sehr amüsiert über diese typische Verkennung der Lage“, erwiderte: „Sie hätten ihm klipp und klar sagen müssen: niemals, denn man kann in Deutschland erst Ordnung schaffen, wenn man diese Familie völlig ausgeschaltet hat.“

      Hannah von Bredows Misstrauen und sogar ihre Verachtung dem Hause Hohenzollern gegenüber ist verschiedenen Tagebucheintragungen und Briefen zu entnehmen. Die seinerzeit weltweit mit Erstaunen aufgenommene Entlassung ihres Großvaters im März 1890 durch Wilhelm II. verurteilte sie verständlicherweise. Mehr aber bestimmte ihre Einstellung zu den Hohenzollern die von ihr als unwürdig empfundene Abdankung des Kaisers Anfang November 1918. Seitdem hatte die Familie Hohenzollern „aufgehört, irgendeine Bedeutung zu haben.“

      Schon gar nicht wollte Hannah von Bredow die Hohenzollern in der Nachfolge des Reichspräsidenten von Hindenburg sehen. Hierum kreisten die politischen Gespräche im Herbst 1932 zunehmend, zumal Hindenburg bei seiner Wiederwahl im April im 85. Lebensjahr stand und in absehbarer Zeit mit seinem Ableben zu rechnen war. Ihrem Gesprächspartner von Papen hielt Hannah vor: „Wenn Sie die Restauration anstreben, und Sie damit als Verlegenheitslösung Erfolg haben, wird der Abgrund in rasender Fahrt erreicht werden.“ Papen war anderer Meinung und fragte sie: „Wer soll denn Hindenburgs Nachfolger werden? Etwa Hitler? Nein, der Tod des Alten ist der ‚moment psychologique‘ zur Wiedereinsetzung der Hohenzollern.“

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