Gegendiagnose II. Группа авторов
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Название: Gegendiagnose II

Автор: Группа авторов

Издательство: Автор

Жанр: Социальная психология

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isbn: 9783960428138

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СКАЧАТЬ und Betroffenheit gibt. Die beiden anschließenden Beiträge von Caro von Taysen und von Robin Iltzsche berichten aus der Perspektive von ›kritischen Professionellen‹ von ihren Erfahrungen und Einsichten in die eigenen Verstrickungen und beschränkten Kritikpotentiale als Psycholog_In und Psychiatrie-Personal. Caro von Taysens Beitrag hinterfragt dabei die hierarchisierenden Grenzen zwischen ›denen‹ und ›uns‹, welche in der professionellen Ausbildung und Praxis sehr zentral und bedeutsam sind und Robin Iltzsche macht anhand persönlicher Erfahrungen eindrücklich deutlich, wie schwierig und ambivalent eine kritische Haltung in und zu der Institution Psychiatrie in der Praxis sein kann.

      In der psychiatrischen Anstalt geht es sodann auch im zweiten Kapitel »Kritik an konkreten Praktiken« weiter. Peet Thesing beschreibt an einem Fallbeispiel die Unterwerfungs- aber auch Widerstandsmomente eines Psychiatrieaufenthaltes. Auch die Psychiatrie-kritische Gruppe Bremen beschäftigt sich mit der Institution Psychiatrie, speziell jedoch mit der forensischen, also kriminalistischen, welcher die Legitimation zukommt, Menschen auch nach Vollzug einer Haftstrafe weiterhin ›im Dienste der Sicherheit‹ gefangen zu halten. Die Praktik der Sicherheitsverwahrung wird in diesem Beitrag gesellschaftlich eingeordnet und als Menschenrechtsverletzung kritisiert. Massiv ist auch die Kritik von Jay an der Pathologisierung von Folgeerscheinungen gravierender und systematischer Gewalt. Statt gesellschaftliche Strukturen für krank zu erklären, die solche Gewalt ermöglichen, werden die Opfer pathologisiert und auf dieser Basis bevormundet und somit erneut zu Opfern gemacht. Auch Anne Roth und Clara Kern kritisieren den psychiatrisch_psychologischen Umgang mit sexualisierter Gewalt, hier konkret in Form der »aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsgutachten«, welche den Anspruch erheben zwischen ›falscher/eingebildeter‹ und ›richtiger/wahrer‹ Vergewaltigungs- und Missbrauchserinnerung unterscheiden zu können. Die Autor_Innen weisen nach, wie diese Praktik zu einer Täter-Opfer-Umkehr beiträgt und gesellschaftliche Machtverhältnisse stabilisiert. Den Abschluss dieses Kapitels bildet ein Beitrag von Anne Allex, welcher die immensen Folgen von psychologischen Gutachten durch den Ärztlichen Dienst der Arbeitsagentur für Betroffene darlegt.

      Ein letztes Kapitel bildet auch diesmal wieder die »Kritik der Kritik« in welchem aktuelle linke und psych_kritische bis antipsychiatrische Diskurse und Praktiken zum Gegenstand gemacht werden. Das Kapitel beginnt mit einem Beitrag von Michael Zander, der die Psychologisierung (linker) Politik kritisiert. Es folgt ein Artikel von Judith zu ihrem Erleben von allzu theoriegeleiteter linker Psychiatriekritik, die nicht an die realen Erfahrungen und Empfindungen Psychiatriebetroffener anschließen kann. resist_pathologization leistet im darauf folgenden Beitrag eine umfassende und fundierte Kritik am Konzept der Selbstbestimmung als Ziel emanzipatorischer Politik in Theorie und Praxis. Sehr freuen wir uns, als abschließenden und abrundenden Beitrag die erstmalige Übersetzung eines Textes der kanadischen antipsychiatrischen Wissenschaftlerin Bonnie Burstow präsentieren zu können. Mit dem von Clara Funk übersetzten Artikel zum »Zermürbungsmodell« endet der Band so mit einem selbstkritischen aber positiven Ausblick auf die Zukunft der emanzipativen, kritischen Umgangsweisen mit Psychologie und Psychiatrie.

      Danksagungen

      Zunächst einmal möchten wir uns bei all unseren Autor_Innen bedanken für die produktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit! Auch allen Leser_Innen des ersten Bandes, die für die Notwendigkeit einer zweiten Auflage gesorgt haben, danken wir hiermit – nicht zuletzt der große Erfolg des ersten Bandes hat zur Motivation für einen zweiten Band beigetragen. Auch die vielen Einladungen für Lesungen des Bandes, von Bremen bis Wien, und die hierbei geführten Diskussionen haben uns angetrieben, das Projekt weiter zu verfolgen. Trotz aller Kontroversen und letztlich getrennter Wege gilt der Dank auch Fabian Dion für die Initiierung der Gegendiagnose ›damals‹ 2014. Vor allem danken wir Willi Bischof und der edition assemblage für die Ermöglichung und Unterstützung des Projektes!

      Wir freuen uns über Kritik, Anregungen und Vorschläge für den dritten Band an

       [email protected]

       ›Irre‹, ›Krank‹ und ›Wahn‹ – eine (zu) kurze Einführung in die Psychiatriekritik 3

       Alex Steinweg

      Einleitung

      Innerhalb einer links-aktivistischen Szene scheint es in diskriminierenden Situationen einen Konsens über angemessene Handlungsweisen zu geben. Das Spektrum reicht davon eine von Abschiebung bedrohte Person zu verstecken, sexistischen und rassistischen Sprachgebrauch zu problematisieren und geht bis dahin Diskussionen über mögliche diskriminierende Lesarten einzelner Wörter, Kleidungsstile und Frisuren zu führen (vgl. u.a. Latton 2016: o.S.; Yaghoobifarah 2016a: o.S.; 2016b: o.S.).

      Aber wie sieht es mit einem Konsens darüber aus, eine Person zu verstecken und zu unterstützen, die zwangsbehandelt werden soll? Schnell heißt es, dass von außen nicht nachvollziehbares Verhalten ›krank‹ sei und die Betroffenen ›professionelle Hilfe‹ bräuchten. Aber wodurch legitimiert sich ›professionelle Hilfe‹ eigentlich? Und was bedeutet eigentlich ›krank(haft)‹? Schon die ›Alte Psychiatriekritik‹, eine Bewegung vor allem kritischer Wissenschaftler_Innen und vereinzelt auch praktizierender Psychiater_Innen in den 1960er Jahren, hat sich mit diesen Fragen beschäftigt und es ist ihnen gelungen, eine emanzipative Kritik an vorherrschenden medizinisch geprägten Erklärungsmodellen zu formulieren (vgl. u.a. Basaglia: 1980; Chesler: 1977; Cooper: 1972; Dörner: 2001; Foucault: 1973; Laing: 1994; Schaps: 1982; Szasz: 1972) und ›psychische Krankheiten‹ als maßgeblich gesellschaftlich bedingt zu theoretisieren und damit zu entmystifizieren (vgl. Trotha, 2001 o.S.). Im Zuge dieser Bewegung begannen verschiedene Betroffenengruppen sich in Verbänden und Initiativen zu organisieren, eigene Kritiken zu formulieren und selbstbestimmte Unterstützungsstrukturen aufzubauen (die sogenannte »Neue Antipschiatrie« der 1980er Jahre) (vgl. ebd.).

      Ziel dieses Artikels ist es, eine kleine Einführung in die formulierten Kritiken dieser Bewegung zu geben. Dabei sollen weniger die einzelnen Akteur_Innen im Vordergrund stehen, sondern der Fokus auf einer Zusammenfassung der Theorien liegen. Diese Theorien – so sehr auch diese bei weitem nicht frei von Kritik sind (vgl. Dudek 2015: 313 ff.) – können helfen, menschliches Verhalten zu entmystifizieren, die Bedeutung subjektiven Empfindens und Deutens hervorzuheben und Lebenssituationen in gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge zu setzen. Dies stellt eine notwendige Grundlage eines emanzipatorischen Diskurses zur Unterstützung von Menschen dar.

      Abschließend leite ich aus den theoretischen Vorarbeiten Reflexionsmaßstäbe her, welche bei der Selbstreflexion helfen sollen, um bei sich selbst sowohl diskriminierende Denk- und Verhaltensmuster zu entdecken und zu verändern, als auch es einem_R zu erleichtern, sich für und in der Unterstützungsarbeit zu sensibilisieren.

      Ausgesuchte Aspekte der diskursiven Entwicklung СКАЧАТЬ