Название: Makabrer Augustfund im Watt
Автор: Manfred Eisner
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783969405307
isbn:
Auf dem Weg zurück nach Oldenmoor machte ich einen kleinen Umweg zum neuen Fischhändler in Glückstadt, von dem ich im Restaurant Rigmor erfahren hatte, dass er gerade frische Makrelen im Angebot habe. Vor einigen Abenden hatte ich mir von einer Fernsehsendung ein afrikanisches Rezept herausnotiert, während ein sympathischer junger Mann die leckere Speise vor der Kamera zubereitete und detailliert über die Zutaten plauderte. Beim Fischhändler wählte ich zwanzig prima aussehende Filets, da ich das Gericht unbedingt zum morgigen Mittag ausprobieren wollte. Es war bereits angebracht, unser wohlverdientes Wochenende zu genießen, als wir wieder im Onkel Suhls Haus eintrafen. Wenig später tauchten auch Waldi und Robert auf, und nachdem wir einvernehmlich strikt vereinbart hatten, heute nicht mehr über die Arbeit zu reden, erlebten wir einen entspannten und unterhaltsamen Abend im kleinen Garten hinter dem Haus. Jeder trug dazu bei, indem er lustige Anekdoten und Begebenheiten aus der Jugendzeit zu Gehör brachte. Bevor wir zu Bett gingen, bereitete ich mit Habibas Unterstützung eine Marinade zu und legte darin die Makrelenfilets über Nacht ein. Wie wonnig war es, anschließend in den verlangenden Armen meines geliebten Waldi zu kuscheln und mit ihm eine bezaubernde Liebesnacht zu erleben!
Sonnabend. Nach unserem obligaten Morningjogging und der darauffolgenden labenden Dusche genossen wir zusammen mit Ferdl und Robert das Frühstück mit den von Habiba mitgebrachten frischen Brötchen, die wir dick mit der von Abuelita in dieser Woche eingekochten leckeren Erdbeerkonfitüre bestrichen. Danach verzogen wir uns in das Arbeitszimmer im Obergeschoss zur Lagebesprechung. Zunächst erfuhren wir, wie die Vernehmung von Mihalis Marinakis verlaufen war. Nachdem dieser sich meiner Freundin Kitt anvertraut hatte, legte er in Anwesenheit der Itzehoer Kollegen sowie Staatsanwältin Frau Dr. Bach ein volles Geständnis ab, dessen Protokollabschrift uns vorlag. Wie er ausgesagt hatte, fühlte er sich so hilflos und war auch von unserer Gerichtsbarkeit derart allein gelassen und deshalb verärgert, dass er meinte, sowieso nichts mehr verlieren zu können. Er hatte diesen Verzweiflungsakt geplant, um den vermeintlichen Verursacher seiner Misere zu bestrafen, indem er dessen Sohn eine Entführung anhängen und damit die Familie in Misskredit bringen wollte. Sein achtzehnjähriger Neffe Orestis studiert an der Norddeutschen Fachschule für Gartenbau in Elmshorn und jobbt zwecks eines kleinen Zuverdiensts stundenweise in einem Internetcafé. Dieser habe ihm bei der Recherche geholfen und durch einen Zeitungsartikel in der Hamburger Mopo erfahren, dass ein gewisser HPM vor zehn Jahren von einer Auszubildenden einer Privatbank wegen sexueller Belästigung angezeigt worden sei. Kurz darauf sei die Anzeige allerdings zurückgezogen worden. Dieser HPM könne kein anderer als Harrison P. Mainforth gewesen sein, weshalb es für ihn ein gefundenes Fressen war, seinen Verderber mit einer ähnlich gelagerten Tat anzuschwärzen. Dafür ließen sie sich auf das Spoofing14-Abenteuer ein und stießen zufällig auf die naive und ahnungslose Anneke Schrader, die im Internet auf der Suche nach einer Bekanntschaft war und auf der Chat-Site namens ›boyfriend‹ surfte. Der pfiffige Orestis missbrauchte dafür die Daten und einige Fotos vom Instagram-Account von Mainforths Sohn Kenneth und setzte dessen gefaktes Profil unter dem Chatnamen ›Kenny‹ ein, um mit Anneke anzubandeln und sie schließlich bis zum Cyber-Grooming anzuködern. Marinakis konnte glaubhaft versichern, dass er niemals beabsichtigt habe, dem Mädchen irgendeinen Schaden zuzufügen oder sie gar sexuell zu nötigen. Er wollte sie lediglich drei Tage lang im Versteck festhalten und danach den Behörden gefälschte Hinweise liefern, die sowohl auf Mainforths Sohn als auch auf das Versteck des Mädchens hinwiesen.
Dass der Junge gegenwärtig in den USA studiert, konnte er nicht wissen. Ebenso konnte er nicht voraussehen, dass sich das junge Mädel vorzeitig befreien und ihn für kurze Zeit außer Gefecht setzen würde.
Übrigens hatten inzwischen auch Timo Bohn und unsere ZAC-Analytiker die Chats auf Annekes Tablet untersucht. Über IP- und MAC-Adressen konnten sie den Computer des Internetcafés ausmachen, von dem aus der falsche ›Kenny‹ mit Anneke gechattet hatte. Wir waren dem bereits geplanten Zugriff auf den Neffen nur deswegen zuvorgekommen, weil Ferdl und ich zusammen mit den Elmshorner Kollegen Mihalis Marinakis angetroffen und ihn kurzerhand festgenommen hatten. Der junge Orestis hat sich allerdings in diesem Zusammenhang ebenfalls schuldig gemacht und muss sich vor der Jugendkammer dafür verantworten. Meine Freundin Kitt erreichte erfreulicherweise beim Haftrichter die vorübergehende Freilassung des Festgenommenen bis zur Gerichtsverhandlung, da er voll geständig gewesen sei und weder Verdunklungs- noch Fluchtgefahr bestehe. Ich rief bei Kitt Harmsen in Kiel an, um mich bei ihr für ihren beherzten Einsatz zugunsten des armen Teufels zu bedanken. Sie erzählte mir, dass der ›ehrenwerte‹ Mister Mainforth die Stirn besessen habe, durch seinen Rechtsanwalt Dr. Allwardt (oh mein Gott, bitte nicht wieder dieser widerliche Rechtsverdreher!) zivile Nebenklage wegen versuchter Rufschädigung und übler Nachrede als sogenanntes Adhäsionsverfahren zu erreichen, was der Haftrichter – nach Würdigung von Kitts ausführlichen Erläuterungen über die wahren Hintergründe von Marinakis’ Verzweiflungstat – mit dem Hinweis abschmetterte, der sich verunglimpft fühlende Bänker solle sich doch lieber darüber Gedanken machen, dass er und seine Bank die eigentlichen Verursacher des gesamten Schlamassels gewesen seien. Da kann ich nur ganz laut Bravo rufen!
Schließlich berichteten Ferdl und ich von den doch etwas mageren Ergebnissen unserer Rundfrageaktion bei den betroffenen Familien. Waldi meinte dazu, er teile mein Gefühl, dass die drei Fälle einen gemeinsamen Nenner gehabt haben müssen. Wir fragten uns daraufhin allesamt, wie man aus den Fakten irgendeinen roten Faden erkennen könne. Ferdl schlug vor, sämtliche relevanten Daten, die wir gesammelt hatten, in eine Excel-Tabelle zu übertragen. Während sich die anderen daranmachten, ging ich hinunter in die Küche, um gemeinsam mit Abuelita mein Makrelengericht vorzubereiten. Zusammen mit Habibas orientalischem Gemüsereis wurde es, gelinde gesagt, ein voller Erfolg.
Nach einer Verdauungssiesta schlürften wir alle einen Becher Tee im Garten und sahen uns dabei Ferdls Excel-Tabelle an. Die räumliche Nähe der Wohnorte sowie der Zeitraum, in dem die drei Kinder als vermisst gemeldet worden waren, verblieben als auffälligste Gemeinsamkeiten. Waldi räsonierte, dass ihm bei nochmaliger Durchsicht der Akten aufgefallen sei, dass die Berichte der zuerst zuständigen Polizeidienststelle in Glückstadt eher spärlich und lückenhaft daherkamen. Nachdem ich ihn daran erinnert hatte, dass damals Ähnliches anlässlich der Ermittlungen im Fall Glückstädter Doppelmord vorgekommen sei, stimmte er zu, dass ich am Sonntagabend nicht nach Kiel zurückfahren, sondern zunächst Montag früh den Kollegen in der Königstraße von ›Lucky-Town‹ einen erneuten Besuch abstatten solle. Bevor Robert Ferdl zum Bahnhof brachte, genossen wir alle gemeinsam das Abendessen auf der Deichterrasse im Elbmarschen Hof und erlebten dabei ein wunderschönes Abendrot.
Sonntag. Morgenjogging mit Waldi und Robert in Richtung Holstenhof. Beim traditionellen Familientreffen zum ›Morgenmittag‹ bei Onkel Oliver und Tante Madde war die am nächsten Wochenende stattfindende Wattolümpiade in Brunsbüttel15 das Hauptthema. Mein jüngster Vetter und größter Fan Oskar ist aktives Mitglied im hiesigen Sportverein und soll während dieser Veranstaltung zusammen mit seinem Matschhandballteam ›Moorbutschers‹ um den Siegerpokal kämpfen. Natürlich wollen wir deswegen alle dabei sein und ihn und seine Mannschaft lautstark unterstützen. Schließlich verbrachten wir angenehme Plauderstunden im Familienkreis und ich hatte endlich genügend Zeit, all dies bei dir, liebes Tagebuch, ausführlich festzuhalten.