Krawattennazis. Peter Langer
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Название: Krawattennazis

Автор: Peter Langer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783942672870

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СКАЧАТЬ Hobby hatte dieser Typ, Westermann dachte es nochmals. Alte Reiseberichte und Atlanten, Neuauflagen von vergilbten Karten, Meere mit grässlichen Monstern, Kontinent-Umrisse, die den tatsächlichen Formen überhaupt nicht entsprachen. Westermann widmete sich einer historischen Seekarte aus dem 16. Jahrhundert, die offenbar Afrika zeigen sollte. Ohne Zweifel hatten den Kartografen die Kenntnisse über die Küsten jenseits des Kaps verlassen, denn der Indische Ozean war gerade mal ein dünnes Rinnsal, hinter dem direkt Indien und China folgten. Oder das, was zumindest die Landmassen Asiens andeuten sollte. Er merkte gar nicht, wie hinter ihm eine hagere Gestalt im dunklen Anzug stehen blieb, etwas unschlüssig ein Buch aufnahm und darin blätterte.

      „Herr Westermann?“, fragte eine Stimme mit angenehmem Timbre. Westermann zuckte bei der unerwarteten Nennung seines Namens zusammen und fuhr herum. Der Mann, dem er gegenüberstand, hatte etwas von der jovialen Verbindlichkeit eines Rezeptionsmanagers in einem renommierten Grandhotel: Freundlich lächelnd, jederzeit empfänglich für eine Bitte, gut gekleidet, Krawatte, Anzugtönung und Hemd aufeinander abgestimmt, und – Westermann blickte kurz nach unten – auf Hochglanz polierte, klassische Schnürschuhe, dazu eine schmale, sichtbar teure Aktenmappe aus Leder. Ein Mann, dem man jederzeit Vertrauen schenken würde – und der gleichzeitig absolut undurchdringlich schien. Jemand, den man – ohne ihm allzu große Nähe einzuräumen – gerne zum Freund haben wollte. Und niemals zum Feind. Westermann war auf der Hut. Er nickte bestätigend und streckte die Hand aus. „Und Sie sind …?“ Das Lächeln seines Gegenübers wurde noch ein Quäntchen breiter, als er das Buch weglegte und die angebotene Hand schüttelte. „Falk Werheim. Nennen Sie mich jetzt und bei weiteren möglichen Zusammenkünften einfach so, natürlich ist das nicht mein richtiger Name. Ich habe ihn gerade draußen auf einem vorbeifahrenden Lieferwagen gesehen. Ein Wäschereifahrzeug, glaube ich.“ Westermann nickte, als würde er verstehen. Verdammt, auf was für eine Scheiße habe ich mich da eingelassen?

      Werheim deutete auf eine Reihe von Büchern direkt hinter Westermann. „Wussten Sie eigentlich, dass in früheren Jahrhunderten viele Navigatoren und Kartografen bei ihrer Heimkehr ihren Herren und Auftraggebern glatte Lügen von paradiesischen Zielen und gewinnbringenden Handelskontakten aufgetischt haben?“ Er nahm zielsicher ein Buch aus dem Regal. „Dieser Reisebericht einer Seefahrt von 1547 listet eine Erfindung nach der anderen auf. Reiche Länder jenseits gewaltiger Gebirge, Gefahren, die es nicht gab, Ungeheuer in unergründlichen Meerestiefen.“ Er schüttelte missbilligend und anerkennend zugleich den Kopf. „Die Leute haben damals schon einiges getan, wenn es darum ging, das eigene Handeln in ein rechtes Licht zu rücken und sich das Wohlwollen ihrer Auftraggeber dauerhaft zu sichern.“ Er stellte das Buch wieder weg und zog ein anderes hervor. „Oder das hier. Die Reisen von Ibn Battuta, kennen Sie den?“ Westermann schüttelte ungeduldig den Kopf. „Ein großer muslimischer Rechtsgelehrter aus dem heutigen Tanger, der im 14. Jahrhundert die gesamte damals bekannte und vom Islam beherrschte Welt bereist hat. Fantastisch, wenn man bedenkt, welche Entfernungen auf welche Weise zurückgelegt wurden. Nur zu verständlich, dass die Leute damals übertrieben, finden Sie nicht, Herr Westermann?“

      Westermann wurde langsam wirklich ungeduldig trotz des Drucks, unter dem er stand, doch der Unbekannte, der sich Werheim nannte, überspielte das völlig ungeniert. „So läuft das doch auch heute. Wir lügen, dass sich die Balken biegen und hoffen, dass uns niemand auf die Schliche kommt, nicht wahr, Herr Staatssekretär? Und wie heißt es doch so schön in einem großartigen Politthriller? Dass man bei einer Lüge nicht ertappt worden ist, ist für viele fast so gut, als würde man die Wahrheit sagen. Das kennen Sie sicher, ist aus einem Film mit Robert Redford. So etwas wird heute gar nicht mehr gedreht. Nun …“ Er wies mit der Hand auf zwei Sessel, die etwas abseits an der Wand standen. Und denen man sich nicht auf Hörweite nähern konnte, ohne dass es bemerkt wurde. Sie setzten sich. Werheim zog einen Umschlag aus der Mappe.

      „Weshalb wir Sie sprechen wollten, ist schnell gesagt.“ Er machte eine Pause und ließ den Blick versonnen über die Regalreihen gleiten, als wollte er wieder zu seinem Lieblingsthema zurückkommen, schien sich dann aber eines Besseren zu besinnen. Westermann war durchaus aufgefallen, dass der Unbekannte vom ‚Ich‘ ins ‚Wir‘ gewechselt war. Seine Stimme nahm völlig unerwartet einen schrofferen Ton an, der Westermann zusammenzucken ließ. Ein Ton, der hart, aber immer noch lange nicht jenseits aller Höflichkeit war, sondern die Verbindlichkeit eines Warnschilds hatte. „Wer meine Auftraggeber sind, ist völlig egal, lieber Herr Westermann. Was Sie tun, tun Sie nicht für uns, sondern machen das, weil Sie völlig überzeugt von der Sache sind. Es ist nichts, was Sie mit dem Gesetz in Konflikt bringen würde, auch das muss Ihnen klar sein, Herr Westermann.“ Dem Angesprochenen fröstelte es. Er wollte weg, nur weg von diesem Ort, ahnte aber auch instinktiv, was dann passieren würde. Seitdem er mit elf Jahren vor seiner Mutter strammgestanden hatte, nachdem die entdeckt hatte, dass er ihr eine Fünf in Mathe unterschlagen wollte, hatte er sich nicht mehr so klein und ausgeliefert gefühlt wie jetzt. Nicht einmal vor seinem ersten Sachstandsbericht im Bundeskabinett.

      „Ich habe einen kleinen USB-Stick für Sie“, fuhr der Unbekannte fort. „Auch damit haben Sie keinerlei Schwierigkeiten. Er enthält lediglich für Sie einige, nun ja, nennen wir es Ideen, welche Meinung Sie bei Debatten, Kabinettrunden und anderen Dingen, in denen Sie Entscheidungsbefugnisse haben, vertreten werden. Eine kleine Arbeitsanweisung, sozusagen. Es gibt auch einige interessante Meinungsansätze, die Sie bei Gesprächen mit dem Bundeskanzler vertreten sollten.“ Westermann fuhr zusammen. „Wie bitte …?“ Er schüttelte verständnislos den Kopf, wollte nicht gehört haben, was er gerade offenbar zu hören geglaubt hatte. „Das ist …“ Er suchte nach Worten. „… unerhört! Wer zum Teufel sind Sie, dass Sie meinen, Sie könnten mir …“ Doch der andere legte beschwichtigend seine Hand auf Westermanns Arm und zischte mäßigend, bevor er mit ruhiger Stimme fortfuhr. „Lieber Herr Westermann, relaxen Sie doch. Noch mal: Wer wir sind, hat Sie vorerst nicht zu interessieren. Und am Ende des Tages werden Sie vielleicht sogar noch froh sein, Teil des Ganzen zu sein.“

      Der Mann wartete einen Augenblick ab und sprach dann weiter. „Auch das noch mal: Nichts davon wird Sie mit dem Gesetz in Konflikt bringen, lieber Herr Westermann.“ Er öffnete den Umschlag und entnahm ihm eine Reihe von Fotos. Schwarz-weiß. Grobkörnig und ohne Zweifel aus großer Distanz aufgenommen. „Das hier schon.“ Werheim blätterte sie genüsslich durch, scheinbar nur zu seinem eigenen Vergnügen und mit dem gleichen milden Lächeln, mit dem man Fotos eines besonders schönen, lange zurückliegenden Urlaubs durchblättert. Westermann erkannte das Motiv sofort – es war bei allen Fotos in leichten Varianten das gleiche – und erschrak. Er erinnerte sich an den fernen Moment vor vielen Jahren. Der Junge hatte nichts gesagt. Auch nicht, als ihm, Westermann, die Hand ausrutschte. Und dann noch mal, wieder und wieder. Er war die andere Person auf dem Foto, er war es ganz eindeutig, niemand würde etwas anderes behaupten können. Zwar ein paar Jahre jünger und, nun ja, etwas sportlicher, aber es bestand kein Zweifel. Er würde, sollte er dafür jemals zur Rechenschaft gezogen werden, auch bei einer polizeilichen Vernehmung nicht bestehen. Westermann würde sich keinesfalls herausreden können. Sie waren offenbar damals bereits dabei, wer auch immer sie sein mochten. Und er hatte nichts davon bemerkt. Es war doch nur dieses einzige Mal! Die Lust, Schmerz zuzufügen und die Hilflosigkeit des Jungen auszunutzen, dieses einmalige Gefühl von Macht, es war alles zu stark. Er hatte sich nicht zurückhalten können, hatte noch nie so ein Gefühl des Triumphes gespürt. Und nie, niemals danach, war etwas Vergleichbares mit ihm geschehen. In den Tagen danach hatte sich Westermann vor sich selber geekelt, in seinen dunkelsten Stunden tat er es bis heute. Es hatte nicht viel gefehlt und er hätte das Kind getötet. Was der Junge seinen Eltern erzählt hatte, war nie herausgekommen.

      „Wäre doch schade um dieses große politische Talent, meinen Sie nicht auch?“, fuhr Werheim unbekümmert fort, ohne sein Lächeln einzustellen. „Stellen Sie sich mal vor, Herr Westermann: Ihre Frau sieht das. Yvonne, nicht wahr? Wollten Sie ihr nicht gerade ein schönes Geschenk suchen? Oder der Bundeskanzler? Was würde der dazu sagen? Ihr Chef! Oder …“ Wieder blickte er versonnen die Reihe von Büchern an. „… die Damen und Herren der Hauptstadt-Korrespondenz? Nun? Können Sie sich die Schlagzeile vorstellen?“

      Westermanns СКАЧАТЬ