Abengs Entscheidung. Philomène Atyame
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Название: Abengs Entscheidung

Автор: Philomène Atyame

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Literaturen und Kulturen Afrikas

isbn: 9783898968249

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СКАЧАТЬ er sagte immer: ›Wir versuchen es, wir versuchen es weiter, mal sehen, was daraus wird, mal sehen, was aus Afrika wird.‹ Es war, als ob auch die Kirche keine Überzeugungen mehr hatte. Wozu dann der Glaube? Der gutwillige Priester verteilte Verträge und sagte zu seinen jungen Mitarbeitern: ›Viel Erfolg und viel Glück!‹ Manfred war froh, daß er mit der Kirche nichts zu tun hatte.

      Manfred kannte die Kirche so gut wie sein Elternhaus. Er stammte aus einer evangelischen Familie und wurde nach der Taufe Lutheraner. Als Kind hat er mit seinen Eltern die Kirche oft besucht. Er war ihnen bis zu seinem zehnten Lebensjahr gefolgt. Dann gab er es auf. Er hatte es aufgegeben, weil er, wie er seinen Eltern später erklärte, keinen Gott in der Kirche gesehen hatte. Manfred wollte mit keinem Unsichtbaren sprechen. So begnügte er sich mit dem einfachen Glauben. Seine ganze Zeit verbrachte er mit der Schule und den Spielen, später mit dem Beruf. Manfred freute sich, daß er im schwarzen Erdteil als Telefontechniker arbeitete. Er war besonders froh, daß er in einem Sonnenland lebte.

      Noch als kleinem Jungen fiel Manfred das Fremde in sich auf. Seine schwarzen Haare und seine dunklen Augen unterschieden sich deutlich von seiner weißen Haut und trennten ihn von den wenigen Verwandten, Bekannten und Freunden, die er hatte. Später gebar das Dunkle in ihm die Liebe zu den Tropen. Er sehnte sich nach Wärme, er wollte mehr Sonne.

      Jetzt hatte er sie, die Wärme und die Sonne. Er war inzwischen vom Sonnenbaden am Strand braun. Er lebte mit Abeng und den kleinen Benns in Akwa, gar nicht weit vom Meer. In Akwa lebte auch Abengs ältester Bruder, den sie oft in ihrer Freizeit besuchte. Abeng hatte nicht nur Verwandte dort, sondern auch Bekannte, mit denen sie gut befreundet war.

      Das Viertel Akwas hatte vieles, was weißhäutige Menschen anlockte. Dort waren die berühmtesten Cafés, Nightclubs, Kinos und Tanzlokale. Wegen der Mücken verbrachten jedoch die meisten den Urlaub in Krankenhäusern. Das Fieber war zu hoch. Diejenigen, denen die Stiche erspart blieben, waren tagsüber in Cafés und nachts in Tanzlokalen. Sie tanzten gern im Kontchupé.

      Tanzlokale waren seit Abengs innerer Umkehr ihre geliebten Gaststätten, und ein ungewöhnlicher Gast war Abeng. Sie war erst fünfzehn, noch eine Schülerin, aber saß nur dort, wo man selten Schüler fand. Es war, als ob sie jene Altersgefühle, die sie allzu früh an ältere Menschen banden, nie wieder loswerden würde. Die ›Oberweise‹, die ›Alte‹, die ›Oma‹ und ähnliches waren Abengs Spitznamen.

      Die Malerei war für sie eine Freiheitsbeschäftigung, ein Hobby, wie man das nannte. Immer, wenn sie unterwegs war, hatte sie Papier und Bleistift dabei. Nur so, dachte Abeng, konnte sie jede Möglichkeit ergreifen, wahre Bilder aufs Blatt zu überführen. Erfundene oder erinnerte Bilder hielt sie für untreue Bilder. ›Die wahre Malerei ist die der Realität, und nicht die der Vorstellung‹, sagte sie immer.

      Tanzszenen waren ihre Bilder. Es waren diese Bilder, die die Schülerin zu den vielen Discos der Küstenstadt führten. Sie fuhr oft dorthin, nicht um zu tanzen, sondern um Tanzszenen zu zeichnen.

      Nach fünf Jahren reifte Abengs Kunst. Sie war nun in der Abiturklasse und lernte viel für die nächste Abschlußprüfung. Zugleich fuhr sie immer öfter zu ihrem Bruder in die touristische Stadt. Man sah sie dort nicht nur in den Ferien, sondern auch in der Schulzeit, meist an den Wochenenden.

      Abeng wurde eine Stammkundin vom Kontchupé, hatte dort, wie sie sagte, ›die Quelle der Malerei‹ gefunden: die Farben der Tanzenden. Die Gäste und die Einheimischen spiegelten oft paarweise oder gruppenweise ein schwarz-weißes Bild, dessen Schönheit von ihrer bunten Kleidung betont wurde.

      Abeng hatte einen festen Platz am Tisch auf dem Balkon der Gaststätte, von dem aus sie die ganze Tanzfläche vor Augen hatte. Mit der Erlaubnis des Hausbesitzers, den Abeng nie vergaß, betrieb sie ihre Tätigkeit. ›Ich lasse dich erst herein, wenn du achtzehn bist‹, erinnerte sie sich immer.

      Jetzt war Abeng zwanzig und sein willkommenster Gast. Und der Besitzer sorgte immer dafür, daß Abeng keine Schwierigkeiten mit den Gästen bekam. Er beauftragte seine Kellner damit, alle Ankömmlinge über Abengs Tätigkeit zu unterrichten. Nur ein paar gesuchte Verbrecher verließen sofort das Lokal. Sie vermuteten, daß die Malende im Auftrag des Geheimdienstes von Rio dos Cameroes arbeitete.

      Abeng fiel in ihrer dunklen Ecke kaum auf. Für die ersten Entwürfe brauchte sie viel Abstand. Es war nicht einfach, Menschen in oft blitzschnellen Bewegungen wie die Tanzenden zu malen. Abeng hatte deshalb für jede Tanzbewegung ein Zeichen erfunden, das sie später in aller Ruhe malend zum Ausdruck brachte. Sie hatte ein ganzes Zeichensystem, eine Körpersprache, erfunden.

      Einige Gäste, meistens waren es Franzosen, kamen in Berührung mit Abeng durch ihre Entwürfe. Sie waren überrascht über den ungewöhnlichen Einfall, in einem Tanzlokal zu malen. Abeng erklärte ihnen, daß sie auf diese Weise Geld verdiente. Danach versuchten die Gäste, sich in den noch halbfertigen Zeichnungen zu erkennen. Aber dies gelang nur wenigen. Es war schwer, sich in Abengs Entwürfen wieder zu finden. Denn sie betonten mehr die Bewegungen der Tanzenden, ihre Hautfarbe und die Farbe ihrer Kleidung als ihre Formen und Gesichter. Aber den Gästen gefielen die Bilder. Viele kauften sie, andere machten eine Bestellung und bekamen zwei Tage später ein fertiges Bild zugeschickt. Sie freuten sich über die Erinnerung an Afrika. Einige wollten mehr, sie wollten nicht nur die Gemälde, sondern auch die Malende: ›Black is beautiful. I love you.‹

      Abeng mochte diese Art Anmache nicht. Sie war für ein bißchen Zurückhaltung, gab deshalb oft flüchtige Antworten oder verlangte Abstand von ihrem Arbeitsplatz: ›In dieser Stimmung kann ich nicht weiter malen‹, sagte sie. Dann wurde es still.

      Einige waren zurückhaltend. Abeng unterhielt sich gern mit ihnen. Mit der Zeit gewann sie sogar ihr Vertrauen.

      Sechs Monate vor der Abiturprüfung, in der ersten Ferienzeit des Schuljahres, in den Weihnachtsferien, war Abeng lange zu Besuch bei ihrem Bruder in der Küstenstadt. Sie erschien an dem ersten Tag des Wochenendes im Kontchupé mit ihrem jüngeren Bruder Abessolo und guten Bekannten aus der Stadt. In dieser Weihnachtszeit verkauften sich ihre Bilder gut. Wie gewöhnlich saß Abeng auf ihrem geliebten Platz auf dem Balkon und malte. Inmitten ihrer Beschäftigung fiel ihr jemand auf, der wie von dem Kreis der Tanzenden ausgeschlossen schien. Es war ein Mann, der vielleicht zu zurückhaltend war, um die Tanzfläche zu betreten und der statt dessen immer wieder Abeng anstarrte. Es war Manfred.

      Manfred erschien oft im Kontchupé. Es war die erste Gaststätte, die er in der Mückenstadt besuchte. An dem ersten Samstag, den er am Fluß der Krabben verbrachte, zeigten ihm seine Arbeitskollegen das Nachtlokal. In dieser Nacht fiel es Manfred schwer zu glauben, daß so viele Weiße im Dschungel waren und sogar den Eindruck von angepaßten Bürgern machten. Die meisten hatten neben sich eine junge Einheimische, mit der sie tanzten oder in einer dunklen Ecke verschwanden.

      Manfred war mißtrauisch. Auch er sehnte sich nach einer Einheimischen, auch er wollte eine schwarze Lebensgefährtin, aber er wollte eine anständige Frau. Da das Kontchupé für ihn kein Ort für anständige Mädchen war, ging Manfred in andere Gaststätten. Dann kamen die Bittbriefe, die ihn noch mehr enttäuschten. Manfred wurde zum Adressaten von einheimischen Mädchen. Es waren Mädchen, die er nicht kannte. Wie sie zu seiner Anschrift kamen, wußte er am Anfang nicht. Später erfuhr er, daß es in der Küstenstadt einen Vermittlungsdienst gab. Geheimagenten erschienen oft in Gaststätten und erkundigten sich nach jedem neuen weißen Gast. Sie bekamen die Adresse dann durch einen guten Bekannten des Gastes und verkauften sie in derselben Nacht. Das Kontchupé war inzwischen zu einer Art Sitz der Geheimbeamten geworden.

      Die Bittbriefe verbitterten Manfred. Die Mädchen sprachen von Liebe. Sie wollten mit ihm schlafen, sie wollten sein Geld. Warum nicht die Straßen fegen? Warum nicht Erdnüsse verkaufen? Oder warum nicht malen und den Gästen die schwarze Kunst verkaufen, anstatt ihnen billige Briefe zu schreiben? Die Mädchen wollten nichts tun, vergaßen aber, daß СКАЧАТЬ