Im wilden Balkan. David Urquhart
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Название: Im wilden Balkan

Автор: David Urquhart

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги о Путешествиях

Серия: Edition Erdmann

isbn: 9783843800709

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СКАЧАТЬ als die beständige Angst, die jedes Corps vor allen anderen hatte, während sie für sich lauter gute und friedliche Leute waren, und nur der Dienste irgendeines gemeinschaftlichen Freundes bedurften, um zu entdecken, dass sie alle ausnehmend wohl gegeneinander gesinnt waren. Hätte ich dort einen Monat gewohnt, ich glaube, ich wäre im Stande gewesen, Geleitscheine auszustellen.

      Mein Aufenthalt im Tal war ein fortgesetzter Traum. Die beständige Aufregung zu jeder Tageszeit, die unaufhörliche Wachsamkeit des Ohres auf Kampfestöne, die Anstrengung des Auges, um jeden ungewohnten Gegenstand aufzuraffen, das durch jede Annäherung erregte Interesse und die unablässig mit dem Namen jeder Stelle, auf die das Auge zufällig fiel, beschäftigte Einbildungskraft erzeugten einen Geisteszustand, der so voll von Einbildungen, so verschiedenartig, so lebendig und so unzusammenhängend war, dass ich mich kaum wachend und mitten in der Wirklichkeit glauben konnte.

      In solcher Gemütsstimmung, auf solchem Schauplatz wandernd, wurde ich unwillkürlich von der Wirkung der Mythologie auf die Entwicklung des menschlichen Verstandes getroffen, von ihrer Tendenz, den Menschen aus dem Zustand zu erheben, in dem physische Not der einzige Ansporn der Tatkraft ist, und die Einbildungskraft, den Schatzgräber der Vernunft, zu erregen. Welche Ehrfurcht vor dem noch unbekannten Urheber alles Guten liegt in der Verehrung der Natur! Welche Interessen erwachen in dergestalt idealisierten Gegenständen! Dryaden1 in den Wäldern, Najaden2 in den Strömen, Genien als Bewohner jeder Stelle, Geister als Beschützer jedes Menschen, Vorbedeutung jedes Ereignisses, Kunde dunkler Geheimnisse, die in geheiligten Klüften wohnen, Gottheiten auf den Bergen und des Menschen Geschick in den Sternen geschrieben! So wurde des Schöpfers Allmacht, noch ungetrennt von ihren Werken, in ihren Gestalten verehrt und in ihren Herrlichkeiten angebetet. Der alte Mythologe vervielfachte seinen Gottesdienst, weil er keine in Klassen geteilten Tatsachen hatte. Für uns, die wir schon als Kinder damit anfingen, die in der Körperwelt beobachteten beständigen Folgenreihen zu lernen, bevor wir ihren Nutzen erfuhren oder ihre Reize fühlten, ist es schwer, uns in die phantasiereiche und andächtige Gemütsstimmung zu versetzen, die jene Wirkung sieht, ohne ihre Ordnung zu verstehen. Für die Alten war ein Kristall oder eine Blume unerklärlich in ihrer Schönheit. Es war daher der Wohnsitz eines Genius oder die Verkörperung eines Geistes. Für uns sind es Substanzen, verzeichnet nach Klassen und Familien, oder vermessen nach Winkeln und Graden. Die Sterne, die in der stillen, einsamen Nacht so hell, so geheimnisvoll und so eindringlich leuchten, konnten in ihren Augen nur bestimmt sein, über das Geschick der Menschen und Völker zu wachen. Als sich die großartigeren Geheimnisse ihrer Umwälzungen dem Auge der Wissenschaft offenbarten, versank die Sterndeutung zum Wahnsinn oder zum Betrug. Der alte Weise konnte bei Nacht wandern, verwirrt durch den Anblick des gestirnten Firmaments, und je weniger er imstande war zu begreifen, desto tiefer musste er fühlen. Der Stillstand der Vernunft erzeugte ein Überfluten der Seele, und ohne weiterzukommen in der Wissenschaft der Sternkunde, kehrte er von der Betrachtung mit hellerem Sinn und reinerem Gefühl zurück. Jetzt wird jedes Kind vom Hörensagen den Lauf der Planeten und die Entfernung der Sphären aufzählen. Blumen, Ströme, Berge und Sterne sind zu Tatsachen eingeschrumpft und bedürfen nicht länger der Dichter als Priester. Die Einbildungskraft ist mit gesenkter Fackel in die Erde versunken, und verschwunden ist das Weltall, das in ihrem Licht lebte. Aber aus der Mythologie, diesem ersten Verein der Forschung und der Andacht, entsprang die Literatur, an der zu allen Zeiten sich die Edelsten des Menschengeschlechts bildeten, und wer an den Ufern des Peneios wandert, mag noch mit Entzücken die Luft einatmen, aus welcher der erste Genius seinen Lebensodem sog.

      Das Dorf Babá ist eine der frühesten türkischen Niederlassungen von Kolonisten aus Ikonium. Es sind nur noch 25 Familien übrig, aber ich erfuhr, dass in jeder türkischen Niederlassung nicht weniger als zwei griechische Familien lebten, Flüchtlinge aus der Nachbarschaft. Das Dorf schien indes ein wahrer Gräberhaufen zu sein, und kaum bekam ich einmal einen Mann, eine Frau oder ein Kind zu sehen. Die Häuser lagen alle in Gärten oder waren von Erdwällen eingeschlossen, ohne eine andere Öffnung als eine Tür, und kaum hatte ich hin und wieder einmal Gelegenheit zu sehen, dass diese Türen auch wirklich Eigenschaften hatten, sich öffnen zu lassen. Das kleine Zimmer, das ich bewohnte, war passend so angelegt, dass es vor dem kalten Seewind, der durch das Tal blies, geschützt sein sollte. Dadurch aber war es bei Tag unbewohnbar, oder man musste nasse Kleider rund umher hängen und Wasser auf die Fußmatten gießen. Nur zwei Dorfangehörige sah ich für gewöhnlich. Der eine war mein albanischer Wirt, der zweimal des Tages seine Aufwartung machte, ein Stück Brett in der einen Hand mit einer Schüssel Yaurt und Pilaw1 darauf, und eine Melone in der andern, deren Größe nur ihre Vortrefflichkeit gleich kam. Der andere Mensch, den ich zu Zeiten einmal erblickte, war der einzige noch übrige Derwisch des Tekke, der, statt gleich anderen Menschenkindern sich ins Bett zu legen, auf einer schlanken Zypresse horstete, die im Hof des Tekke stand; abends und morgens war er sichtbar, wenn er auf seine Hühnerstange stieg oder herabkam.

      Zu diesem wie Pompeji aussehenden Orte war ich, wie auch der Zustand meiner Garderobe sein mochte, mit meiner Toilette nicht besonders sorgfältig, wie man sich leicht denken kann. Ich machte mir nichts daraus umherzuwandern in einem alten, grünseidenen Schlafrock, einem Paar gelber Pantoffeln und einer roten Mütze, und in Folge dieses Aufzuges fand eine wundergleiche Veränderung statt in meinem Verhältnis zu den Babánern, denn zu meinem Erstaunen wurde ich mit einem Besuch der fünf mächtigsten Honoratioren des Dorfes beehrt – des Agas, des horstenden Derwisches, eines Pferdeverleihers, des Hufschmieds und des Fährmanns. Ihnen allen war meine neue Tracht höchlichst aufgefallen, und sie bildeten sich ein, ich kleidete mich nach der allerneusten konstantinopolitanischen Mode. Nach diesem Ereignis nahm das Dorf ein ganz anderes Ansehen an; die Türen blieben offen stehen, Frauen und Kinder gingen auf die Straße und man brachte mir allerlei Peschkesche1 an Tabak und Melonen – zwei Produkte, deretwegen Tempe jetzt berühmt ist.

      Der Aga leistete mir mehr Gesellschaft, als zu meiner gegenwärtigen Laune und Beschäftigung passte, aber er war ein gelehrter Mann und besonders gut in der Erdbeschreibung bewandert, und seine Begriffe waren voll von der dichterischen Freiheit, die dem Beherrscher des Musentals von Rechts wegen zuzukommen schien. Als er eines Tages nebst seinen vier unzertrennlichen Genossen in meinem kleinen Kasten saß, unterhielt er uns mit seinen Ansichten über England, wovon die folgende Probe als ein Beweisstück dienen mag. „Alles Salzwasser in der Welt gehört England und alles süße Wasser der Türkei, weil das süße Wasser durch das Land fließt und nur nützt, das Vieh damit zu tränken und die Felder zu bewässern.“ „Aber“, bemerkte der Albaner, der am Türpfosten lehnte, „hat England denn keine Felder und keine Pferde, die Wasser brauchen, oder saufen die Pferde Seewasser?“ – „Bergmensch“, rief der Aga, dessen Überzeugung und Würde gleichzeitig beleidigt waren, „weißt du nicht, dass England weder Felder noch Pferde hat?“ Der Albaner sah mich an, ich sagte ihm: „Warum antwortest du dem Aga nicht?“ Der Anraut1 besann sich einen Augenblick, und dann, mit der Miene eines Schulexaminators, sah er dem Aga gerade ins Gesicht, strich sein Kinn und fragte: „Was ist England?“ Das war eine Frage geradezu, die den Aga völlig verwirrte. Er stotterte, sah umher, aber, seiner eigenen Hilfe ganz überlassen, verkündete er endlich, England sei – „eine Zahl – eine sehr große Zahl von – von Schiffen, von sehr großen Schiffen.“ Ich sagte ihm, er mache Babá Ehre und müsste ein Hadschi sein, das heißt, ein Hadschi Babá2. Er habe England ganz richtig begriffen, aber er scheine noch nicht erfahren zu haben, dass wir Fischherden hätten, wie sie Ziegenherden; ferner Seepferde zum Reiten und Seekälber zum Melken, obgleich wir von ihnen noch die herrliche Kunst, Fische zu schießen, lernen müssten.3

      Während meines Aufenthaltes hierselbst fiel ein schlimmes Missgeschick auf die Einwohner und beschäftigte alle Zungen und Gedanken, fast so viel wie das Protokoll im Süden1. Dies war nämlich ein Firman, welcher Kontributionen ausschrieb, um die Kriegsentschädigung an Russland zu beschaffen. Der Bezirk, zu dem Babá gehörte, war mit einer halben Million Piaster angesetzt. Da aber diese Ausschreibung ausschließlich auf islamische Grundeigentümer in wohlhabender Lage fallen sollte, so verursachte sie eine mit Worten nicht zu beschreibende Entrüstung. Der Betrag der Summe war ganz unbedeutend im Verhältnis zum Grundeigentum des Landes, aber wenigstens drei Vierteile dieses Grundeigentums waren СКАЧАТЬ