Fritz und Alfred Rotter. Peter Kamber
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Fritz und Alfred Rotter - Peter Kamber страница 26

Название: Fritz und Alfred Rotter

Автор: Peter Kamber

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783894878313

isbn:

СКАЧАТЬ als die Hyperinflation immer neue Rekorde bricht, führen die Rotters im Zentraltheater an der Alten Jakobstraße ihre erste Operette auf: Die Polnische Wirtschaft (1910) von Jean Gilbert – eine Posse mit vielen Missverständnissen und einem Geschlechterwechsel. Spüren sie schon, dass sie erst in der Operette zu ihrem ganz eigenen, wirkungsvollen Bühnenstil finden werden und Operette am besten können?

      Eine Fortsetzung des Versuchs bleibt ihnen untersagt. „Im Zentraltheater wird seit mehreren Monaten ohne Konzession Theater gespielt“, erklärt der Polizeipräsident drohend Alfred Rotter am 8. Dezember 1923; er habe „aus Rücksicht auf die schwierige Lage im Theaterwesen diesen Zustand einstweilen geduldet“, sehe sich aber „genötigt“, ihm, Direktor Rotter, „mitzuteilen, dass ich nach dem Dezember des Jahres öffentliche Aufführungen im Zentraltheater nicht mehr dulden werde“ – wenn bis dahin keine Konzession vorliege.144

      Zuversichtlich, diese Konzession zu erhalten, schließen Fritz und Alfred schon am 25. Dezember 1923 erste unbefristete Verträge mit Schauspielern ab – für die geplante nächste Operette Der fidele Bauer (1907) des Komponisten Leo Fall und „für alle darauffolgenden Operetten“. Doch die Konzession am Zentraltheater wird ihnen verwehrt.

      1924, als sie inzwischen bewiesen zu haben glauben, etwas vom Fach zu verstehen, stellen sie bei der Theaterabteilung des Polizeipräsidiums das Gesuch, Alfred Rotters Spielerlaubnis – die Theaterkonzession – vom Residenz- auf das im Jahr zuvor von ihnen gekaufte Lessing-Theater zu übertragen. Eine Formalität?

      Nein, wie schon beim Konzessionsgesuch 1917/18 kommt es zu einer regelrechten Empörungswelle gegen sie als Theaterdirektoren. Die Kampagne gegen die Rotters nimmt ihren Ausgangspunkt im Barnowsky-Lager. Einer der Lustspiel-Regisseure Barnowskys am Künstlertheater, Emil Lind, sitzt 1924 im Vorstand der Bühnengenossenschaft. Der Versuch der Bühnengenossenschaft, die Erteilung der Konzession an Alfred Rotter zu verhindern, ist ein letzter, verbittert geführter Versuch, Barnowsky am Lessing-Theater zu halten.

      Barnowskys Verdienste stehen über jedem Zweifel. Der Schauspieler Paul Hörbiger sagt über ihn, er sei „ein Theaterbesessener“145, Fritz Kortner weiß um Barnowskys „besondere Beziehung zum Schauspieler. Er liebt ihn, ja er ist in ihn verliebt, wenn er ihn nicht gerade hasst.“146 Seine „Liebenswürdigkeit“ wird als „ein so sichtbarer Grundzug in der Erscheinung und dem Wesen Barnowskys“ hervorgehoben,147 der Schriftsteller Carl Zuckmayer bezeichnet ihn als „immer soignierten und auf seine Haltung bedachten Bühnenleiter“.148

      Unschön ist, dass die Bühnengenossenschaft noch einmal ihre alten Klagen vorbringt. „Es wäre eine Pflichtvergessenheit unsererseits, wollten wir nicht alles aufbieten, um zu verhindern, dass Künstler einer solchen frivolen Kunstauffassung ausgeliefert werden“ – gemeint war: wie jener der Rotters. „Was wir dem Antragssteller [Alfred Rotter] vom Standpunkt der berufenen Schützerin der künstlerischen Interessen ganz besonders vorzuwerfen haben, ist, dass Herr Rotter in unvornehmer Weise den Betrieb seiner Theater nicht nach künstlerisch ethischen Gesichtspunkten handhabt, sondern dabei Methoden verfolgt, die dem Betriebe eines Warenhauses um ein Haar ähneln. Für die Herren Rotter kommt es in allererster Linie darauf an, um jeden Preis mit den Leistungen der von ihnen verpflichteten Bühnenkünstler Geschäfte zu machen.“ Das war für eine Bühnengewerkschaft ein seltsamer Zungenschlag.

      Es beginnt ein eigentlicher Aufstand gegen Alfred Rotter, an dem sich die Theaterkritiker beteiligen. Die Bühnengenossenschaft schreibt alle einzeln an und beliefert sie mit den sattsam bekannten Akten über die Rotters aus dem Krieg. Daraufhin gehen die Kritiker, egal ob für linke, konservative oder extrem rechte Blätter schreibend, eine seltsame Allianz ein. Die Gewerkschaft glaubt einen linken Kampf zu führen, wenn sie den Streit darauf reduziert, „deutsche Theaterkunst“ werde „dem rein profitmäßig eingestellten Managertum ausgeliefert“. Präsident Gustav Rickelt formuliert sozusagen als Startschuss des Feldzugs gegen die Rotters: „Kurz vor Beendigung des Krieges machten sich im Berliner Theaterleben, ohne dass sie sichtbar in die Erscheinung traten, zwei Persönlichkeiten bemerkbar, die sich in skrupelloser Weise an die Theater herandrängten. […] und heute sind die Herren teils Besitzer, teils Pächter von 6 hervorragenden Berliner Bühnen.“149

      In der Tat: Das Trianon-Theater haben die Rotters am 17. November 1919 übernommen; schrittweise auch das Residenz-Theater – mit einer Spielerlaubnis seit dem 30. Dezember 1920; das Zentraltheater gehört seit 1922/23 ihnen. Das Lessing-Theater, das 1923 an sie übergeht, bildet nunmehr ökonomisch ihren wichtigsten Besitz. Lediglich gepachtet hingegen sind das Kleine Theater, wo Georg Altmann für sie inszeniert, sowie das Theater des Westens, und dies auch erst ab September 1924. Jenes bespielen sie noch nicht, tun dies erst später mit Operetten, sondern – und das ist ein weiterer Anlass für Kritik – verpachten es einstweilen weiter. Rickelt weiter: „Gleich bei ihrem ersten Auftreten warnte man vor diesen Herren, sie verstanden es aber mit allen Mitteln, sich immer mehr durchzusetzen. […] Nun kann man dem Grundsatz huldigen: ‚Geschäft ist Geschäft‘, und es kann niemandem verübelt werden, wenn er ein großes und gutes Geschäft machen kann.“ Doch dann wirft Rickelt ihnen vor, sie wollen „eine allgemeine Vertrustung der Theater […] nach amerikanischem Muster“ herbeiführen, und ruft eine Spur zu schrill nach Maßnahmen gegen das „Geschäftsgebaren dieses Parasitentums im deutschen Theaterleben“: „Leider bieten die bestehenden Gesetze und Verordnungen keine Handhabe, diesem Verderben bringenden Unwesen ein Ende zu machen.“

      Selbst Curt von Glasenapp, einst wilhelminischer Theaterzensor und nun im Ruhestand, meldet sich als Oberregierungsrat a.D. nochmals zu Wort, doch ihm fällt, vermutlich aus altem Reflex heraus, nur die Forderung nach schärferen Theatergesetzen ein – „ein durchgreifendes Konzessionserneuerungsverfahren, das gesetzlich vorgeschrieben werden müsste“.150

      Der sozialdemokratische Vorwärts ruft sogar nach Enteignung: Es müsse „ein Weg gefunden werden, den Herren Rotter diejenigen Theater, die sie gekauft oder aufgepachtet [sic] haben, nicht, um selbst darin zu spielen, sondern nur: um damit Geschäfte zu machen, glattweg zu enteignen.“151 Einige Tage später bestärkt der Vorwärts nahezu alarmistisch die Bühnengenossenschaft noch einmal in ihrem „Kampf gegen das kulturschädliche Geschäftstheater […], wie es der Rottertrust betreibt“ – die Genossenschaft sei „berufen […], die Theaterkunst vor der ihr drohenden Barbarei zu schützen“.152

      Der Anwalt der Brüder, Wolfgang Heine, bemüht sich um Sachlichkeit: In einer umfassenden Stellungnahme vom 20. Juli 1924 charakterisiert er die „Entwicklung“ an den Theatern, die mit der Bezeichnung „Vertrustung“ in „ganz maliziöser und ganz unzutreffender Weise“ bezeichnet werde, als „in gewissem Maße unaufhaltsam“: „Sie ist aber keineswegs durch die Herren Rotter herbeigeführt worden. Vor ihnen hatte bereits [Viktor] Barnowsky zwei Bühnen, [Carl] Meinard & [Rudolf] Bernauer beherrschten drei, die Reinhardt-Bühnen bildeten schon seit 1914 einen Konzern von 3 Theatern […]. Das hat innere und vor allem auch künstlerische Gründe. Nicht nur in Berlin zeigt sich dies, sondern in Wien und anderen großen Theaterstädten. […] Es mag sein, dass das Lessing-Theater durch den Übergang an Herrn Direktor Alfred Rotter eine gewisse Veränderung erfährt. […] Niemand wird auch die Verdienste des Herrn Victor Barnowsky unterschätzen, und auch der Unterzeichnete kann das Bedauern nicht unterdrücken, dass es diesem hervorragenden und sympathischen Künstler zurzeit nicht geglückt ist, eine Bühne in Berlin zu seiner Verfügung zu haben. Dies kann aber nicht dazu führen, das Recht des Herrn Alfred Rotter zu bestreiten, dem nun einmal Frau von Hartogensis das Lessing-Theater verkauft hat, und der in seinem Haus Theater spielen will.“ Für die kommende Spielzeit seien, so wird jetzt bekannt, Stücke von Hauptmann, Ibsen, Schnitzler, Fulda und Shaw geplant.

СКАЧАТЬ