Die verkannten Grundlagen der Ökonomie. Riane Eisler
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СКАЧАТЬ von der Diktatur des Proletariats.

      Die überlebensnotwendigen Haushalts- und Pflegearbeiten wie die Versorgung von Kindern und Kranken oder die Führung eines sauberen und gesunden Haushalts galten sowohl für Smith als auch für Marx eher als »reproduzierende« denn als »produzierende« Tätigkeiten. Keiner von beiden erkannte den Wert der Fürsorgearbeit, angefangen von der Säuglingspflege bis hin zur Pflege der Alten und Kranken. Auch der wirtschaftliche Wert eines sauberen und gesunden Wohnumfelds entging ihnen vollständig, was sich auch auf ihre Einstellung gegenüber dem Umweltschutz – also die Pflege des natürlichen Umfelds übertrug. Für sie war die Sichtbarmachung dieser »Frauenarbeit« kein Thema, denn diese sollte umsonst in von Männern kontrollierten Haushalten geleistet werden.

      Noch Mitte des 19. Jahrhunderts, als Marx über den Sozialismus schrieb, galt sowohl die in Privathaushalten als auch die auf dem Markt geleistete Arbeit von Frauen rechtlich als das Eigentum ihrer Väter bzw. Ehemänner. Wenn eine Frau fahrlässig verletzt wurde, konnte sie keine Klage deswegen einreichen, während ihr Ehemann das Recht hatte, Schadensersatz für die ihm dadurch entgangenen Dienstleistungen einzufordern.

      Heute gelten Frauen – zumindest in einigen Teilen der Welt – nicht mehr als Eigentum ihrer Väter oder Ehemänner. Aber die Abwertung von Care-Arbeit, also Fürsorge- und Pflegearbeit, ist in der Wirtschaft immer noch die Norm, weil Kapitalismus wie Sozialismus auf einem Wertesystem beruhen, das Menschen je nach Geschlecht mit unterschiedlichem Maß misst. In den meisten Teilen der Welt wird immer noch davon ausgegangen, dass die Arbeit, die Frauen in Haushalten leisten, unbezahlt erbracht wird – und auch die auf dem Markt übliche Bezahlung von Pflegekräften ist jämmerlich gering: So verdienen laut US-Arbeitsministerium Menschen, die als Hundesitter arbeiten, mehr als Menschen, die in der Kinderbetreuung tätig sind.

      Die aktuellen Wirtschaftskennzahlen wie zum Beispiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) machen deutlich, dass auch der Schutz und die Pflege unserer natürlichen Lebensgrundlagen allgemein immer noch als irrelevant für die Wirtschaftsleistung betrachtet werden. Aus diesem Grund werden auch von Unternehmen verursachte Umweltschäden im Wirtschaftsjargon als »Externalitäten« bezeichnet, obwohl es ohne die natürlichen Lebensgrundlagen überhaupt keine Wirtschaft gäbe. Gleiches gilt für Schäden, die Menschen, darunter auch zukünftige Generationen, durch Aktivitäten entstehen, die im BIP als »produktive Aktivitäten« betrachtet werden.

      Dadurch, dass unser Wirtschaftssystem auf derart irrationalen Prämissen fußt, fehlt ihm jeglicher Bezug zur Realität. Das bedeutet, dass wir Wirtschaft von Grund auf neu denken müssen und das bedeutet wiederum, dass wir dabei Bereiche berücksichtigen müssen, über die uns beigebracht wurde, dass sie rein gar nichts mit Wirtschaft zu tun hätten: nämlich diejenigen Bereiche, die – wie wir auf den folgenden Seiten sehen werden –, die eigentliche Grundlage der Wirtschaft darstellen.

      Ein kurzer Ausblick auf die folgenden Kapitel

      Dieses Buch beschreibt die Kernelemente einer Caring Economy des Partnerismus, einem neuen Wirtschaftssystem, das Partnerschaftselemente aus Kapitalismus und Sozialismus integriert, jedoch über diese hinausgeht, da es den wirtschaftlichen Wert von Umweltschutz sowie von Pflege und Fürsorge, beginnend in der frühesten Kindheit, (an)erkennt. In den folgenden Kapiteln wird beschrieben, was notwendig ist, um in unserer postindustriellen Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft ein gerechtes und nachhaltiges Wirtschaftssystem zu schaffen, wobei von der Prämisse ausgegangen wird, dass ein Wirtschaftssystem das Wohlergehen und das Glück der Menschen fördern sollte.

      In Kapitel 1 gehen wir über den engen Bereich der Wirtschaftsbeziehungen hinaus, die in konventionellen sozialistischen und kapitalistischen Modellen berücksichtigt werden. Hier wird die erste der fünf Grundlagen einer Caring Economy vorgestellt: Ein umfassendes und realitätsgetreues Wirtschaftsmodell, in dem die überlebensnotwendigen Beiträge von Privathaushalten, Kommunen und Natur berücksichtigt werden. Dabei wird deutlich, dass wir den Blickwinkel weiten und über den herkömmlichen Wirtschaftsbegriff hinausdenken müssen, wenn wir ein realitätsnäheres, gerechteres und nachhaltigeres Wirtschaftssystem schaffen wollen.

      Aus diesem erweiterten Blickwinkel heraus betrachten wir die Wirtschaft in Kapitel 2 in ihrem umfassenderen kulturellen Kontext, was uns zur zweiten Grundlage einer Caring Economy führt: den kulturspezifischen Überzeugungen und Institutionen, in denen Fürsorge und Fürsorgearbeit ein hoher Wert beigemessen wird. In diesem Kapitel werden die Kategorien des Partnerschafts- bzw. Dominanzsystems eingeführt, bislang ausgeblendete Zusammenhänge sichtbar gemacht und neue Standards und Regeln für die Messung dessen vorgestellt, was wir als wirtschaftlich für wertvoll erachten. Zudem wird in Kapitel 2 deutlich, inwiefern all diese Fragen einen direkten Einfluss auf unser Leben und auf die Zukunft unserer Kinder und unseres Planeten haben.

      In den darauffolgenden Kapiteln 3 und 4 führe ich zwei weitere Grundlagen des Partnerismus ein, nämlich zum einen wirtschaftliche Regeln, Maßnahmen und Praktiken, die auf Fürsorge beruhen, und zum anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen, die eher partnerschaftliches als dominanzgeprägtes Verhalten fördern. Auch in diesen Kapiteln wird der Zusammenhang zwischen unserem Alltagsleben, unserer Wirtschaft und unseren kulturellen Werten und Normen hergestellt. Sie zeigen, wie Problemlösungen, Kreativität und Unternehmertum durch eine auf Fürsorge basierende Politik und Praxis unterstützt werden und welche enormen Vorteile für Menschen, Unternehmen und unsere natürliche Mitwelt daraus erwachsen.

      Dabei greifen wir auf die Arbeit fortschrittlicher Wirtschaftsdenker und Wirtschaftsdenkerinnen zurück und betreten dabei in Hinblick auf Arbeit, Werte und Leben ein spannendes Neuland. Um dem Begriff der produktiven Arbeit in einer postindustriellen Wirtschaft gerecht zu werden, definieren wir ihn neu, denn in der postindustriellen Gesellschaft besteht das wichtigste Kapital in dem, was in der Wirtschaftswissenschaft als »hoch qualifiziertes Humankapital« bezeichnet wird. Darüber hinaus berücksichtigen wir auch den Schutz unserer heute im Wirtschaftsjargon als »Naturkapital« bezeichneten natürlichen Lebensgrundlagen.

      Außerdem begeben wir uns auch auf eine Reise in die Vergangenheit und stellen überlieferte toxische Mythen und Werte auf den Prüfstand, denn darin offenbaren sich versteckte Gender-Doppelstandards, die wir aus früheren, wirtschaftlich ungerechteren und ineffizienteren Zeiten übernommen haben. Dabei erkennen wir, dass diese Gender-Doppelstandards auch zu einem Doppel-Standard in der Wirtschaft und damit zu einer nicht nachhaltigen Art des Lebens und Arbeitens geführt haben – und machen uns auf die Suche nach gesünderen Alternativen.

      Die enormen Kosten für Mensch, Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt, die durch unsere herkömmlichen wirtschaftlichen und politischen Systeme verursacht werden, untersuchen wir in Kapitel 5 – ebenso wie die Unfähigkeit dieser Systeme, mit den Herausforderungen, die vor uns liegen, zurechtzukommen. Dabei wird deutlich, dass viele Probleme, zwischen denen (wie uns beigebracht wurde) kein Zusammenhang besteht, aus überlieferten Dominanztraditionen heraus entstanden sind, was uns erlaubt, grundlegende Themen ausfindig zu machen, die herkömmliche Denkweisen und Kategorisierungen ausgeblendet haben.

      In Kapitel 6 suchen wir nach dem Weg zu einer Caring Economy des Partnerismus. Das Kapitel skizziert kurz die Entstehungsgeschichte der modernen Wirtschaftslehren, welche die Grundlage und die Grundprinzipien für die Entwicklung eines neuen konzeptuellen Rahmens liefern, der die besten Elemente von Kapitalismus und Sozialismus aufgreift, jedoch über diese beiden hinausgeht.

      Das Thema von Kapitel 7 sind postmoderne, technologische Durchbrüche auf Gebieten wie der Robotik, der Biotechnologie und der Nanotechnologie sowie deren Auswirkungen auf unser Leben und Arbeiten. Hier wird eine neue Betrachtungsweise von Technologie und Technik eingeführt, bei der nicht jegliche technische Erfindung – vom Dosenöffner bis zur Atombombe – in die gleiche technologische Kategorie eingeordnet wird. Außerdem wird gezeigt, dass diese rasante technologische Entwicklung in dem epochalen СКАЧАТЬ