Die verkannten Grundlagen der Ökonomie. Riane Eisler
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СКАЧАТЬ und pflegenden Arbeiten – typischerweise Frauen zugeschrieben – ein viel größeres Gewicht, auch in der Welt der Ökonomie. Riane Eisler sieht die Gleichberechtigung nicht darin, dass Frauen möglichst viele derzeitige Positionen und Funktionen von Männern erobern. Ihr kommt es darauf an, dass die heute außerhalb des BIP blühenden gemeinschaftstragenden Fähigkeiten und Arbeiten gleichberechtigt werden, in der Anerkennung, im Status und auch monetär.

      Der amerikanische Titel ihres Buches ist The Real Wealth of Nations. Eisler geht es eben nicht um den konventionell definierten Wohlstand, sondern um den wahren Wohlstand. Es geht um einen Wohlstand, bei welchem weder Frauen noch Männer diskriminiert werden, sondern die Fülle ihrer Talente nutzen können. Übrigens muss auch die Natur als Teil des Wohlstandes gesehen werden und nicht als zur Plünderung freigegebene Erzgrube.

      Die Autorin kritisiert natürlich auch die heutige Art von Dominanzökonomie. Diese schafft künstlich Knappheiten, damit die Preise hochgehen. Oligopole schaffen das besonders gut. Sie zitiert auch Befunde, dass Kinder, die in Dominanz-Elternhäusern aufwachsen, feindselig und zugleich ängstlich gestimmt sind.

      Das Kontrastprogramm dazu ist die Partnerschaftsökonomie. Sie ist der Inhalt des zentralen siebten Kapitels des Buches. In der Partnerschaftsökonomie achtet man darauf, dass möglichst viele am Wohlstand teilhaben. Man kümmert sich umeinander. Eltern kümmern sich um ihre Kinder und genießen das. Sie werden dafür nicht bezahlt, jedenfalls nicht von den Kindern. Es ist eine soziale Ökonomie, eine caring economy. Die verlangt natürlich auch einen deutlich höheren Rechtsschutz. Und der nationale Wohlstandsindikator soll die vielfach unbezahlten Leistungen der Partnerschaft und Fürsorge endlich angemessen berücksichtigen – und damit das BIP als einzigen Messwert überwinden.

      Die Technologie erlebt ja ständige Wandel. Es fügt sich gut, dass der heutige Trend den Wert der Information erhöht. Hier gibt es keine Knappheiten. Informationsaustausch kann auch Informationspartnerschaft sein. Auch wenn Vorsicht geboten ist, denn die Digitalisierungswelt schafft extrem machtvolle Dominanzen!

      Unsere junge Generation ist aufgerufen, sich um Riane Eislers Ideen zu kümmern, sich politisch dafür zu engagieren: für die Zukunft einer partnerschaftlichen Zivilisation. Das wäre sicher der größte Wunsch der Autorin.

      Ernst Ulrich von Weizsäcker

      Emmendingen, 1. September 2020

      Vorwort: Der Weg zu einer realitätstauglichen Wirtschaft

      Während ich diese Einleitung zu Die verkannten Grundlagen der Ökonomie schreibe, wütet weltweit die Covid-19-Pandemie, besonders hier in den USA, wo ich lebe. Hier haben wir nicht nur weltweit die höchste Zahl an Corona-Toten, sondern auch eine enorm hohe Arbeitslosenrate, die einhergeht mit einer explodierenden Zahl an Zwangsräumungen, Konkursen, Obdachlosigkeit, Armut und Hunger, während gleichzeitig die US-Aktienmärkte weiter nach oben schießen. Doch die Pandemie zwingt uns nicht nur in den reichen Nationen, unser »altes Normal« zu hinterfragen. Der Zusammenbruch der globalen Wirtschaft hat weltweit die Strukturfehler unseres derzeitigen Systems aufgedeckt, das weder nachhaltig, noch gerecht ist und in dem eine realitätsferne Politik sowie realitätsuntaugliche Regeln, Anreize und Praktiken herrschen.

      Dieses Buch zeigt neue Perspektiven auf, die es uns erlauben, Wirtschaft über den konventionellen Tellerrand hinausgehend zu betrachten. Es benennt die verkannten Grundlagen der Ökonomie und macht deutlich, dass wir unsere Wirtschaft weder realitätstauglicher noch nachhaltiger gestalten können, solange wir diese Grundlagen nicht mitberücksichtigen. Dabei liefert dieses Buch auch die Bausteine, die wir für ein nachhaltiges und gerechtes Wirtschaftssystem benötigen, und zeigt uns Handlungsoptionen auf, mit denen wir ein solches System erreichen können.

      Ich lade Sie dazu ein, die auf den folgenden Seiten aufgeführten neuen Perspektiven kennenzulernen und anzuwenden, und bitte Sie darum, dieses Buch unvoreingenommen und mit unverstelltem Blick zu lesen, denn wir werden hier Themengebiete behandeln, die weit über das hinausgehen, was herkömmlicherweise unter dem Begriff »Wirtschaft« verstanden wird. Darüber hinaus bitte ich Sie, beim Lesen immer im Hinterkopf zu behalten, was für Sie im Leben am Wichtigsten ist und was Sie sich im Leben am Sehnlichsten wünschen.

      Ein Bewusstseinswandel verändert unsere Lebenswirklichkeit

      Dieses Buch, Die verkannten Grundlagen der Ökonomie, hat sich aus der Grundannahme heraus entwickelt, dass wir – wie Einstein erklärte – Probleme nicht mit der gleichen Denkweise lösen können, mit der wir sie geschaffen haben. Diese Grundannahme war der Ausgangspunkt für die Arbeit, die ich in den letzten vier Jahrzehnten verfolgt habe.

      Mein Buch Kelch und Schwert. Unsere Geschichte, unsere Zukunft hat in den USA mittlerweile die 57. Auflage erlebt und wurde in 27 Sprachen übersetzt – unter anderem auch ins Deutsche. Darin führe ich eine neue Sichtweise bei der Betrachtung sozialer Systeme ein, die uns hilft, diese besser zu verstehen und herauszufinden, wie wir die Grundlagen für eine gerechtere und nachhaltigere Welt schaffen können. Diese Sichtweise, die den Analyserahmen für all meine Bücher und Aufsätze bildet, unterscheidet soziale Systeme in die Kategorien »Partnerschaftssysteme« (Systeme, in denen gegenseitiger Respekt herrscht) und »Dominanzsysteme« (Systeme, die durch eine Top-Down-Kontrolle gekennzeichnet sind).

      Diese gesellschaftswissenschaftlichen Kategorien (bzw. diese Partnerschaft-Dominanz-Skala) sind integrale Bestandteile einer Kulturtransformationstheorie, die ich in früheren Büchern eingeführt habe. Sie bilden die Grundlage dafür, dysfunktionale wirtschaftliche Strukturen, Regeln und Praktiken zu verstehen und zu verändern. Betrachtet man Systeme unter dem Gesichtspunkt dieser Kategorien, wird nämlich klar, dass dysfunktionale wirtschaftliche Strukturen, Regeln und Praktiken in dominanzgeprägten Traditionen wurzeln, was in kapitalistischen wie sozialistischen Wirtschaftstheorien gleichermaßen zu einer verzerrten Wahrnehmung geführt hat.

      Kapitalismus und Sozialismus sind in der Frühzeit der Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhundert entstanden. Das allein wäre schon Grund genug, sie als zu veraltet für die Herausforderungen der postindustriellen Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts zu betrachten. Doch das Problem wurzelt noch viel tiefer.

      Weder Familien noch Politik, Bildung, Religion oder eben auch Wirtschaft entstehen in einem luftleeren Raum. Wirtschaft wird von Menschen geschaffen und wird von den Werten und Ansichten innerhalb der Gesellschaft bestimmt, zu der die jeweilige Wirtschaft gehört. Das Problem besteht darin, dass sowohl Adam Smith als auch Karl Marx ihre kapitalistische bzw. sozialistische Wirtschaftslehre in Zeiten entwarfen, in denen man sich in Europa und anderswo noch stark am Dominanzende der Partnerschafts-Dominanz-Skala orientierte.

      Dabei waren sowohl Kapitalismus als auch Sozialismus eigentlich Versuche, eine dominanzgeprägte Wirtschaft hinter uns zu lassen, die uns den Großteil der überlieferten Geschichte begleitet hat – angefangen von der Top-Down-Wirtschaft der Stammesführer über die der chinesischen Kaiser und nahöstlichen Scheichs bis hin zu den europäischen Feudalherren. Smith stellte den Merkantilismus bzw. die durch Könige und Hofbeamte ausgeübte Top-Down-Kontrolle der Wirtschaft infrage. Marx wiederum übte Kritik am Kapitalismus und an der Ausbeutung der arbeitenden und bäuerlichen Bevölkerung durch die so genannten Adligen und die immer stärker wachsende Bourgeoisie.

      Allerdings schenken weder die kapitalistische noch die sozialistische Wirtschaftslehre der Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen oder der essentiellen Bedeutung des Umweltschutzes in irgendeiner Form Beachtung. In beiden Theorien wird die Natur lediglich als Objekt betrachtet, das es zu beherrschen und auszubeuten gilt. Smith träumte von unbegrenztem Wirtschaftswachstum, das sich unter der Leitung der unsichtbaren Hand des Marktes СКАЧАТЬ