Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Wir sind gefangen und eingekerkert wie ihr, rief Arnd Hecht, in nichts anderem haben wir Gemeinschaft mit euch. Macht Platz für unser Lager. Es ist wahrlich Zeit, daß wir zur Ruhe kommen.
Ihr werdet nicht schlafen diese Nacht, um wieder zu erwachen, entgegnete der Hauptmann.
Heiliger Gott, was soll mit uns geschehen? rief Groß, sich entsetzt umschauend.
In einer Stunde werden wir euch das Quartier räumen, ihr Herren. Vorher aber haben wir miteinander noch ein ernst Geschäft, Wißt ihr, weshalb der Herr Komtur euch zu uns geschickt hat?
Sie schwiegen.
Damit wir euch richten!
Damit ihr uns mordet! rief Letzkau. Ah, nun wird die Schandtat vollkommen!
Ihr seid unsere Richter nicht, sagte Hecht mit bebender Stimme, die Hand wie zur Abwehr vorstreckend.
Ihr seid unsere Richter nicht! wiederholte Barthel Groß.
Nun, so nennt uns eure Nachrichter, entgegnete der Rotbart wild, wenn euch das besser gefällt. Das Kapitel hat euch gerichtet – es kümmert mich nicht, wegen welcher Schuld –, und ihr seid in unsere Hände gegeben.
Das Kapitel kann uns nicht richten, der Komtur nicht verdammen. Wir haben das Landgericht über uns – der Hochmeister ist unser Gerichtsherr! Das heißt Gewalt!
Mag sein! Darum vollstrecken wir nicht fremdes Urteil, sondern unser eigenes. Bereitet euch zum Tode – ihr müßt sterben!
Nochmals – ihr seid unsere Richter nicht!
So vergelten wir Gleiches mit Gleichem. Auch ihr waret unsere Richter nicht, und ihr habt uns gerichtet. Einen Teil unserer Gefährten habt ihr ums Leben gebracht. Daß wir noch atmen, danken wir euch nicht. Euer Tod aber gibt uns die Freiheit, und deshalb – müßt ihr sterben!
Er schlug den zerfetzten Mantel zurück und zeigte das nackte Schwert in seiner linken Hand. Zugleich traten zwei von den Räubern an ihn heran. In ihrem Ledergurt blitzten die Dolchmesser, und sie hatten die Hände an den Griff gelegt, des Befehls ihres Meisters gewärtig.
Nun konnte kein Zweifel mehr sein, daß die Drohung schrecklich ernst gemeint war. Sie haben Waffen! schrie Hecht, sie sind gegen uns bewaffnet! Zu Hilfe – zu Hilfe! Er rannte an die Tür, rüttelte sie im Schloß, schlug mit den Fäusten dagegen.
Die Räuber lachten wild auf. Es nützt euch nichts! Ergebt euch!
O mein Weib – meine Kinder! jammerte Barthel Groß, sich mit beiden Händen ins Haar greifend. Schont uns – tötet uns nicht! Das ist Mord – Meuchelmord!
Des Komturs Rachewerk! sagte Letzkau. Aber es wird aus dieser blutigen Saat eine Frucht aufgehen, an der sie sich vergiften sollen! Nur zu, ihr Buben – nur zu! Gewalt habt ihr über uns, aber nicht Recht.
Im nächsten Augenblick ließ sich vom Fenster her ein Krachen vernehmen: die Eisenstange war gebrochen. Der Mann, der daran gefeilt und gebogen hatte, warf sie hinab. Der Weg ist frei! rief er.
Sieh hinaus, Jost, rief ihm der Hauptmann zu, ob unten das Boot bereit liegt.
Es liegt bereit.
Nun denn – in Teufels Namen, vorwärts! Er hob das Schwert und drang gegen die Ratsherren vor. Seine beiden Genossen folgten mit wildem Geschrei.
Letzkau ergriff einen hölzernen Schemel, der an der Wand stand, und hielt ihn vor sich hin. Sollen wir uns schlachten lassen? Ich verteidige mein Leben.
Barthel Groß blickte sich verzweifelt um, ob sich nicht auch für ihn eine Waffe entdecken ließe. Auf der Erde lag das Eisen. Er sprang zu, hob es auf und schwang es über seinem Kopf.
Arnd Hecht war bis in die Ecke des Gemachs zurückgewichen. Sein Fuß stieß an einen harten Gegenstand. Er bückte sich danach und ergriff eine steinerne Kanne, die noch halb mit Wasser gefüllt war. Den Inhalt goß er seinen Angreifern ins Gesicht, so daß sie geblendet waren; dem einen von den Kerlen, der mit dem Dolch auf ihn eindrang, schlug er so kräftig auf den Schädel, daß er taumelte und zu Boden stürzte. Aber ein anderer Geselle riß ihm den Dolch fort und warf sich auf den Wütenden. Stenebreeker selbst griff mit seinem kurzen Schwert Konrad Letzkau an, der aber den Schemel so geschickt wie einen Schild gebrauchte, daß er längere Zeit keinen Vorteil gewann. Barthel Groß focht mit der Eisenstange wie ein Rasender gegen einen bewaffneten Räuber und zwei seiner Gefährten, von denen der eine die spitze Feile als Dolch zu gebrauchen suchte, während der andere den zweiten Holzschemel ergriffen hatte und damit die wuchtigen Schläge zu parieren bemüht war. Bald lag ein zweiter von den Räubern ächzend am Boden. Nun sprangen auch die übrigen vom Strohlager auf und beteiligten sich beim Kampf.
Es entstand ein wildes Handgemenge. Der Mond erhellte das Gemach hinreichend, daß Freund und Feind einander unterscheiden konnten. Mitunter wurden die Angreifer auch bis unter das Fenster zurückgeworfen, wo dann der Lichtschein auf die blutigen Köpfe fiel. Stenebreeker ermutigte die Seinigen stets zu neuem Vordringen. Sie waren so sehr in der Mehrzahl, daß die Ratsherren fortwährend aufpassen mußten, nicht umgangen zu werden. Ihr Kampf war ganz hoffnungslos, aber sie gaben ihn deshalb nicht auf: in tapferer Gegenwehr wollten sie sterben, wenn sie sterben mußten.
Allmählich ermüdete ihnen Arm und Hand, sie bluteten schon aus vielen Wunden. Endlich gelang es einem von den Räubern, die zu Boden gestreckt waren, Barthel Groß bei den Füßen zu ergreifen und zum Fall zu bringen. Ehe er sich aufrichten konnte, faßte ihn ein anderer ins Haar und riß ihm den Kopf zurück. Anna – Anna! rief er. Schon fühlte er die Schneide des Dolches an seiner Kehle. Im nächsten Augenblick brach er röchelnd zusammen.
Die Räuber erhoben ein Siegesgeschrei. Noch seid ihr nicht am Ziel, ihr Buben! rief Hecht, dem blutiger Schweiß vom Gesicht rann. Er holte mit der Steinkanne mächtig aus und schmetterte sie gegen den Kopf seines nächsten Gegners. Indem aber sprang sein Genosse mit einem Schemel vor und fing den Hieb auf. Die Kanne barst bei dem Anprall gegen das eckige Holz und brach in Stücke auseinander; Hecht behielt den Henkel in der Hand. Nun war er wehrlos, wurde umringt und niedergeworfen. Mit Händen und Füßen schlug er um sich, bis man ihm die Kehle abgestochen hatte.
Fast zugleich mit ihm fiel auch Konrad Letzkau. Der Blutverlust hatte ihn erschöpft. War er auch nicht tödlich getroffen, so hatte er doch dem Schwert Stenebreekers den Zugang zu Brust und Leib nicht wehren können. Nun wurde er von hinten umfaßt und in die Knie gedrückt. Um diesen Angreifer abzuschütteln, schlug er mit dem Schemel hinter sich. Diesen günstigen Augenblick benutzte der Hauptmann, ihm das Schwert zwischen die Rippen zu stoßen. Gott sei mir gnädig! war Letzkaus letzter Schrei.
Die Räuber ließen ihre Wut an den Leichen aus, die sie ins Mondlicht zerrten und noch vielfach mit den Dolchen verwundeten. Dann ergriffen sie durchs Fenster die Flucht, wie es verabredet war. –
Der Wächter hatte bis in seine Zelle hinein den wilden Lärm vernommen. Aber er wagte nicht einzuschreiten. Es war ihm gewiß, daß der Komtur mit Stenebreeker etwas in betreff der drei Gefangenen verabredet hätte, worin er sich nicht mischen dürfe. Er sprach deshalb nur ein Gebet und ließ geschehen, was er nicht hindern konnte.
Am Morgen, als er die Tür öffnete, waren die Räuber verschwunden. Am Boden in einer breiten Blutlache lagen die drei Danziger Ratsherren hingestreckt, СКАЧАТЬ