Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ was als wichtig gegolten hat, das war ein neues Erleben, eine neue Ahnung. Wie ein und dasselbe Bild durch die Kunst des Malers mehr Tiefe erhalten kann, so gewann die deutsche Weltanschauung Tiefe durch die Mystiker, obwohl sie nichts wesentlich Neues brachten.

      Neu und erschütternd war, daß die höchsten Ideen der Menschheit Gedankengut des Volkes wurden. Als Meister Eckhardt vorgeworfen wurde, daß er von den höchsten Dingen in deutscher Sprache zum Volke spreche, sagte er: »Soll man nicht lehren ungelehrte Leute, so wird niemand gelehrt. Darum lehrt man die Unwissenden, damit aus Unwissenden Wissende werden. Dazu ist der Arzt da, daß er den Siechen gesund mache. Johannes schrieb sein Evangelium allen Gläubigen und auch den Ungläubigen, und doch beginnt er mit dem Höchsten, was ein Mensch von Gott sprechen mag.« Eine Gesinnung gegen das Volk sprach Eckhardt damit aus, wie sie ganz unbekannt war; selbst die Heiligen spendeten wohl dem Volk Almosen und pflegten es in Spitälern, dachten aber nicht daran, es zu erleuchten, es denken zu lehren. Meister Eckhardt hatte, was den echten Demokraten ausmacht, den Glauben an die unteren Schichten des Volkes als an die Grundlage des Volkes, in dem die aufbauenden Kräfte des Volkstums, Gesundheit, Tüchtigkeit, Gutwilligkeit, Gläubigkeit verwahrt sind.

      Wenn die Frauen in den Klöstern mit Visionen und Verzückungen nicht selten Beispiele der unfruchtbaren, ja schädlichen Seite der Mystik gaben, so haben sie in der Entwicklung und im Ausdruck der mystischen Gedankengänge eigenartige Produktivität gezeigt. Die ursprünglich niederdeutsch verfaßte Schrift der Mechthild von Magdeburg vom Fließenden Licht der Gottheit hat, wie man annimmt, Dante in lateinischer Übersetzung gekannt und in der Göttlichen Komödie verwertet. Mechthild war aus vornehmem Geschlecht, verließ mit 23 Jahren die Familie, um in Magdeburg als Begine zu leben, und trat später in das Kloster Helfta bei Eisleben ein, das ein Graf von Mansfeld gegründet hatte, und das im Jahre 1342 nach Mansfeld verlegt wurde. Sie war Zeitgenossin Alberts des Großen, mit dessen Werk sie vermutlich durch einen ihr befreundeten Schüler des Philosophen vertraut war. Unter der jugendlichen Äbtissin Gertrud von Hackeborn erreichte das geistige Leben des Klosters eine bemerkenswerte Höhe; die lateinische Sprache wurde gelehrt, eine Bibliothek wurde angelegt und benützt, besonders die Bibel gelesen. Von der Sang- und Lehrmeisterin Mechtild von Wippra wurde gesagt, daß ihr Wort süßer als Honig, ihr Geist glühender als Feuer sei. Eine besonders hervorragende Erscheinung war die große Gertrud, wie sie von ihrer Umgebung genannt wurde. Sie stammte von armen Eltern und ist 1256, einige Jahre vor Meister Eckhardt, in Thüringen geboren. Ursprünglich in den freien Künsten gebildet, wandte sie sich später dem Studium der Heiligen Schrift zu, eine freie, starke, von schöpferischer Kraft durchrauschte Persönlichkeit.

      Denkt man daran, wie am Hofe von Eisenach die ritterlichen Dichter sich versammelten, wie von dem jungen Landgrafen Ludwig und seiner Elisabeth ein warmer Strom von Herzensgüte ausging und wie die Heilige durch ihren Liebestod das Feuer des Erbarmens im Abendlande anfachte, denkt man an Hermann von Salza, Konrad, den Schwager der Elisabeth und andere thüringische Herren aus der heroischen Frühzeit des Ordens, an Eike von Repgow, der im benachbarten Harz den Sachsenspiegel schrieb, an die große Gertrud und andere Nonnen von Helfta, an Meister Eckhardt, den Klassiker der deutschen Mystik, von dem man annimmt, daß er in Thüringen geboren ist, so will es einem scheinen, als habe sich damals das Herz Deutschlands zum Blühen geöffnet. Das waldwogende Land, die Heimat des am wenigsten kriegerischen deutschen Stammes, dessen Selbständigkeit vor der fränkischen Übermacht zusammenbrach, und das lange als ein Anhängsel Sachsens fast namenlos war, nährte nun das deutsche Volk mit edlen geistigen und seelischen Kräften.

      Verbreiteter noch war die Mystik am Oberrhein. Auch in dortigen Klöstern lebten Frauen, die teils als verstehende Freundinnen von Mystikern, teils durch eigene schriftstellerische Wirksamkeit bekannt wurden. Heinrich Suso oder Seuse ist in Überlingen, Tauler in Straßburg geboren, wo Eckhardt von 1312 bis 1320 lebte. Großen Einfluß übte aus der Dämmerung seines absichtlich verhüllten Daseins Nikolaus von Basel aus, der mit vier Gleichgesinnten, von denen einer ein ehemaliger Jurist, einer ein ehemaliger Jude war, auf einem Berge in Österreich abgeschieden, aber nicht nach mönchischer Regel lebte. Nach ihrer Überzeugung hatte der Verfall der christlichen Welt einen solchen Grad erreicht, daß es zum Zusammenbruch kommen müsse, wenn nicht von der Spitze aus ein Umschwung einträte. Es scheint, daß sie beim Papst Zutritt erlangten, daß ihre Vorwürfe und Drohungen ihn erst erzürnten, dann aber ergriffen, so daß er sie umarmte und ihnen auftrug, auch den Kaiser zu warnen. Da keine Besserung erfolgte, hielten sie es im Jahre 1383 für angezeigt, aus der Verborgenheit hervorzutreten und öffentlich zu predigen, wodurch sie sich Verfolgungen zuzogen. Nikolaus und zwei seiner Gefährten, von denen der eine vermutlich der ehemalige Jude war, wurden in der Dauphine verbrannt, andere Gottesfreunde, wie sich die Anhänger des Nikolaus nannten, starben in Köln und Heidelberg den Feuertod.

      Meister Eckhardt, Tauler, Suso hatten die Kirche nie angegriffen, fühlten sich vielmehr durchaus der Kirche zugehörig; aber die Art, wie sie über die Kirche hinweg, als sähen sie sie gar nicht, ihren Weg zu Gott suchten, dies fast zufällige Beiseiteschieben konnte als tödlicherer Angriff empfunden werden als die üblichen der Ketzer. Es gab Ketzer, die schalten, die Kirche sei ein bloßer Steinhaufen, die Messe ein Hundegeheul, das Altarsakrament ein Kuckuck der Priester. Die Mystiker störte die Kirche nicht. Empfanden die Theologen das Außerkirchliche in Eckhardts Haltung? Wenn sie ihm vorwarfen, daß er in mancher Äußerung die Grenze zwischen Gott und Mensch verwische, so war das nicht ganz unberechtigt, und es ist begreiflich, daß sie streng in diesem Punkte waren; denn mit der Grenze zwischen Gott und Mensch fällt leicht auch die zwischen Gut und Böse. Doch war Eckhardt ein zu hochstehender Charakter und zu tiefsinniger Denker, als daß er nicht Anhänger im Orden selbst gehabt hätte. Trotz seines Hanges zur Mystik und Spekulation scheint er praktisch begabt gewesen zu sein; als im Jahre 1303 die Ordensprovinz Deutschland geteilt wurde, bekam er die Stellung eines Provinzial-Priors für Sachsen, deren Mittelpunkt Erfurt war. Sie umfaßte 51 Männerklöster und 9 Frauenklöster. Obwohl er auf die Klage über allzu freie Gestaltung des religiösen Lebens in den Klöstern nicht einging, wurde es vermieden, Zwang auszuüben, erfuhr er keine Belästigung. Vorübergehend war er Generalvikar des Ordensmeisters für Böhmen. In Köln wurde er zum ersten Male wegen seiner Lehre angegriffen: vom Erzbischof von Köln, Heinrich von Virneburg, gingen die Verdächtigungen aus. Es war damals eine allgemeine Verfolgung von Beginen und Begarden wegen ketzerischer Meinungen im Gange, die überhaupt als klösterlich Lebende ohne unmittelbare Unterordnung unter die Kirche viel Anfeindung erfuhren; am Rhein wurden mehrere verbrannt, viele flohen. Man brachte ihre angeblichen Ketzereien in Zusammenhang mit Meister Eckhardt, dessen öffentliches Predigen in der Volkssprache von Anfang an in kirchlichen Kreisen ungern gesehen war. Um Eckhardt zu retten, tat der Dominikanerorden einen ungewöhnlichen Schritt; er setzte es durch, daß Johann XXII. den Nikolaus von Straßburg, einen Dominikaner, der derselben Richtung angehörte wie Eckhardt, zum Generalvikar für die Inquisition innerhalb der deutschen Provinz ernannte. Eckhardt wurde freigesprochen. Hatte der Erzbischof auch für den Augenblick verloren, so gab er seine Sache doch nicht auf, sondern sammelte insgeheim Material und erhob nach einigen Jahren eine neue Anklage, behauptend, das Recht der Inquisition sei ein Ausfluß der bischöflichen Gewalt. Die Unklarheit der gegenseitigen Rechte erlaubte es Nikolaus, zu protestieren; auch Eckhardt protestierte, hielt es aber, da der Erzbischof nicht nachließ, doch für geraten, sich durch eine öffentliche Erklärung zu sichern, die am 13. Februar 1327 in der Dominikanerkirche in Köln verlesen wurde. Er widerrief darin, was in seiner Lehre mit der Kirche nicht übereinstimme. Bald darauf starb der alte Meister, von dem eine päpstliche Bulle nach seinem Tode sagte, er habe im Widerspruch mit der sonnenklaren Wahrheit des Glaubens auf dem Acker der Kirche Dornen und Disteln ausgesät, habe gelehrt, was den rechten Glauben im Herzen der Menge habe verfinstern müssen.

      Eckhardt, Tauler, Suso erlebten die Regierung Ludwigs des Bayern, die Zeit, wo viele Städte wegen ihrer Anhänglichkeit an den gebannten Kaiser unter dem Interdikt standen und ohne Gottesdienst waren, wenn es nicht gelang, die Geistlichen zum Versehen desselben zu überreden oder zu zwingen. Wie sehr mußte den frommen Bürgern die Lehre zusagen, daß sie sich auch ohne die Vermittlung des Priesters mit Gott in Beziehung setzen könnten. Fast mit der deutschen Sprache zugleich offenbarte sich der Deutsche als evangelisch und als protestantisch. Die Sprache, СКАЧАТЬ