Название: Gesammelte Werke
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Философия
isbn: 4064066388829
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Die Päpste sahen mit Entrüstung Feinde den festgefügten Bau der Kirche unterwühlen. Es war der Bau, der die europäische Welt überwölbte, in ihren Augen eins mit dem Kosmos. Durch die Sakramente band sie den sterblichen Menschen an die unsterbliche Gottheit, hielt sie ihn eingeschaltet im Umschwung der Sphären. Riß das Band, so stürzte er wie ein erlöschendes Licht in das Nichts. Daß ein unmittelbares Band göttlicher Strömungen erwählte Geister zu einer unsichtbaren Kirche zusammenfassen könne, kam für die kirchliche Auffassung nicht in Betracht. Neben dem selbstsüchtigen Gefühl einer Macht, die sich im Genuß ihrer Herrschaft bedroht sieht, mögen solche Betrachtungen Papst Lucius III. bewegt haben, als er den Beschluß faßte, die Ketzer auszurotten, und Friedrich I. aufforderte, sich mit seinen Machtmitteln der Kirche zur Verfügung zu stellen. Der Kaiser war dazu durchaus bereit. Es wird ihn kaum ein Zweifel angewandelt haben, ob das, was die Ketzer lehrten, verdammenswert sei: weil sie sich gegen die Kirche auflehnten, waren sie Rebellen und mußte er, als Schutzherr der Kirche, sie strafen. Schon vor hundert Jahren hatte Gerhoh von Reichersperg gesagt: haereticum esse constat qui a Romana ecclesia discordat – Ketzer ist, wer von der Römischen Kirche abweicht. Auch Friedrich II., obwohl er selbst der Ketzerei verdächtigt wurde, erklärte sich mit seinem großen Gegner Gregor IX. einverstanden, als dieser im Jahre 1231 ein neues Gesetz zur Ausrottung der Ketzer erließ. Das Neue und Bedenkliche dieses Gesetzes war, daß künftig nicht nur der offenbare, gewissermaßen angreifende Ketzer zu verurteilen war, sondern daß der Ketzerei nachgespürt werden sollte, wodurch die gemeinen Instinkte der Menschen, insbesondere die Angeberei, aufgeregt wurden. Mit dieser peinlichen Aufgabe betraute der Papst den neugegründeten Orden der Dominikaner, der sich wegen seiner gelehrten Bildung dazu zu eignen schien. Die Zahl der häretischen Irrtümer, die sie austüftelten, überstieg sicherlich oft die Zahl der Heilswahrheiten, die den Beschuldigten selbst bekannt waren. Das Jahr des neuen Gesetzerlasses war das Jahr, in welchem die heilige Elisabeth starb. Ob der Tod der jungen Fürstin das düstere Gemüt ihres Beichtvaters trübte? Konrad von Marburg übernahm die seinem Orden zugewiesene Aufgabe mit einem Eifer, als bereite es ihm eine schreckliche Genugtuung, Menschen dem Feuertode zu überliefern. Wie eine Krankheit fraß der Verdacht der Ketzerei um sich; selbst Geistlichen kam Konrads Vorgehen wie ein blindes Wüten vor. Ein bisher unbekanntes Grauen beschlich die Menschen. Vielleicht hätte die Verfolgung sich ungehemmt ausbreiten können, wenn sie sich auf die unteren Volksklassen beschränkt hätte; aber gemäß einer ausdrücklichen Bestimmung des Papstes griff sie gerade die Hochgestellten an. Das reizbare Ehrgefühl des hohen Adels empörte sich gegen die Vergewaltigung durch ein geistliches Gericht. Graf Heinrich von Sayn wurde wegen Ketzerei angeklagt und erschien auf einer großen Kirchenversammlung in Mainz, bei der König Heinrich, Friedrichs II. Sohn, anwesend war. Sowohl er wie der Erzbischof von Mainz mißbilligten das Verhalten Konrads; der Erzbischof hatte ihn sogar ermahnt, sich zu mäßigen, aber ohne etwas auszurichten. Soviel bewirkte der Erzbischof, daß dem Grafen von Sayn eine Frist gegeben wurde, um sich zu rechtfertigen; die Gefahr blieb trotzdem groß, denn das Inquisitionsverfahren war so eingerichtet, daß es sehr schwer war, die einmal angezweifelte Rechtgläubigkeit zu erweisen. Am 30. Juli 1233 wurde Konrad von Marburg ermordet; man schrieb die Tat allgemein dem Grafen von Sayn zu. Er lebte noch 14 Jahre, ohne deswegen angegriffen zu werden; seine Witwe machte später große Schenkungen zum Heil für seine und ihre sündigen Seelen. Beinah gleichzeitig wurde in Straßburg der Dominikanermönch Droso, der durch sein Aufspüren von Ketzern die Stadt beunruhigte, von Heinrich von Mülnstein, einem, der sich bedroht fühlte, ermordet. Johannes Guldein, einer der angesehensten Straßburger Bürger, war im Jahre 1230 verbrannt worden. Nicht nur der Papst, sondern auch der Kaiser war entrüstet über die Mordtaten; es war einer der Vorwürfe, die Friedrich gegen seinen Sohn erhob, daß er die Ketzerverfolgung nicht unterstützt habe. Trotzdem ist anzunehmen, daß die Kaiser diese Pflicht ihres Amtes nur wie eine herkömmliche Formel zuweilen zu betonen für nötig hielten; denn wenn sie sich mit eigenem Willen dafür eingesetzt hätten, würde die Inquisition sich mehr ausgebreitet und festgesetzt haben, als tatsächlich geschah. Allerdings, wenn auch die scharfe Verfolgung, wie sie Konrad von Marburg eingeleitet hatte, sich nicht erneuerte, so wurden doch die Ketzergesetze weiterhin angewendet, und daß von Zeit zu Zeit die Flammen einen Irrgläubigen verzehrten, war nichts Auffallendes.
Immer weiter unterwühlt der titanische Strom die feste Erde. Ein Augenblick kann kommen, wo er nicht nur stärker, sondern auch reiner sein wird als das herrschende Gesetz. War der Tanz um das Goldene Kalb bei den Rechtgläubigen oder bei den Ketzern? Wenn die Regierenden anfangen, Feuer und Schwert anzuwenden, um die Einheit des Glaubens und Denkens zu erhalten, hat Gott sie meistens schon verlassen.
Die heilige Elisabeth und der Deutsche Orden
Unter den deutschen Familien, die wie Sternbilder aus dem Gewimmel der Sterne hervorglänzen, ist die der Grafen von Andechs besonders interessant. Aus den Gaugrafen von Andechs wurden in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts Markgrafen von Istrien und Herzöge von Meran, das heißt Dalmatien. СКАЧАТЬ