Gesammelte Werke. Ricarda Huch
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Ricarda Huch страница 132

Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

Серия:

isbn: 4064066388829

isbn:

СКАЧАТЬ Appellation von dem schlecht beratenen an den besser zu unterrichtenden Papst aufgesetzt und einem Notar übergeben hatte, brach auch Luther auf, heimlich bei Nacht, vom Domherrn Langemantel mit einem Pferd und Reitknecht versehen und aus einem Pförtchen in der Stadtmauer entlassen. Obwohl ungern und voll Furcht schlug doch der Notar die Appellation am Augsburger Dom an. Einige Wochen später appellierte Luther nicht mehr an den besser zu unterrichtenden Papst, sondern an ein künftiges Konzil, was er schon in Augsburg gewollt, aber aus Nachgiebigkeit gegen Staupitz unterlassen hatte.

      Das abwartende Verhalten Cajetans gegenüber Luther wurde von der Kurie gebilligt, da aus politischen Gründen Rücksicht auf Friedrich den Weisen zu nehmen geboten schien. Noch einmal wurde der Versuch gemacht, die Sache durch gütliche Mittel aus der Welt zu schaffen. Dem Kammerherrn und Domherrn von Miltitz, sächsischem Geschäftsträger in Rom, gelang es, Luther das Versprechen künftigen Schweigens zu entwinden. Er zeigte sich als weltläufiger junger Mann, der sich nicht viel um Lehrsätze kümmert, aber die traurigen Folgen eines Schismas für Deutschland fürchtet. Damit traf er Luthers Herz, der sich viel inniger als Miltitz mit der Kirche verwachsen und für sein Tun verantwortlich fühlte. Auch durch die Tat kam man Luther entgegen, indem man Tetzel zum Sündenbock machte; Miltitz hielt dem bisher so Geschätzten sein Verhalten bei der Ablaßpredigt und einige längst bekannte Verfehlungen so hart vor, daß der Unglückliche gemütskrank wurde und bald darauf starb. Billigte Luther das auch nicht, so glaubte er doch Zugeständnisse machen zu müssen und gelobte nicht nur zu schweigen, sondern setzte eine Schrift auf, in der er die Autorität der Kirche anerkannte und seine Thesen möglichst im Sinn der Kirche zu deuten suchte. Miltitz schmeichelte sich, den Rebellen gezähmt zu haben.

      Indessen was Luther auch sagen mochte, den Folgen seiner gewonnenen Überzeugung konnte er nicht ausweichen. Während er nachgab, fühlte er sich im Banne einer Macht, die nicht nachgab. Während er tatsächlich einige Schritte zurückwich, ging es in seinem Innern weiter und weiter. Neben dem stillen Licht ewiger Anbetung, das auf dem Altar seines Herzens brannte, schlug die Flamme immer höher, die den Tempel zerstören sollte. Er schrieb die Auslegung des Vaterunsers, vertiefte sich in die Galaterbriefe und studierte die päpstlichen Dekretalen, die ihn immer mehr in der Ansicht bestärkten, daß der Papst der Antichrist sei. Das Studium der Dekretalen hing zusammen mit einer Disputation, die Luthers Kollege und Anhänger Karlstadt, um Luther zu verteidigen, eingeleitet hatte. Da Eck, Karlstadts Gegner, in seinen Thesen mehr Luther als Karlstadt angriff, wünschte Luther sich an der Disputation zu beteiligen; so war er an die Schicksalskette geknüpft, deren erstes Glied seine eigenen Worte gewesen waren. Als Ort der Disputation hatte Eck Leipzig gewählt, die Universität des Herzogs Georg, Friedrichs des Weisen Vetter und Gegner. Die Väter der beiden Fürsten, Ernst und Albrecht, hatten im Jahre 1485 ihr Land geteilt, die brüderliche Einigkeit zerstört und ihre Eifersucht auf die Söhne vererbt. Eine feindselige Stimmung empfing die Wittenberger in Leipzig, das der neuen sächsischen Universität die zunehmende Hörerzahl mißgönnte. Dazu kam, daß Karlstadt ebenso ungeeignet zum Disputieren war, wie Eck dazu geschaffen schien; Eck verfügte über ein außerordentliches Gedächtnis und über die Dreistigkeit, immer etwas vorzubringen, auch wenn es nicht ganz stimmte, was doch im Augenblick nicht leicht nachzuweisen war. Bei ihm ging es Schlag auf Schlag im Ton unerschütterlicher Überzeugung, während Karlstadt stockte, in Büchern nachschlug und die gesuchte Stelle nicht fand. Luther disputierte im allgemeinen glänzend; was ihn in Leipzig störte und dem Erfolg schadete, war, daß er sich plötzlich von der Wucht seiner Gedanken an Abgründe gerissen sah, vor denen ihn schauderte. Eck, obwohl er sich immer noch als Luthers Freund gebärdete, stellte es von Anfang an darauf ab, ihn als Feind des Papsttums und als Ketzer zu entlarven, wie er auch bei seinem ersten Angriff auf seine Thesen von böhmischem Gift gesprochen hatte. Luthers Behauptung, der Primat des Papstes sei eine menschliche, nicht eine göttliche Einrichtung, griff er auf, um zu bemerken, das sei auf dem Konzil zu Konstanz als häretisch verdammt worden; er sage das, fügte er hinzu, weil er gehört habe, es seien Hussiten anwesend, und diese könnten sich in ihren Meinungen durch Luther bestätigt glauben. Luther stutzte; er sei kein Hussit, sagte er, und mißbillige ihr Schisma. Nach der Essenspause, die gerade stattfand, kam er selbst auf das Thema zurück und sagte, unter den auf dem Konzil verdammten Sätzen von Huß seien einige durchaus christlich und evangelisch. Eck triumphierte: wenn das Konzil zu Konstanz in einem Punkte geirrt hatte, konnte es auch in anderen irren, konnten alle Konzilien irren, und wer sollte dann über strittige Glaubensfragen entscheiden, wenn weder der Papst noch ein Konzil das konnte? Es war eine Frage, die Luther selbst, der sie veranlaßt hatte, beängstigend anfiel. Hatte er nicht selbst kürzlich an ein künftiges Konzil appelliert! An wen wollte er appellieren, wenn auch das keine Geltung mehr hatte? Am folgenden Tage versuchte er seine Aussage zu mildern. Wenn auch Konzile in einigen Sätzen irren könnten, meinte er, so seien Konzilsbeschlüsse doch anzunehmen, nur müßten sie mit der Schrift übereinstimmen. Eck blieb dabei, das sei böhmisch. Im Kampfe stärkte sich Luther. Es wurde ihm klar, wohin seine Ansichten unwidersprechlich führten; wenn auch Konzile irren können, blieb als einzige letzte Autorität die Heilige Schrift. Als er das gesagt hatte, rief Eck aus: »Ehrwürdiger Vater, wenn Ihr das glaubt, seid Ihr ein Heide.« Noch immer war so viel Besorgnis in Luther, das Volk könne durch ihn zum Abfall von der Kirche verleitet werden, daß er auf deutsch zu den Anwesenden sagte, er leugne die päpstliche Gewalt nicht, nur ihren göttlichen Ursprung. Auch das Kaisertum sei nicht göttlichen Ursprungs und bestehe doch und müsse geehrt werden.

      Die Zudringlichkeit des Gegners hatte Luther einen Schleier von den Augen gerissen: er übersah mit einem Male, wohin seine Gedanken führten. Die Heilige Schrift war einfach und doch geheimnisvoll, sie wurde verschieden gedeutet, sie mußte ausgelegt werden. Würde er die Auslegung des Papstes annehmen, wenn sie von der seinigen abwich? Er würde sie annehmen, wenn sie aus dem Geiste der Heiligen Schrift selbst geschöpft war, und ob sie das war, das entschied er selbst. Er allein also, ein armer Mönch, stellte sich gegen ein Gebäude von schauerlich-erhabener Massivität, das Jahrhunderte aufgetürmt hatten, damit es ewig dauere. Ob sie die Tragweite des Gesetzes mehr oder weniger überblickten, alle Anwesenden überlief ein Schrecken, und Luther selbst erschrak. Wenn seine Gegner sich den Sieg zuschrieben, hatten sie insofern nicht ganz unrecht, als Luther sich sprunghaft, vorstoßend und zurückweichend geäußert hatte. Aber er hatte doch durchaus keinen unsicheren Eindruck gemacht, im Gegenteil, man fand sein Auftreten stolz, kühn und vermessen. Wenn Eck, ein großer, starker Mann mit der etwas grobschlächtigen Gelenkigkeit des Gladiators und dem Pathos des Glaubenskämpfers üppig strömende Rede hinrollen ließ und Luther ihm gegenüber an dem Blumenstrauß roch, den er mitgebracht hatte, so bezeichnet die kleine Gebärde den Überlegenen, der dies alles schon hinter sich ließ, um was da gestritten wurde. Er hatte keinen Beifall von anderen, aber Klarheit über sich und was er wollte gewonnen.

       Inhaltsverzeichnis

      Kurz nach Luthers Unterredung mit Miltitz starb Maximilian I., einen Tag, nachdem die Leipziger Disputation eröffnet wurde, fand die Wahl des neuen Kaisers statt. Dies halbe Jahr war voll unruhiger Bewegung, denn die Bewerber um die Krone waren so beschaffen, daß ein ungewöhnlicher heftiger Wahlkampf zu erwarten und der Ausgang ungewiß war. Auf den bedeutendsten Thronen des Abendlandes saßen damals drei junge Fürsten, die miteinander wetteiferten: Karl, der Enkel Maximilians, Franz I. von Frankreich und Heinrich VIII. von England, von denen Karl mit 19 Jahren der jüngste war. Heinrich VIII. hätte wenig Anlaß gehabt, sich um die Kaiserkrone zu bemühen, wenn nicht Maximilian einige Jahre vor seinem Tode eine seine wunderlichen diplomatischen Schiebungen angestellt hätte, indem er Heinrich vorschlug, er wolle ihn als Sohn annehmen und zu seinem Nachfolger machen, ein skurriler Einfall, bei dem es dem Kaiser vermutlich auf englische Subsidien zu seinen Kriegen ankam. Heinrich hatte ein Gefühl von der Aussichtslosigkeit seiner Sache und hielt sich zuwartend im Hintergrunde, Franz I. hingegen, von Natur unternehmend und ruhmbegierig, fühlte sich als Vertreter der eifersüchtigen Ansprüche, die Frankreich seit Jahrhunderten auf das Kaisertum erhob, und verfocht daneben ein wirkliches Interesse Frankreichs, das nämlich, Österreich nicht allzu mächtig werden zu lassen. Karl hatte 1514 die Regierung seines СКАЧАТЬ