Название: Ekkehard
Автор: Joseph Victor von Scheffel
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783966510820
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Drittes Kapitel: Wiborada Reclusa
Einer von denen, die am wenigsten sich des unerwarteten Besuchs ergötzten, war Romeias, der Wächter am Tor. Er wusste ungefähr, was ihm bevorstand, aber nicht alles. Während der Abt die Herzogin empfing, kam Gerold, der Schaffner, zu ihm und sprach: Romeias, rüstet Euch, auszuziehen! Ihr sollt auf den nächsten Meierhöfen ansagen, dass sie noch heut vor Abend die schuldigen Hühner zur Ausschmückung der Mahlzeit schicken, und sollt einen guten Bissen Wildbret beschaffen.
Damit war Romeias zufrieden. Es fügte sich nicht zum ersten Male, dass er das Gasthuhn zu heischen ging, und die Meier und Kellerer auf den Höfen duckten sich des Romeias Worten, denn er hatte eine kräftige Sprache zum Befehlen. Des Weidwerks aber freute er sich zu jeder Zeit. Darum nahm Romeias seinen Jagdspieß, hing die Armbrust über und wollte gehen, ein Rudel Hunde zu lösen. Gerold, der Schaffner, aber zupfte ihn am Gewand und sagte: Romeias, noch etwas! Ihr sollet auch der Herzogin Frauenzimmer, denen der Eintritt verwehrt ist, hinauf ins Schwarzatal führen und der frommen Wiborad vorstellen, dass sie bei ihr Kurzweil finden, bis der Abend kommt. Und sollet fein artig sein, Romeias, es ist eine Griechin dabei mit gar dunkeln Augen...
Da legten sich drei tiefe Falten über Romeias' Stirn, und er stieß den Jagdspieß auf den Boden, dass es klirrte. Weibervölker begleiten? rief er, – dazu ist der Wächter am Tor des heiligen Gallus nicht geschaffen!
Gerold aber nickte ihm bedeutungsvoll zu und sprach: Ihr müsst's versuchen, Romeias. Ist's nicht schon zugetroffen, dass Wächter, die ihren Auftrag getreulich erfüllten, des Abends einen großen Steinkrug Klosterwein in ihrem Stüblein vorfanden? Hallo, Romeias!
Des Missmutigen Antlitz heiterte sich. Und er ging hinab in den Hof und löste die Hunde; der Spürhund und der Leithund sprangen an ihm hinauf, auch das Biberhündlein kläffte vergnüglich und wollte mit ausziehen, aber verächtlich jagte er's heim, der Fischteich und seine Insassen gingen den Weidmann nichts an. Von seinen Rüden umbellt schritt er vors Tor.
Praxedis und die anderen dienenden Frauen der Herzogin waren von den Pferden gestiegen und saßen auf einem Rain im Sonnenschein und hatten viel miteinander zu schwatzen von Mönchen und Kutten und Bärten und sonderbaren Launen ihrer Herrschaft. Da trat Romeias vor sie hin und sprach: Vorwärts!
Praxedis musterte den wilden Jägersmann und war sich nicht klar, was sie aus ihm machen sollte; mit schnippischer Stimme fragte sie: Wohin, guter Freund? Romeias aber hob seinen Spieß und deutete nach einem nahen Hügel hinter dem Walde und sagte nichts. Da sprach Praxedis: Sind die Worte bei euch in Sankt Gallen so teuer zu kaufen, dass Ihr keinen andern Bescheid gebt?
Die Dienerinnen lachten.
Da sprach Romeias ernst: Möcht' euch doch allzusamt ein Donnerwetter sieben Klafter tief in Erdboden hinein verschlagen!
Praxedis erwiderte: Wir danken Euch, guter Freund! Hiemit war die schickliche Einleitung zu einem Gespräch gefunden. Romeias eröffnete seinen Auftrag, die Frauen folgten ihm willig.
Und allmählich fand der Wächter, dass es nicht der härteste Dienst sei, solche Gäste zu geleiten, und wie die Griechin ihn des Näheren über Wächterei und Jagdhantierung befragte, ward seine Zunge gelöst, und er erzählte von Bären und Wildschweinen, dass es eine Freude war, und erzählte sogar sein großes Jagdstück von dem furchtbaren Eber, dem er einst den Speer in die Seite geworfen und ihn doch nicht zu erlegen vermocht, denn er hatte Füße, einer Wagenlast an Maße gleich, und Borsten, so hoch wie die Tannen des Forstes, und Zähne, zwölf Ellen lang,
»Der heber gât in lîtun
trégit sper in’sîtun
sîn báld éllin
ne lâzet in uéllin.
Imo sint fûoze
fûodermâze,
imo sint búrste
ébenhó fórste.
únde zéne sîne
zwélifélnîge.«
– und war zusehends artiger, denn, wie die Griechin einmal ihren Schritt hemmte, um einer Drossel Schlag zu belauschen, hielt auch Romeias geduldig an, wiewohl ihm sonst ein Singvogel ein viel zu erbärmlich Stück Wild war, als dass er ihn großen Aufmerkens gewürdigt. Und wie Praxedis sich nach einem schönen Goldkäfer bückte, der im rötlichen Moos herumkletterte, wollte ihr Romeias dienstwillig den Käfer mit schwerbesohltem Fuß zur Hand schieben, und dass er ihn bei solcher Gelegenheit zertrat, war nicht seine Absicht.
Sie stiegen einen düstern Bergpfad hinauf; über zerklüftete Nagelfluhfelsen rann die Schwarza zu Tale. An jenem Abhang war einst der heilige Gall in die Dornen gefallen und hatte zum Begleiter, der ihn aufrichten wollte, gesprochen: Lasst mich liegen, hier soll meine Ruhe sein und mein Haus für alle Zeit! Sie waren nicht lang bergan geklommen, da kamen sie an einen freien, tannwaldumsäumten Platz. An schirmende Felswand angelehnt, stand dort eine schlichte Kapelle in Form eines Kreuzes. Nah dabei war ein viereckig Häuslein gemauert, das mit der Rückseite auch an den Fels anstieß; nur eine einzige niedere Fensteröffnung, mit einem Holzladen verschließbar, war dran zu schauen; nirgends eine Tür oder ein anderweiter Eingang, und war nicht abzusehen, wie ein Mensch in solch Gebäu Einlass finden mochte, wofern er nicht durch eine Luke im Dach von seiten der Felswand sich hinabließ. Gegenüber stand ein gleiches Gelass, so ebenfalls nur ein einziges Fensterlein hatte.
Es war ein häufiger Brauch dazumal, dass solche, die Neigung zum Mönchsleben verspürten und die sich, wie der heilige Benedikt sagt, stark genug fühlten, den Kampf mit dem Teufel ohne Beihilfe frommer Genossenschaft auf eigene Faust zu bestehen, sich in solch einen Gaden einmauern ließen. Man hieß sie Reclausi, Eingeschlossene, Klausner, und war ihre Nutzbarkeit und Lebensabsicht der der Säulenheiligen in Ägyptenland zu vergleichen; scharfer Winterswind und Schneefall machten freilich diesseits der Alpen die Absperrung in frischer Luft unmöglich, das Anachoretengelüst war nicht minder stark.
Wer hat ein härteres Los als Hartker, der Klausner, getragen,
Der in beengender Haft sich dreißig Jahre kasteite?
Immerdar stand er gebückt, so niedrig war die Bedachung,
Kissen des Kopfs war ein Stein. Auf diesem schlief und entschlief er. Und in Kreuzesgestalt die gemagerten Arme entbreitend
Wandt' er zum Himmel den Blick und befahl dem Herrn seine Seele.
In den vier engen Wänden hier auf dem Irenhügel hauste nun die Schwester Wiborad, eine vielgepriesene Klausnerin ihrer Zeit.
Sie stammte aus Klingnau im Aargau und war eine stolze, spröde Jungfrau gewesen, in mancher Kunst bewandert, und hatte von ihrem Bruder Hitto alle Psalmen lateinisch beten gelernt und war ehedem nicht abgeneigt, einem Mann sein Leben zu versüßen, wenn sie den Rechten finden mochte, aber die Blüte aargauischer Landeskraft fand keine Gnade vor ihren Augen, und sie tat eine Wallfahrt gen Rom. Und dort muss ihr unstet Gemüt durchschüttert worden sein, keiner der Zeitgenossen hat erfahren wie; – drei Tage lang rannte ihr Bruder Hitto das Forum auf und nieder, und durch die Hallen des Kolosseums und unter Konstantins Triumphbogen durch bis zum vierstirnigen Janus an der Tiber unten, und suchte seine Schwester und fand sie nicht; am Morgen des vierten Tags СКАЧАТЬ