Название: Ekkehard
Автор: Joseph Victor von Scheffel
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783966510820
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Sie beugte sich aus dem schmalen Fenster und rief zur nachbarlichen Klause hinüber: Schwester Wendelgard!
Da schob sich drüben das Lädlein zurück, ein ältlich Antlitz erschien, das war die brave Frau Wendelgard, die dort um ihren Ehegemahl trauerte, der vom letzten Heereszug nimmer heimgekommen.
Schwester Wendelgard, sprach Wiborard, laß uns dreimal singen den Psalm: Sei mir gnädig, o Gott, nach deiner Huld.
Aber die Schwester Wendelgard hatte just mit träumender Sehnsucht ihres Eheherrn gedacht; sie wusste in festem Gottvertrauen, dass er dereinst noch heimkehren werde aus der Hunnen Landen, und hätte am liebsten jetzt schon die Pforte ihrer Klause eingetreten, hinauszuschreiten in die wehende Luft, ihm entgegen.
Es ist nicht die Stunde des Psallierens, rief sie hinüber.
Desto lieblicher klingt freiwillige Andacht zum Himmel empor, sprach Wiborad. Und sie intonierte mit rauher Stimme den Psalm. Aber die Antwort blieb aus. Was stimmst du nicht in Davids Schallgesang?
Ich mag nicht, war Wendelgards einfache Antwort. Es war ihr in langjährigem Klausnertum allmählich schwül geworden. Viel tausend Psalmen hatte sie auf Wiborads Geheiß gesungen, dass der heilige Martinus ihren Ehegespons heraushaue aus der Feinde Gewalt, aber die Sonne ging auf, die Sonne ging nieder – noch immer blieb er aus. Und die hagere Nachbarin mit ihren Phantasmen war ihr verleidet.
Wiborad aber wandte ihre Augen unverrückt dem Himmel zu, gleich einem, der am hellen Tag einen Kometen zu entdecken gedenkt: O Gefäß voll Ungehorsam und Bosheit, rief sie, ich will für dich beten, dass die bösen Geister von dir gebannet werden. Dein Aug' ist blind, dein Sinn ist wirr.
Doch ruhig antwortete die Gescholtene: Richtet nicht, auf dass auch ihr nicht gerichtet werdet. Mein Aug' ist noch so scharf wie vor Jahresfrist, da es Euch in mondumglänzter Nacht erschauen konnte, wie Ihr aus dem Fenster der Klause stieget und hinausgewandelt seid, Gott weiß wohin, – und mein Sinn erwägt noch wohl, ob Psalmengesang aus solchem Munde ein Wunder zu wirken im stande.
Da verzog sich Wiborads bleiches Antlitz, als ob sie auf einen Kieselstein gebissen hätte. Weh dir, Teufelgeblendete! schrie sie, ein Schwall scheltender Reden entströmte ihren Lippen; die Nachbarin blieb keine Antwort schuldig, schneller und schneller kam Wort auf Wort geflogen, verschlang sich, verwirrte sich; von den Felswänden klang unharmonischer Widerhall drein und schreckte ein Käuzleinpaar auf, das dort in den Spalten horstete und scharf krächzend von dannen flatterte... am Portal des Münsters zu Worms, da die Königinnen einander schalten, ging's sänftlicher zu als jetzo.
Mit stummem Erstaunen horchte Praxedis dem Lärm; gern wäre sie beschwichtigend dazwischen getreten, aber Sanftes taugt nicht, um Schneidiges zu trennen.
Da ertönte vergnüglicher Schall des Hifthorns vom Walde her und klaffendes Rüdengebell; langsam kam des Romeias hohe Gestalt geschritten. Das zweitemal, da er den Spieß geworfen, war's kein Baumstrunk, sondern ein stattlicher Zehnender; der Hirsch hing ihm auf dem Rücken, sechs lebende Hasen, die der Klostermeier von Tablatt in Schlingen gefangen, trug er gefestigt am Gürtel.
Und wie der Weidmann die Klausnerinnen erschaute, freute sich sein Herz; kein Wörtchen sprach er, wohl aber löste er der lebenden Häslein zwei ihrer Bande; einen in der Rechten, einen in der Linken schwingend, warf er sie so sicher durch die engen Klausfenster der Streitenden, dass Wiborad, vom weichen Fell elektrisch am Haupte berührt, mit lautem Aufschrei zurückfuhr. Der braven Wendelgard hatte sich in währender Hitze des Zwiegesprächs der schwarze Habit gelöst, der Hase fuhr ihr so plötzlich zwischen Hals und Kapuze und verfing sich in der Gewandung und suchte einen Ausweg und wusste nicht wohin, dass auch sie ein jäher Schreck überfiel. Da stellten beide die Scheltung ein, die Fensterläden schlossen sich, ruhig ward's auf dem Hügel.
Wir wollen heim, sprach Romeias zur Griechin, es will Abend werden. Praxedis war weder vom Gezänk noch von Romeias' Friedestiftung so auferbaut, dass sie länger zu bleiben gewünscht hätte. Ihre Begleiterinnen hatten bereits auf eigene Faust den Rückzug angetreten.
Die Hasen gelten bei Euch nicht viel, sprach sie zum Wächter, dass Ihr sie so grob in die Welt hinauswerfet.
Nicht viel, lachte Romeias, doch wär' das Geschenk eines Dankes wert.
Zu selber Zeit hob sich die Dachluke an Wiborads Zelle, die hagere Gestalt ward zur Hälfte sichtbar, ein mäßiger Feldstein flog über Romeias Haupt hin, er traf ihn nicht. Das war der Dank für den Hasen.
Man ersieht daraus, dass die Formen geselligen Verkehrs mannigfach von den heutigen verschieden waren.
Praxedis sprach ihr Befremden aus.
So etwas kommt alle paar Wochen einmal vor, erwiderte Romeias. Mäßiger Geifer und Zorn schafft alten Einsiedlerinnen neue Lebenskraft; es ist ein gutes Werk, zu Erregung derselben beizutragen.
Aber sie ist eine Heilige, sagte Praxedis scheu.
Da brummte Romeias in den Bart. Sie soll froh sein, sprach er, wenn sie's ist. Ich will ihr das Fell ihrer Heiligkeit nicht abziehen.. Aber seit ich in Konstanz meiner Mutter Schwester besucht, hab' ich allerhand erfahren, was mir nicht grün aussieht. Es ist dort noch nicht vergessen, wie sie vor des Bischofs Gericht sich verantworten musste wegen dem und jenem was mich nichts angeht, und die Konstanzer Kaufleute erzählen, ohne dass man sie fragt, wie ihnen die Klausnerinnen am Münster das Almosengeld, das fromme Pilgrime zutrugen, gegen Wucherzins ausgeliehen. Was kann ich dafür, dass mir schon in Knabenzeit im Steinbruch ein seltsam großer Kiesel in die Hände kam? Wie ich den aufgehämmert, saß eine Kröte drin und machte verwunderte Augen. Seitdem weiß ich, was eine Klausnerin ist. Schnipp, schnapp – trari, trara!
Romeias geleitete seine neue Freundin zur Pforte des außer Klosterbann gelegenen Hauses, das zu ihrer Herbergung bestimmt war. Dort standen die Dienerinnen, der Strauß Waldblumen, den sie gepflückt, lag auf dem Steintisch am Eingang.
Wir müssen Abschied nehmen, sagte der Wächter.
Lebt wohl, sprach Praxedis.
Da ging er. Nach dreißig Schritten schaute er scharf zurück. Aber zweimal geht die Sonne an einem Tage nicht auf, am wenigstens für einen Wächter am Klostertor. Es ward ihm keine Kusshand mehr zugeworfen, Praxedis war ins Haus gegangen.
Da wandelte Romeias langsam zurück, griff, ohne anzufragen, den Blumenstrauß vom Steintisch und zog ab. Den Hirsch und die vier Hasen lieferte er der Klosterküche. Dann bezog er seine Wächterstube, nagelte den Strauß an die Wand und malte mit Kohle ein Herz dazu, das hatte zwei Augen und einen langen Strich als Nase und einen Querstrich als Mund.
Der Klosterschüler Burkard kam herauf, mit ihm zu spielen. Den fasste er mit gewaltiger Hand, reichte ihm die Kohle, stellte ihn vor die Wand und sprach: Schreib den Namen drunter!
Was für einen Namen? frug der Knabe.
Ihren! sprach Romeias.
Was weiß ich von ihr und ihrem Namen, sagte der Klosterschüler verdrießlich.
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