James Bond. 100 Seiten. Wieland Schwanebeck
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      Das Phänomen

      Nicht jeder Mensch dürfte seine Kinobiographie anhand der James-Bond-Reihe vermessen, aber sie bietet gute Orientierungspunkte, egal ob man die Zeitgeschichte oder nur eigene Erinnerungen sortieren möchte. Mein erster James-Bond-Film im Kino war Nr. 2 aus der Ära Pierce Brosnan, Der Morgen stirbt nie (Tomorrow Never Dies, 1997, R: Roger Spottiswoode), und es war ein aufregendes Erlebnis. Nicht, weil ich damals eine besondere Affinität zu Bond verspürt hätte, sondern weil die FSK diesem Film, in dem wie in den meisten James-Bond-Filmen leidenschaftlich geliebt, anzüglich gescherzt und mitleidlos getötet wird, eine Altersfreigabe ab 16 verliehen hatte, immerhin drei Jahre über meinem Horizont. Meine Eltern haben mich dennoch mitgenommen, vielleicht weil die touristischen Qualitäten der James-Bond-Filme und ihre offensiv zur Schau gestellte Dolce-Vita-Attitüde familienfreundlich genug wirkten. James Bond ist dann noch eine ganze Weile eine feststehende Verabredung im innerfamiliären Kinokalender geblieben. Die Angst vor dem FSK-Siegel hatte sich ohnehin schnell erübrigt, zumal seit Die Welt ist nicht genug (The World Is Not Enough, 1999, R: Michael Apted) in Deutschland keinem James-Bond-Film mehr die Freigabe ab 12 verweigert wurde.

      Das Zielpublikum ist das gleiche geblieben, hat aber im 21. Jahrhundert die bislang radikalste Zäsur der Reihe miterlebt: den Reboot mit Daniel Craig, dessen Casting Teile des Publikums zunächst vor den Kopf stieß (zu ernst! zu brutal! zu blond!). Für die Generation meiner Eltern stand Sean Connery als Prototyp von 007 fest, und mit diesem verbindet sich auch die Erinnerung an eine Zeit, in der sogar der Anführer der freien Welt die charismatische Ausstrahlung eines James Bond besaß. John F. Kennedy zählte den Fleming-Roman Liebesgrüße aus Moskau (1957) zu seinen Lieblingsbüchern und sah dessen Verfilmung kurz vor seiner Ermordung. Heute ähnelt James Bond äußerlich eher dem russischen Präsidenten, aber das hat seiner Beliebtheit nicht geschadet. Weder das Bond-Phänomen noch die westliche Zivilisation sind an Daniel Craigs Haarfarbe zugrunde gegangen; die 007-Geschichten werden inzwischen sogar – und das kommt einem Fan dann doch beinahe verdächtig vor – von der Kritik gefeiert und als seriöse Kommentare zum Zeitgeschehen diskutiert.

      Dass 007 die weltweiten Kinocharts (wieder) dominiert, versteht sich ohnehin von selbst. Nach einem Popularitätstief gegen Ende der 1980er Jahre, als der Kalte Krieg an sein Ende kam, Bond in eine Identitätskrise geriet und von den US-Blockbustern abgehängt wurde, ist die Welt spätestens seit Casino Royale (2006, R: Martin Campbell) wieder in Ordnung. Auch die Besucherzahlen stimmen. Während US-amerikanische Blockbuster wie die Star-Wars-Reihe ungefähr die Hälfte ihres Umsatzes an den heimischen Kinokassen erwirtschaften, stammen James Bonds Einnahmen nur zu rund einem Viertel aus den USA. Besonders in Europa gilt schon seit langem, dass die chronisch kriselnde Kinobranche an Bond genesen kann; in der BRD z. B. hat noch kein 007-Abenteuer die Top Ten der besucherstärksten Filme des Jahres verfehlt. Sogar während der Coronapandemie hat Bond den Kinos gezeigt, wo es langgeht. Im März 2020 gaben die Produzenten bekannt, dass die Veröffentlichung des ohnehin überfälligen neuen Films, Keine Zeit zu sterben (No Time to Die, R: Cary Joji Fukunaga), aufgrund von Covid-19 um mehrere Monate verschoben werden würde (bevor der Start abermals vertagt wurde). Zahlreiche Großproduktionen sollten Bonds Beispiel folgen – er bleibt ein Trendsetter, auch wenn sich der Kinostart letztlich so häufig verzögerte, dass der Film als More Time to Die verspottet wurde.

      Seit den 1950er Jahren ist James Bond angehimmelt und kritisiert, für unzeitgemäß erklärt und wiederentdeckt, psychologisch vermessen und quantifiziert worden. Bekannt ist die Zahl der in allen Filmen von ihm getrunkenen Wodka Martinis (25), seiner sexuellen Eroberungen (54) und der von ihm getöteten Gegenspieler (ca. 600, wovon allein ein Drittel auf die Explosion von Blofelds Hauptquartier in Spectre entfällt). Kein Filmquiz ohne James-Bond-Zitate, von den einschlägigen (»Nein, Mr. Bond – ich erwarte von Ihnen, dass Sie sterben!«) bis hin zu den eher obskuren (»Klaus Hergersheimer, Sektion G, ich überprüfe die Strahlungsplaketten.«). Das letzte Wort hat ohnehin meist Bond selbst, wenn er nach getaner Arbeit mit einem lockeren Spruch die Krise für überwunden erklärt, bevor der Abspann dem Publikum versichert: James Bond will return.

      Die folgenden Kapitel werden in die Entstehung sowie die historische Entwicklung des James-Bond-Stoffs einführen und zugleich einen Blick auf die wichtigsten Bausteine des Bond-Phänomens werfen. Zitate aus den James-Bond-Filmen folgen den deutschen Synchronfassungen, alle weiteren Zitate aus dem Englischen wurden von mir selbst übersetzt.

      002 Sein Name sei Bond

      Die Anfänge

      Schuld ist natürlich eine Frau gewesen – jedenfalls Ian Fleming zufolge. Auf die Frage, was ihn dazu bewogen habe, es mit Mitte Vierzig plötzlich seinem älteren Bruder Peter gleichzutun und Romane zu schreiben, verwies der Autor auf seine nahende Heirat, die ihn so nervös gemacht habe, dass er sich ablenken musste. Fleming, der 1908 als Sohn eines konservativen, mit Churchill befreundeten Politikers in London zur Welt kam, konnte zu diesem Zeitpunkt bereits auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Nicht nur seine Steckenpferde qualifizierten ihn für die Erfindung von James Bond (er interessierte sich für Technik, sprach gern dem Alkohol zu und ging mit Jacques Cousteau auf Tauchgang), auch seine Erfahrungen als Börsenmakler, Auslandskorrespondent und Navy-Stratege im Zweiten Weltkrieg dürften ihm zugutegekommen sein. Berührungspunkte mit den Geheimdiensten gibt es bei vielen, die sich in der Spionageliteratur einen Namen gemacht haben: William Somerset Maugham, Graham Greene, John le Carré. (Was wohl die britische Regierung davon hält, dass so viele ihrer Ehemaligen ›auspacken‹? Stella Rimington, die in den 1990er Jahren den Inlandsgeheimdienst MI5 leitete, hat seit ihrer Pensionierung zehn Spionageromane veröffentlicht.)

      Bekannt ist, dass sich Fleming den Namen seines Helden bei einem Ornithologen abguckte, der ein Standardwerk über die Vogelvielfalt der Karibik verfasst hatte (Birds of the West Indies, 1936) und mit dessen Frau er später ein paar Briefe wechselte – in einem bot er ihr scherzhaft an, ihr Mann könne ja aus Rache »eine besonders abscheuliche Vogelart« nach ihm benennen. Für den Erfolg von James Bond dürfte der auffallend unauffällige Name ebenso wichtig gewesen sein wie die Vorbilder, bei denen sich Fleming bediente. Dazu zählten reale Kriegshelden (u. a. sein Bruder) ebenso wie fiktive Spione, z. B. der in mehreren Büchern von John Buchan auftretende Richard Hannay. Alfred Hitchcocks Buchan-Verfilmung Die 39 Stufen (The 39 Steps, 1935), in der Robert Donat einen verschmitzten und sehr charmanten Hannay spielt, nimmt bereits viel Bond-Typisches vorweg.

      Aber Fleming bediente sich nicht bloß gekonnt bei anderen, er setzte auch erfolgreich eigene Akzente innerhalb des Spionagegenres. Zu seinem literarischen Spleen wurden die zahllosen Marken und Konsumgüter, die er mit ethnographischer Detailtreue in seinen Büchern festhält. Wir sind als Leser immer darüber im Bilde, was Bond frühstückt und welche Zigarettenmarke er raucht. Nebenbei erfahren wir bei Fleming, dass ein ›richtiger‹ Mann keinem Laster abgeneigt ist, sich im abgebrühten Tonfall der US-amerikanischen Hard-boiled-Krimis unterhält und welchem Prominenten Bond ähnlich sieht (dem Liedermacher Hoagy Carmichael, der u. a. den Ohrwurm »Georgia on My Mind« geschrieben hat). Der erste Band, Casino Royale (1953), ist noch ein dicht gearbeitetes Kammerspiel ohne große Reiseroute, demonstriert aber bereits viele von Flemings Stärken. Die folgenden Romane, deren Plots extravaganter und deren Settings immer exotischer wurden, brachten dem Bond-Regisseur Terence Young zufolge Hollywoodglamour ins Nachkriegsengland, wo »das Essen und das Gas streng rationiert waren und das Leben keinen Spaß machte. Ians Bücher erinnerten uns an eine andere Welt, in der es vorzügliches Essen, schöne Autos und luxuriöse Hotels gab.«.

      Die Exotik hatte sich Fleming übrigens nicht in einer englischen Mansarde zusammenfantasiert СКАЧАТЬ