Die Prinzessin und der Heilige. Georg Engel
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Prinzessin und der Heilige - Georg Engel страница 7

Название: Die Prinzessin und der Heilige

Автор: Georg Engel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711467022

isbn:

СКАЧАТЬ ein und gedachte eben, sein Rösslein ein paar Haferähren vom Rain seines Nachbarn raufen zu lassen, denn solch lumpiges Bauernmensch musste froh sein, wenn sich ein Hofmann, wie der Pantak, zu einer derartigen Vertraulichkeit herbeiliess. Da schlug ein greller Kindersang an sein Gehör, und dicht vor ihm an der Dornenhecke neben dem Bach enthüllte sich ein Bild, das dem Krieger wahrhaft den letzten Atem benahm.

      „Uff,“ stöhnte er, hielt den Klepper an und riss sich mit der Rechten die Wimpern in die Höhe, als hätte ihn Zauberwerk geblendet, „uff, verdammte Kröte, was soll’s?“

      Und es war wirklich wert, den Zug aufmerksam zu betrachten.

      In einem roten, zerfetzten Röckchen, das gerade noch bis auf die nackten Knie fiel, umflattert von einem schmutzigen, mit Löchern förmlich besäten Hemd, dass man die braungesonnte, knabenhafte Brust deutlich wahrnehmen konnte, so sprang und jauchzte ein etwa fünfjähriges Mägdlein daher. Glänzend flatterten ihm die schwarzen Haare ums Haupt, und die kohlschwarzen Augen funkelten wie nach einem grossen Siege über langes Ungemach. An einem Strick aber schleifte die Kleine vier tote Enten hinter sich her, die sämtlich mit dem Hals in gleichmässigem Abstand in die Leine eingeknüpft waren.

      Der Pantak röchelte: „Was treibst du da?“ Gläsern quollen ihm die Augen aus den Höhlen, denn er erkannte sein eigenes Geflügel.

      Geschmeichelt machte Krissa, das hergewehte Polenunkraut, vor dem Klepper halt, stiess nochmals einen glückseligen Juchzer aus, und während sie in innerster Befriedigung mit den Fingern schnipste, warf sie einen Blick verweilenden Stolzes auf ihre leblosen, staubbesudelten Zöglinge.

      „O, süss Väterchen,“ schmeichelte ihr aufgeworfener, kirschroter Mund, „hat mich Mutter immer geschlagen, weil ich Enten, schnattriges, nicht Zusammenhalten kann. Bin ich jetzt hinter Dorn eingeschlafen, hab’ geträumt von dir, süss Väterchen,“ setzte das kleine Balg in weiser Steigerung hinzu, „aber da husch, husch, ist Fuchs gekommen, hat Vögel totgebissen, und nun — o fein Väterchen —“ und sie lachte, dass es sich anhörte, als ob Tropfen in einen silbernen Becher fielen, „halt ich jetzt Enten zusammen, wie noch nie. Hüh — hott, alle in einer Reihe.“ Damit wollte sie ihren fröhlichen Triumphzug fortsetzen, der Pantak aber, obwohl ihm vor Eigennutz und Wut die Kehle zuschwoll, ihn packte trotzdem in sonderbarer Verkehrung eine unbezwingliche, die ganze Gestalt durchrüttelnde Lachlust, so dass er zwar ungestüm seine Knute vom Sattel riss, zugleich jedoch einer verrückten Heiterkeit verfallen, schluckend und bäumend über den Hals des Gaules hingeschleudert wurde.

      „O du niederträchtiges, verwünschtes Zeug,“ gurgelte der Dicke dabei, indem er ohnmächtig die Lederriemen schüttelte — „ich — der Gehörnte ist dein Vater — ich schlage dich krumm und lahm.“

      Wer konnte es da der Zeugin einer solch wüsten Heiterkeit verargen, wenn sie das Ganze für den Ausdruck schrankenlosen, väterlichen Beifalls hielt? Pfeifend und summend raffte Krissa die Leine fester an sich und begann eben mit ihren so wohl behüteten Tieren die grasende Mähre zu umspringen, als das Siegesfest durch einen dumpfen Fall gestört wurde.

      Schwerfällig war der Besitzer des Federviehs vom Ross gesunken, jetzt aber raffte er sich auf, griff Krissa in die Haare und fing an, sie nach allen Regeln einer oft geübten Kunst abzuwalken.

      „O, du bösartiges, lästerliches, gottverderbtes Teufelsgeschenk,“ keuchte er, zwar noch immer durch ein gelegentlich dazwischen schallendes Gemecker unterbrochen. „So lohnst du all die guten Lehren? — O, Jammer über die verpfuschten Braten! Hätt’ dir nur der Fuchs selbst die Kehle durchbissen! — Doch ich will’s nachholen, nachholen will ich es.“

      Klatschend trafen die Riemen den fast nackten Leib, die kleine Gemisshandelte aber schrie nicht; verwundert, still, in sich gesunken stopfte sie den Daumen in den Mund, ihr Rücken duckte sich, und nur ihre schwarzen Augen suchten manchmal ihren Peiniger mit solch sonderbarem Ausdruck eines selbstverständlichen Duldens, bis der entrüstete Hausvater endlich mürrisch den Striemer fallen liess.

      „Scher dich zur Hölle,“ schöpfte er Atem. „Mir aus den Augen. Hat’s weh getan?“

      Die Kleine schüttelte den Kopf.

      Es war an einem frühen Herbstmorgen. Ausgestorben, glattgefegt von allem menschlichen Verkehr schlängelte sich die Landstrasse an Hof Ellernslöh vorüber, denn unter den Marktgängern, Bauern und wandernden Handwerksgesellen hatte sich das Gerücht verbreitet, Herzog Swantopolk ritte allein und ungeleitet dieses Weges daher, und jene Kunde genügte für das verängstigte Volk, um dem Tyrannen auf Meilen die Strecke ungestört zu überlassen. Selbst dem Schatten, den der Böse in der Sonne warf, wären die Abergläubischen bestürzt ausgewichen.

      So schallte der Hufschlag des fürstlichen Rosses schon geraume Zeit auf dem harten Lehmboden, ohne dass dem Reiter auch nur eine Seele begegnet wäre. Aber gerade diese Leere behagte dem aufmerksam über die Felder Spähenden, und er strich manchmal befriedigt über sein buntes byzantinisches Gewand, so oft sein spitzer, von einem merkwürdigen Zischlaut begleiteter Pfiff eine Schar Krähen von den Futterplätzen der Stoppeln aufschreckte. Und doch — weder dies Pfeifen, noch der Gertenschlag, der sein ungarisch Ross dabei häufig über die Nüstern traf, schien von dem Willen des Reiters beseelt zu werden, nein, sein nach innen gerichtetes Grinsen, das die schmalen Lippen weit auseinander zerrte, sowie das verschleierte Starren seiner Augen deuteten vielmehr auf ein Planen und Sinnieren, das immer wesenhafter und greifbarer wurde, je näher er seinem Ziel entgegenrückte. Erst als dicht vor ihm die flachen Wände des Ellernslöher Herrenhauses auftauchten, entriss sich der Einsame dem Schattentanz seiner Vorstellungen, um einen tiefen Atemzug einzusaugen. Zugleich aber verlieh er seiner ganzen Gestalt jene Bedeutung, wie es der Gaukler gewohnt ist, sobald er auf die Bretter der Bühne hüpft.

      Schwerfällig schwang sich der Tyrann aus dem Sattel, führte sein Pferd über die schmale Grabenbrücke und band es darauf an einem der Zaunpfähle fest. Unbemerkt, mit leisen schallosen Tritten, wand er sich dann durch die Wagen und Pflüge des Wirtschaftshofes, dabei nur lässig das Haupt neigend, als er Knechte und Mägde, wie vom Blitz getroffen in die Knie brechen sah.

      „Pane, erbarme dich unser,“ stammelten die blassen, blutleeren Lippen der Erschrockenen.

      Darauf ein Wink, der sie barsch zur Arbeit verwies, und die bunte Gestalt verlor sich unhörbar und gleitend durch die Gartenpforte. Fern an den Büschen des Haselnussganges sah er ein weisses Gewand flattern. Dort pflückte die Hausherrin grüne Früchte aus den Zweigen, entschälte sie und warf sie in ein Körbchen aus Weidengeflecht, das ihr am Arm schaukelte. Oft hob sich dabei ihre Gestalt auf die Zehen, um eine besonders hochragende Gerte zu erreichen. Dann spielte die mädchenhafte Biegung ihrer Hüften in einer anmutigen Weichheit, und unter dem roten Haarnetz quoll eine der Flechten hervor und fiel reif und korngelb über den freien Nacken. Bräunlich schimmerten die Wangen des Weibes vor Anstrengung und unter dem Gruss des herbstlichen Windes!

      Gelassen verweilte der Herzog hinter der Ahnungslosen und strich sich geniessend den Bart. Ihm gefiel diese käferdurchsummte Stille, die Abgeschlossenheit des Platzes und die erntefrohe Beschäftigung dieser jugendlich Emsigen. Das vieldeutige Grinsen um seinen Mund verstärkte sich; er schien bereits im voraus des Kommenden gewiss zu sein. Plötzlich indessen vollführte die Schlossfrau bei ihrer langenden Beschäftigung eine unvorsichtige Bewegung, sie schwankte und wäre vielleicht gestürzt, wenn der Herzog nicht mit beiden Fäuften nach der Abgewandten gegriffen hätte.

      So hielt er sie um die Weichen gepackt und lächelte nur, da er ihren wilden Schrei vernahm. Ein paar Augen starrten ihn an, die vor Entsetzen blanken Eisstücken glichen. Unfähig, sich vor der Verkörperung ihrer schlimmsten Ahnungen zu verstellen, stammelten ihre Lippen Ausdrücke des Abscheus und der Gegenwehr, und die schmale Hand fegte unbeherrscht durch die Luft, als vermöchte sie das plötzlich СКАЧАТЬ