Die Prinzessin und der Heilige. Georg Engel
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Название: Die Prinzessin und der Heilige

Автор: Georg Engel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788711467022

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СКАЧАТЬ dem Haupt des Heiligen schaukelte sacht ein tönernes Öllämpchen, und von dort allein fiel ein düsteres Zucken auf die Holzpuppen und die beiden Menschen herab. Atemraubend fast presste eine schläfrige Stille alles Leben ein, und so beengend und schwer drückte das undurchdringliche Schweigen auf die bange Brust, dass sich selbst der Böse gedrungen fühlte, diese unerträgliche Gefangenschaft zu lösen. Fast war ihm sein eigener Vorsatz vor dem umspannenden Druck gewichen.

      Trotzig reckte er sich.

      „Schau her,“ begann er nach einem frechen Räuspern, „dies alles schuf ich dir und deinem Eheliebsten zu Gefallen. Ich hoffe, du wirst es mir Dank wissen.“

      Durch den silbrig durchleuchteten Glast von Nebel und Staub glimmten die Raubvogelaugen des Mannes fangbegieriger, sie krallten sich auf dem dämmernd weissen Nacken des Weibes fest, auf ihrem korngoldenen Haar, und die Stösse seines Atems zeigten der Bestürzten, dass er sich kaum noch bezwinge, in seiner bisherigen Zurückhaltung zu verharren. Was hinderte den Gebietenden, Furchtbekleideten auch noch, in dieser Einsamkeit den Jagdsprung zu wagen? Seltsam, es war die verschüchterte, kindlich-flehende Gebärde, mit der die Blonde sich an das Gitter klammerte, gleichsam, als wäre es möglich, dass der heilige sie wirklich in den Falten seines eigenen Gewandes verberge, Dies allein dämpfte die Lüsternheit ihres Verfolgers auf eine ihm selbst unbegreifliche Weise zu Vorsicht und verärgertem Zögern herab. Ungebärdig stampfte er mit dem Fuss, denn er wollte die Hingegossene auf jeden Fall in ihrer Zwiesprache mit der Holzpuppe unterbrechen. Glaubte er nicht auch etwas Wahnwitziges aus ihrem erregten Murmeln aufgefangen zu haben? Es klang beinahe, als hätte das irre Weib geredet: „Ich kann zu diesem meinem Leib sprechen: höre auf und zerfalle!“

      Fort damit, jene erhitzte und zugleich betörende Stille musste gelüftet werden, schon damit er sich selbst von der ungewohnten Zaghaftigkeit befreie. Ungestüm, in der rohen Absicht, sich ihres irdischen Daseins zu vergewissern, packte er die sich windende an der Schulter und herrschte sie an: „Genug, Madonna, wozu sich so zärtlich an den starren Gelenken erhitzen? Was ist’s mit dem Burschen? Du bist eine Klostergelehrte. Unterrichte mich Unkundigen daher, was es mit dem hölzernen Knecht auf sich hat? Warum schleppt er das Kindlein, als wäre er seine Amme?“

      O, gottlob, die Schlossfrau atmete auf. Die Wissbegierde des Tyrannen, sein Wunsch nach Unterweisung, sie überredeten die halb Besinnungslose noch einmal in den Wahn, das Gelüst des Bösen möchte vielleicht schon wieder zerflattert sein. Um aller Barmherzigkeit willen, diese günstige Wandlung musste genützt werden!

      Noch auf den Knien sammelte Adelheid daher mit aller Macht ihre Gedanken, bezwang ihre innere Unrast und begann: „Herr und Fürst, vermag ich dir doch nur zu erzählen, was ich selbst aus den Gesprächen der frommen Ursulinerinnen zu Naumburg aufgelesen. Sieh, dieser Christophorus soll in sagenhaften Vortagen ein Riese gewesen sein, ein Trotziger, Unbezwingbarer, der mit den Füssen einen Amboss in die Erde stampfen konnte. Darum mochte er aber auch nur dem Stärksten auf der Welt dienen und so verdingte er sich endlich nach langem Suchen dem Satan.“

      „Er muss seine Leute gekannt haben,“ bemerkte hier der Herzog unter einem Grinsen.

      Erblassend vor diesem Einwurf fuhr die Erzählerin hastiger fort: „Allein dem Teufel wurde bald Angst vor seinem Gesellen. Gar zu fürchterlich tobte der Ungebärdige in der Hölle umher, riss das Fegefeuer auseinander, trank zu seiner Ergötzung siedendes Pech und warf bei jedem Streit Dutzende von armen Seelen dem Schwarzen gegen die Hörner. Da verriet der Böse seinem Diener endlich ganz demütig, der Herr der Finsternis möchte wohl doch nicht der Stärkste sein, sein Knecht möge es lieber einmal mit dem Heiland versuchen!“

      „Schwachheit,“ murrte Swantopolk. „Sobald ein Übeltäter erst über sich nachdenkt, so ist er schon verloren. Dein Teufel hat eine zage Seele.“

      Doch die Verängstigte, der das Herz im Busen zitterte, stellte sich, als ob sie nichts vernommen. Mit einem widerspruchsvollen Lächeln redete sie weiter: „So stellte sich denn der Riese dem Gottessohn vor und bot ihm seine Dienste an. Unser Seligmacher sprach: ‚Bist du getauft?‘ ‚Nein,‘ höhnte der Riese, ‚mag auch die Pantscherei auf meinem Scheitel nicht dulden. Ist mir alles Baden ein Greuel und zuwider.‘ Der Herr lächelte sanft: ‚So magst du dich denn mit sachten daran gewöhnen. Bis einmal der Stärkere über dich kommt. Ziehe an den nächsten Strom, und da eine Brücke über dem Wasser fehlt, so sollst du mir fortan alle Pilger und Wandersleute, so jenseits in das kleine Kirchlein wollen, ungefährdet hinübertragen. Geh, und sei auch ungetauft mein Vasall.‘ — Und so geschah’s. Jahrelang schleppte der Vierellenhoch allerlei Volks durch die Flut, und ob auch die Wasser häufig schwollen und wuchsen, laut rühmte sich der Ungezähmte stets, noch habe kein Tropfen sein Haupt berührt, und die Kirche hätte keinen Teil an ihm.“

      Der Herzog beugte sich zu der Kauernden herab.

      „Recht,“ lobte er heiser, „der Bursche gefällt mir. Die Honigmäuler schwatzen uns ohnehin das bisschen Mannheit aus den Knochen. Und es ist doch — o Holde — unsere einzige Seligkeit, sobald wir sie spüren!“

      Damit näherte er der Hingelagerten sein schwarzglänzendes Haupt, und unter dem Vorwand, ihr noch aufmerksamer lauschen zu wollen, legte er seinen Arm spielend um ihren Nacken. Doch das Weib des Gabune duckte sich, und nachdem sie sich auf diese Weise von der Umschlingung befreit, umklammerte sie schüttelnd und stossend das Gitter, so dass alles Folgende fast wie ein Schrei der Not klang: „Du irrst, Herr,“ quoll es aus der zur Verzweiflung Getriebenen schrill hervor, obwohl sie noch immer an dem Irrtum festhielt, das gesprochene Wort könne sich als eine schützende Mauer zwischen ihr und dem unheimlichen Peiniger erheben. „Du irrst, meine Geschichte ist noch nicht am Ende. Auch für den Stärksten und Derstocktesten — glaube mir — kommt einmal das erhellende Licht. Sieh, eines Tages nämlich näherte sich dem Ufer des Stromes, an dem der Riese Wache hielt, ein Kindlein. Ein zartes, ausgezehrt, verhungert Ding, durch dessen Leib die Strahlen der Sonne schier ungehindert hindurchglitten. Das rief den Stromhüter mit heller Stimme an: ‚Trage mich hinüber, Gewaltiger, denn mich zieht es, an der Gnadenstätte meine Andacht zu verrichten.‘ — ‚Nun,‘ brummte der Knecht unlustig zur Antwort. ‚Du vermagst wohl auch als Flederwisch mit dem Wind hinüberzufliegen. Doch komm, du Zweilot und lustige Auszehrung, ich will die schwere Plage auf mich nehmen.‘ — Rauh griff er nach dem Winzigen, schwang ihn sich aus die Schulter und meinte hoffärtig, ein Blatt sei ihm auf die Achsel gewirbelt. Aber siehe — mit jedem Schritt, den er tiefer in die Flut hineinwatete, da wurde ihm die anfänglich so federleichte Bürde immer schwerer und unerträglicher, bis die eiserne Wucht den Widerstrebenden gerade in der Mitte des Stromes tief unter die Oberfläche zwang. Gurgelnd schossen die Wellen über seinen Scheitel. Im gleichen Augenblick zwar konnte er emportauchen; von seiner Schulter das Knäblein war verschwunden, statt seiner jedoch entschwebte ein goldiges Geflimmer in die Luft, und eine silberne Stimme fiel aus den Höhen: ‚Christophorus, auch die Bösen und Hartnäckigen stehen in meinem Sold. Alle zu ihrer Zeit. Ziehe denn hin, du Getaufter, deine Mühe hat dich geläutert.‘“

      Bebend schwieg die Blonde, denn ihre Beklommenheit steigerte sich, nachdem ihr der Schutz der Worte geraubt. Nur ihre Hände verstrickten sich immer tastender in dem hölzernen Gitter. Auch der Herzog rührte sich nicht. Angehaltenen Atems harrte er hinter ihr, wie eingeschmiedet in die bleierne Stille, und die Kniende meinte in ihrer Ohnmacht, seine Blicke küssten ihr bereits voll sengender Brunst den Nacken.

      Keuchend schlichen die Sekunden.

      Plötzlich flüsterte etwas in dem schmelzenden Singsang des Tyrannen: „Fromme, Heilige, ich flehe dich an, nimm auch du deine Bürde auf dich. Möge auch dein süsser Leib einen irrenden Pilger tragen, der sich schon lange nach Andacht und Reinheit sehnt.“

      Schreiend flog die Verfolgte empor, allein gerade diese ungestüme Gebärde des Abscheus und Entsetzens, sie brach das geringe Hemmnis nieder, das СКАЧАТЬ