Der Fall Deruga. Ricarda Huch
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Читать онлайн книгу Der Fall Deruga - Ricarda Huch страница 11

Название: Der Fall Deruga

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788726511277

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СКАЧАТЬ Aufsicht der Großmutter gemacht hatte, dachte ich, dabei würde es mir gewiß nicht fehlen. Ich schnitt also meine Zwiebeln und Leber und alles und richtete das Zeug an, und plötzlich fiel mir ein, daß ich Hunger hätte, und daß gewiß noch eine Traube hängengeblieben wäre, die ich mir holen könnte, ohne daß die Großmutter es merkte. Ich schüttete noch ein wenig Fleischbrühe nach und dachte,auf die Art könne ich es ruhig eine Weile gehen lassen. Eigentlich nämlich muß der Risotto fortwährend gerührt werden, und das wußte ich gut genug; aber ein bißchen keck und leichtsinnig war ich schon. Jetzt kann ich das nicht mehr begreifen, aber in der Jugend kommt man unversehens von einem aufs andere, wenn man sich die Zukunft ausmalt: Verehrer, Körbe, Hochzeit und so weiter, und ich vergaß über solchen Träumereien wahrhaftig das Mittagessen. Auf einmal steht die Großmutter vor mir, in der Nachtjacke, das Gesicht rot wie ein glühender Ofen, und schreit: ,Da steht sie und maust, die Dirne, die mir den ganzen Risotto verbrannt hat!‘Wahrhaftig, ich roch es selbst durch das offene Küchenfenster, unter dem wir standen, und unbegreiflich ist es, daß ich es vorher nicht gemerkt hatte. Und dann fiel sie über mich her, griff mit der einen Hand in meine Haare und schlug mit der anderen so auf mich los, daß mir zumute war, als hätte mich der Wirbelwind gefaßt und drehte sich mit mir im Kreise herum. Weh tat es mir nicht, dazu war ich zu erstaunt. Aber noch viel mehr erstaunte ich, als plötzlich die Großmutter ihrerseits von einem Sturmwind erfaßt und zurückgerissen wurde, und Frau Dr. Deruga zwischen uns stand, wie der Engel mit dem feurigen Schwerte, der Adam und Eva aus dem Paradiese trieb, mit Augen, die nicht blau wie sonst, sondern schwarz waren und knisterten, so kam es mir nämlich vor in meiner Erregung.

      ,Lassen Sie das Kind los, Sie abscheuliche, gottlose Hyäne!‘ rief sie so laut und hart, wie sie mit ihrer weichen Stimme konnte; und nach einer kleinen Pause sagte sie ein wenig weicher und gelinder: ,Megäre, wollte ich sagen.‘ Wie sie das gesagt hatte, kam es ihr wohl selbst ein wenig komisch vor, daß sie in den Mundwinkeln zu lachen anfing, und dann lachte die Großmutter geradeheraus, und wie ich das hörte, lachte ich dermaßen, daß ich ordentlich kreischte, und fiel der Frau Doktor um den Hals, der die Tränen aus den Augen sprangen vor Lachen.“

      Während dieser Erzählung beobachteten sowohl die Richter wie Dr. Bernburger in unauffälliger Weise den Angeklagten, in dessen Mienen sich deutlich ausprägte, wie er die wiedererstehende Vergangenheit miterlebte, seine länglichen, schöngeschnittenen Augen erglänzten wie die Schuppen eines silbernen Fisches. Er schien seine Lage und Umgebung vollständig vergessen zu haben und sagte unbefangen zu der alten Freundin: „Arme Marmotte“ (so nannte er seine Frau), „arme, gute, feige Person! So hatte sie später ihr Junges gegen mich verteidigt, das natürlich seine Prügel ebenso verdiente wie Sie damals, Brutta. Aber erzählen Sie weiter, erzählen Sie: was tat die Großmutter?“

      „Der Großmutter“, fuhr die Frau Hauptmann fort, „waren die Augen auch feucht, aber nicht nur vom Lachen, sondern gerührt war sie, gerührt über die Frau Doktor, und machte kein Hehl daraus; denn obwohl sie, wie schon gesagt, eher scharf und zornig war, so war sie doch ohne Falsch und zögerte nicht, ein Unrecht zuzugestehen, wenn sie es nämlich eingesehen hatte. Sie stemmte die Arme in die Seite und sagte: „Also so sieht das stille Wasser aus! Eine richtige Feuerflamme kann herausschlagen! Da bin ich freilich so dumm wie alt gewesen. Und wenn ich heute unser Herr Doktor wäre, ich würde Sie morgen vom Fleck weg heiraten, so gut haben Sie mir eben gefallen. Und nun muß ich Sie auf den Nacken küssen!‘ Damit umarmte sie die Frau Doktor und küßte sie nicht nur auf den Nacken, sondern auch auf beide Backen, und dann sagte sie, der Risotto solle nun vergeben und vergessen sein, und sie wolle für das Mittagessen sorgen, denn kochen könne sie besser, als man es von einer gottlosen Hyäne erwarten würde. In der Tat brachte sie in einer Stunde das feinste Essen zusammen, nämlich Fleischpastete und Marillenknödel, und ich begreife heute noch nicht, wie sie es machte, denn das sind Gerichte, zu denen man seine Zeit braucht. Helfen mußte ich allerdings doch und bekam Püffe und Kniffe, aber das schadete nicht, weil sie ein vergnügtes Gesicht dazu machte. Nachher beim Mittagessen, an dem die arme Marmotte, ich meine die Frau Doktor, auch teilnehmen mußte, sprach die Großmutter viel über Erziehung, und daß namentlich die Mädchen lernen müßten, nicht so heikel und empfindlich zu sein, denn bei den Männern wären sie nicht auf Daunen gebettet, und wenn eine nicht einen Puff vertrüge und sich ihrer Haut wehren könnte, ginge es ihr schlecht; die Wehleidigen und die Nachgiebigen würden nur verachtet. Eine Frau, die ihnen keinen Vorteil brächte, sähen die Männer nur als eine Last an, deshalb müßte ein Mädchen entweder Geld haben oder kochen können. Die arme Marmotte rühmte ihren Mann, daß er nicht so wäre, aber die Großmutter, die doch bisher so viel Wesens von ihm gemacht hatte, sagte, da gäbe es keine Ausnahmen. In diesem Punkte wäre einer wie der andere, und wenn die Liebe einmal einen uneigennützig machte, haßte er die Frau nachher doppelt, die ihn so verblendet hätte.“

      „Warum sagen Sie immer ,arme Marmotte?‘ fragte der Vorsitzende, der mit außerordentlicher Geduld zugehört hatte.

      „Nun, weil sie tot ist“, antwortete die Frau Hauptmann nach einer Pause verblüfft.

      „Ach so“, sagte Dr. Zeunemann, „bei ihren Lebzeiten haben Sie nicht so von ihr gesprochen?“

      „Bewahre“, sagte Frau Schmid, „sie kam mir im Gegenteil beneidenswert vor. Nun ja, etwas Hilfloses hatte sie an sich, und zuweilen war sie auch traurig und sah ängstlich aus, und da mag ich sie wohl einmal ,arme Marmotte‘ genannt haben.“

      „Wissen Sie, warum sie zuweilen traurig war?“ fragte der Vorsitzende.

      „Warum?“ fiel Deruga höhnisch ein. „Das kann ich Ihnen sagen. Weil sie ihren Mann nicht so liebte, wie sie sollte, weil sie an einen anderen dachte, der besser zu ihr passen würde, und weil sie Angst vor meiner Eifersucht hatte. Denn wir Italiener haben nicht Milch oder Wasser in den Adern, sondern Blut, und dann werden unsere Augen blutrot, wenn wir zornig werden.“

      Frau Hauptmann warf einen erschrockenen und tadelnden Blick auf Deruga und sagte zu den Richtern gewendet:

      „Er macht nur Spaß! Er war immer ein Spaßmacher und liebte es, die Leute zu foppen und zu erschrecken“. Dann wieder zu ihm herüber: „Warum hätte die arme Marmotte Sie denn geheiratet? Ein Kind konnte ja sehen, wie lieb sie Sie hatte.“

      Deruga hatte bereits den Kopf wieder auf die Hand gestützt, so daß man sein Gesicht nicht sah, und gab kein Zeichen des Anteils mehr.

      „Wenn sie sich vor ihm fürchtete“, fuhr Frau Schmid, zu den Richtern gewendet, fort, „so war das sicherlich nicht seine Schuld, sondern es kam von ihrer außerordentlichen Furchtsamkeit. Einmal in der Nacht fiel etwas mit einem Betrunkenen vor. Ich erinnere mich nicht mehr genau daran, aber ich weiß, wie sie von uns allen damit geneckt wurde.“

      Der Vorsitzende ermunterte Frau Schmid, sich zu besinnen oder zu erzählen, was sie noch davon wisse. Dann, da ihr nichts einfiel, fragte er Deruga, ob er sich vielleicht noch daran erinnere.

      Deruga hob den Kopf und sah aus, als habe er keine Ahnung, wovon die Rede sei.

      „Ach, Sie wissen doch, Doktorchen“, redete ihm Frau Schmid zu. „Es kam nachts ein Betrunkener am Pavillon vorbei und grölte so laut, daß Ihre Frau davon aufwachte und dachte, es wäre unter dem Fenster. Es wird im November gewesen sein, denn es war eine stürmische und regnerische Nacht, und Sie hatten keine Lust aufzustehen und stellten sich schlafend, während Ihre Frau fast verging vor Angst. So ungefähr war es, erinnern Sie sich denn nicht mehr daran?“

      „O ja“, sagte Deruga, „es stellte sich eine ungewöhnliche Zärtlichkeit bei meiner Frau ein. Ich wachte auf, weil sie sich an mich schmiegte und ihren Kopf dicht an meinen Hals drückte, und als ich mich noch in dem Traum wiegte, es habe sie plötzlich eine Leidenschaft für mich überkommen, flehte sie mich an, ich solle sie vor dem Betrunkenen schützen. ,Er ist unter dem Fenster‘, sagte sie, ,im nächsten Augenblick wird er hereinkommen. Was fangen wir an, oh, was fangen СКАЧАТЬ