Was als Spiel begann - Ein Norwegen-Krimi. Unni Lindell
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Название: Was als Spiel begann - Ein Norwegen-Krimi

Автор: Unni Lindell

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726344134

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      Die ewigen Anfragen der Presse waren irritierend, aber eben auch notwendig. Schon waren allerlei Tipps eingelaufen. Unter anderem war ein Stück weiter unten an den Bahngleisen ein leerer Rucksack gefunden worden. Der Sack war bereits zur Analyse geschickt worden, und die Ermittler überlegten, ob sie sein Bild an die Presse geben sollten.

      Erst gegen 23 Uhr an diesem Abend bog Cato Isaksen in den Frydendalsvei ab und hielt am Ende der Garagenreihe. Bente benutzte die Garage für ihren kleinen Polo. Der sprang, wenn es kalt war, nicht so leicht an wie der Dienstwagen. Er hatte die Briefe, die Ellen Grue gefunden hatte, gelesen. Am nächsten Tag wollte er sich darüber informieren, wer dieser Pavel war.

      Es roch nach Essen, als Cato Isaksen die Tür aufschloss. Bente war in der Küche beschäftigt. Er hörte, wie sie sich dort bewegte. Er wusste, dass sie eben erst von einer langen Schicht im Pflegeheim nach Hause gekommen war. Sie tat so, als ob sie ihn nicht gehört hätte. Cato Isaksen kannte diese Zeichen.

      Noch immer diskutierten sie darüber, ob Bente wirklich für seinen Sohn sorgen müsste. Sie fand, er respektiere ihre Arbeit im Pflegeheim nicht. Während er sich immer wieder damit zu entschuldigen versuchte, dass Mordermittlungen etwas anderes seien als jede andere Arbeit, Mord sei nun eben mal ein Ausnahmezustand.

      Cato Isaksen ging in die Küche. Die Uhr mit den zwölf Augen tickte rhythmisch an der Wand. Bente kehrte ihm den Rücken zu und bereitete das Essen für den nächsten Tag vor. Sie zerschnitt Gemüse, das sie in einen Kochtopf legte. Nach einer Weile drehte sie sich um und sah ihn an, mit ihrem Küchengesicht.

      Er ging auf sie zu und legte ihr die Arme um die Taille. Er schnupperte an ihrem Nacken. Sie schnitt weiter. Er lächelte.

      »Wie geht’s denn?«, fragte sie.

      »Ziemlich gut«, sagte er. »Wir haben einen Ehemann ohne Alibi und einen gefühlsbetonten Verehrer.«

      Er merkte, dass sie lächelte. Als er wieder nach Hause gezogen war, hatte er einen Teil seiner psychischen Gesundheit zurückgewonnen. Das war ein wichtiger Gewinn, auf den er nicht verzichten könnte. Das hatte er ein für allemal begriffen. Es war der Alltag, zu dem er zurückgewollt hatte, als er einige Jahre zuvor Georgs Mutter, Sigrid, verlassen hatte. Dass Bente ihn wieder aufgenommen hatte, war seine Rettung gewesen. Sie war die Mutter seiner beiden älteren Söhne. Sie kannte alle seine Fehler und Schwächen. Sie kannte seine Träume, oder vielleicht eher den Mangel an Träumen.

      Der rote Kater Marmelade, der auf einem kleinen Hocker unter dem Küchentisch lag, erhob sich langsam und stellte zwei Pfoten auf den Boden. Er reckte sich, dann machte er einen gewaltigen Buckel. Danach verließ er langsam die Küche, mit dem Schwanz wie einer riesigen Bürste hinter sich stolzierte er zur Gartentür und miaute dabei laut.

      Cato Isaksen hielt noch immer Bente im Arm. Er schloss die Augen, dachte an etwas, das sie in einem Sommer einige Jahre zuvor zu ihm gesagt hatte. Er hatte sich darüber beklagt, dass seine Arbeit so viel Zeit fraß und das Alltagsleben zerstörte. Dass er keine Energie mehr hatte, um spannender zu sein. »Ich bin langweilig«, hatte er gesagt. Da hatte Bente ihn angesehen und etwas gesagt, das er niemals vergessen hatte. Ich langweile mich gern mit dir zusammen. Das ist besser, als sich mit einem anderen zu amüsieren.

      Am Sonntagmorgen kullerten die Tropfen durch die Regenrinne. Das milde Wetter war zurückgekehrt, aber nur vorübergehend, wie die Meteorologen im Autoradio gesagt hatten.

      Die Ermittler setzten sich an den Tisch. Im Raum herrschte eine gespannte Stimmung, wie immer zu Beginn eines neuen Falles. Als stünden sie am Tor zu einem unbekannten Garten. Cato Isaksen hatte das Gefühl, dass die Grundlage zu einem guten Ergebnis immer schon früh gelegt wurde. Es hing mit den Einzelheiten des Falles zusammen, mit den Zeichen, die bereits im Unterbewusstsein arbeiteten. Für ihn hatte jeder neue Fall eine eigene Farbe, einen eigenen Ton. Eine Reihe von Systemen, die einen zukünftigen Regenbogen bildeten, in dem die Reihenfolge der Farben nicht gleichgültig war, sondern abhängig von einem vorgegebenen System.

      Abteilungsleiterin Ingeborg Myklebust war nicht gerade in Spitzenlaune. Randi Johansen stand in der Tür und telefonierte gerade mit ihrem Mann, als die Chefin sich an ihr vorbeidrängte. Sofort wurde das Stimmengewirr im Besprechungszimmer sehr viel leiser. Die hoch gewachsene Frau trug ein schwarzes Wollkostüm, schwarze Strümpfe und dunkelgrüne Lederschuhe. Ihre roten Haare waren offenbar mit einer Glanzwäsche aufgefrischt worden. Sie schaute kurz ihre Mitarbeiter an und setzte sich dann ans Tischende. Cato Isaksen wusste sofort, dass sie das schwarze Kostüm aus Achtung vor Preben Ulriksen trug.

      Randi Johansen stand noch immer in der Türöffnung und diskutierte mit ihrem Mann. »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, habe ich doch gesagt, aber ich werde es versuchen.« Sie beendete das Gespräch und setzte sich neben Ingeborg Myklebust.

      Plötzlich liefen Bilder von Palmen und zerstörten Stränden über den Flachbildschirm unter der Decke. Sie hörten Schreie und Stimmen. Sie sahen, wie Bretter, Boote und Menschen an Wänden zerschmettert wurden, und Gegenstände, die auf dem Wasser schwammen.

      »Nicht schon wieder«, sagte Asle Tengs und stand auf.

      Cato Isaksen dachte an die Worte des Gedichtes, das er in seinem Büro aufbewahrte. Nach und nach verlierst du deinen Körper, wegen der Nacht, in die du eingehst. Vor und nach dem Wort gibt es das Zeichen, und im Zeichen ist der Leerraum, in dem wir wachsen.

      »Bei allem, was auf dieser Welt passiert, war nun ausgerechnet Preben am falschen Ort«, sagte Ingeborg Myklebust hart und sah Asle Tengs an, der zur Fernbedienung gegriffen hatte. Ein scharfes blaues Licht flackerte über den Schirm, dann wurde er dunkel. Es war jetzt ganz still im Zimmer. Cato Isaksen betrachtete die Tischplatte. Vor seiner Netzhaut tanzten vage Bilder von Preben in dem gierigen Wasser. Er hob das Gesicht und merkte, dass Ingeborg Myklebust ihn musterte. Cato Isaksen erwiderte ihren Blick einige Sekunden lang, dann riss er sich zusammen und berichtete über den Mord an Siv Ellen Blad.

      Ingeborg Myklebust war im letzten Jahr zu Preben ganz besonders spöttisch gewesen, was ihr jetzt sicher zu schaffen machte, wo er allem Anschein nach in der über das Ferienparadies hereingebrochenen Riesenwelle verschwunden war. Cato Isaksen kannte seine Chefin gut genug, um zu wissen, dass ihr das den Schlaf raubte. Auch ihrem Gesicht war das anzusehen. Er betrachtete seine Vorgesetzte, während sie sprach, sah ihre roten Nägel und nahm den Duft ihres Parfüms wahr. Sie war viele Jahre lang seine Feindin gewesen, aber das war jetzt vorbei. Vielleicht ist das ein schlechtes Zeichen, dachte er. Aber er hatte schon längst aufgegeben. Als sie einige Jahre zuvor schwer krank gewesen war, waren sie einander näher gekommen. Er hatte sie im Krankenhaus besucht, und sie hatte ihm die psychischen Probleme ihrer Tochter anvertraut. Roger Høibakk und den anderen machten inzwischen ihre Kommentare mehr zu schaffen als Cato Isaksen.

      Roger Høibakk schüttete gerade einen Umschlag voller Bilder auf dem Tisch aus. »Die kriegen wir später noch digital«, sagte er.

      Die Fotos des Tatortes waren auf dem Tisch verteilt. Siv Ellen Blads starrer Blick und ihr halb offener Mund glotzten sie an. Ewigkeitsblick nannte Cato Isaksen das. Er merkte, dass sein Hals beim Anblick des Todes prickelte. Es ärgerte ihn, dass er nach all den Jahren noch immer so reagierte. Er hatte im Laufe der Zeit so viele Bilder ausdrucksloser Totenmasken gesehen. Einige würde er niemals vergessen. Es konnte sich um Bagatellen handeln, Kleiderstoff, zerrissene Strümpfe, Schmuckstücke. Kleinigkeiten, wie man sie auf Bildern in Illustrierten sieht, verteilt und besprochen als Modeaccessoires des Frühlings. Das hier waren die Accessoires des Frühlings. Körper, die sich auflösten, verletzte Glieder, Stichwunden und Blutlachen. Tote Menschen waren wie leere Tafeln. Die Ermittler mussten die Flächen mit Schrift füllen. Roger Høibakk sah ihn an, und Cato Isaksen riss sich zusammen und hob zwei Fotos hoch. Eines zeigte die mit Graffiti besprühten Wände СКАЧАТЬ