Das war 2020. Andreas Unterberger
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Название: Das war 2020

Автор: Andreas Unterberger

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783903236431

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СКАЧАТЬ großen kontinentalen, geistes- und wirtschaftsgeschichtlichen Bogen zu zeichnen.

      Was übrigens ein Glück für die Deutschen (und jene Österreicher, die 1938 bis 1945 in ihrem Lager standen) sein dürfte: Denn dadurch sind ihnen Vorwürfe erspart geblieben, weil Stalin ja nur als Folge des deutschen Angriffskrieges seine Kolonialherrschaft so weit ausdehnen hat können.

      Auch für die Osteuropäer waren und sind Gegenwart und Zukunft, der eigene Wiederaufbau und die Probleme mit der EU wichtiger als allzu intensive Vergangenheitsbewältigung. Und dort, wo die Völker nun zunehmend doch auf die Vergangenheit blicken, dort ist der Zorn, ja Hass auf Sowjetrussland viel größer als die Erinnerung an die deutsche und vielleicht auch amerikanische (siehe Jalta) Mitschuld am Unheil.

       Wie Österreich nach 1945

      In jenen Ländern spielt sich ein durchaus mit der österreichischen Nachkriegsgeschichte vergleichbares Phänomen ab: Auch in Österreich stand nach 1945 nur wenige Jahre die Abrechnung mit den ehemaligen Nationalsozialisten unter den eigenen Mitbürgern auf der Tagesordnung. Dann wurde dieses Thema jahrzehntelang beiseitegeschoben. Man wollte und konnte nicht auf die Hunderttausenden mehr oder minder belasteten Österreicher beim Aufbau eines erfolgreichen Industrielandes verzichten. Bruno Kreisky hat sogar sehr gezielt auf die Unterstützung der Ehemaligen gesetzt.

      Erst ziemlich genau 40 Jahre nach Kriegsende entdeckte man die Vergangenheitsbewältigung als politmoralisches Thema. Also genau zu dem Zeitpunkt, da die letzten „Ehemaligen“ in Pension gingen und nicht mehr als Minister, Beamte, Manager, Ärzte oder Richter verwendbar waren. Die nächsten Jahrzehnte hatte dann eine neue Generation Zeit, nicht nur die Nazi-Verbrechen, sondern auch das Verhalten in den Jahren 1945 bis 1986 zu geißeln.

      Aber letztlich war es wohl durchaus vernünftig, die Gräben der Vergangenheit zu ignorieren und nicht jahrzehntelang Hunderttausende Österreicher als Heloten zu deklassieren, während man sie für den Wiederaufbau so dringend gebraucht hatte, nachdem so viele Landsleute im Krieg umgekommen, von den Nazis vertrieben oder ermordet worden waren. Freilich: Eine solche Vernunft-Entscheidung, die auch auf christlicher Versöhnung aufbaut, darf nie ein Vergessen bedeuten.

      Im Vergleich zum Verhalten der osteuropäischen Staaten nach dem Kommunismus kann das Nach-1945-Österreich sogar einiges für sich ins Treffen führen: Es hatte keinen einzigen Regierungschef, der in irgendeiner Weise ein Ehemaliger gewesen ist, zwei (Figl und Gorbach) waren sogar aus Konzentrationslager beziehungsweise Todeszelle an die Staatsspitze gekommen, und einer (Kreisky) aus der Emigration. Auch die Präsidenten Karl Renner und Kurt Waldheim waren keine Ehemaligen, waren keine Täter gewesen, sondern nur opportunistische Durchtaucher, keine Helden, aber auch keine Nazis.

      In etlichen Ländern Osteuropas haben hingegen ehemalige Profiteure der Diktatur auch nach 1989 viele Jahre höchste Staatsämter bekleidet. Sie hatten bloß die Kommunistischen Parteien in Parteien des „Demokratischen“ Sozialismus umbenannt.

      Heute hingegen ist auch im Osten die Zahl der Ehemaligen in Spitzenämtern stark zurückgegangen. Der tschechische Ministerpräsident Babiš ist einer der letzten KP-Mitglieder in heutigen Spitzenfunktionen – und dementsprechend regelmäßige Zielscheibe des Volkszorns.

      Wahrscheinlich wird ähnlich wie bei uns auch in Osteuropa vierzig Jahre nachher, also in etwa zehn Jahren eine neue Generation empört aufschreien, wieso nicht radikaler mit den Schergen des Kommunismus aufgeräumt worden ist.

      •Die so viele Menschen verfolgt, eingesperrt und umgebracht haben.

      •Die durch ein schwachsinniges Wirtschaftssystem die Schuld daran getragen haben, dass auch noch drei Jahrzehnte nachher weite Regionen in Sachen Wohlstand zurückgelegen sind.

      •Die 40 Jahre ein beklemmendes Klima der geistigen Enge und totalitären Indoktrinierung über halb Europa verschuldet haben.

      Dennoch bleibt das Verhalten der Osteuropäer gegenüber der eigenen Vergangenheit irgendwie nachvollziehbar. Es galt eben auch dort das utilitaristische Motto: Das eigene Wirtschaftswunder hat immer Vorrang.

      Hingegen ist das Desinteresse der westeuropäischen Historiker, Philosophen und Publizisten an den Ereignissen zwischen 1945 und 1989 in Osteuropa in keiner Weise zu entschuldigen. Dafür gibt es eigentlich nur zwei Erklärungen:

      •Entweder sie sind krankhaft weitsichtig, sodass sie die Dinge in der näheren Vergangenheit einfach nicht sehen können;

      •Oder sie wollen diese Dinge nicht sehen, weil sie die daraus entspringenden Lehren nicht mögen, weil diese den eigenen Stereotypen und Vorurteilen zuwiderlaufen.

      Die zehn wichtigsten dieser Lehren lauten nämlich:

      1. Sozialistische Wirtschaftssysteme führen immer zu einer Verarmung der Menschen, sind immer marktwirtschaftlichen Systemen unterlegen, weil in diesen alle Marktteilnehmer ihr Wissen einbringen und nicht nur ein paar Fünfjahresplaner in der Partei.

      2. Sozialismus und Kommunismus können sich immer nur durch brutale totalitäre Unterdrückung an der Macht halten. Sie sind immer nur durch Gewalt an die Macht gekommen, die sie halt als „Revolution“ zu beschönigen versuchen. Lediglich in der Tschechoslowakei haben die Kommunisten demokratisch die Mehrheit errungen (indem sie chauvinistisch die Angst vor einer Rückkehr der vertriebenen Deutschen geschürt haben).

      3. Sozialistische Gleichheit bedeutet immer eine Angleichung aller nach unten – freilich mit Ausnahme der immensen, wenn auch eher im Geheimen konsumierten Privilegien der Nomenklatura.

      4. Die letzten Kolonialherrscher aus Europa waren nicht die deshalb verdammten Briten, Franzosen oder Portugiesen, sondern eindeutig die Sowjetkommunisten.

      5. Die östlichen Geheimdienste hatten viel mehr Verbindungen zu westlichen Politikern und Bewegungen – etwa zur „Studentenrevolution“ und der mörderischen Baader-Meinhof-Bande –, als diese jemals zugeben wollten. Viele davon sitzen heute in einflussreichen Politologie- und sonstigen Professuren.

      6. Einen wichtigen Beitrag zum Zusammenbruch des Kommunismus hat der von Ronald Reagan und Helmut Schmidt durchgezogene, jedoch von hunderttausenden Linken auf Europas Straßen wild bekämpfte Nato-Nachrüstungsbeschluss gebracht. Die Nachfahren dieser damaligen „Friedensbewegung“ wollen um keinen Preis über ihre eigene Instrumentalisierung durch die osteuropäischen Geheimdienste reden (sie betätigen sich jetzt lieber in der übernächsten Hysterie, nämlich jener, die den Klimatod prophezeit).

      7. Einen weiteren wichtigen Beitrag hat der große polnische Papst Wojtyla geleistet, der heute jedoch in der von einem lateinamerikanischen Kryptokommunisten geleiteten Kirche fast als Persona non grata behandelt wird.

      8. Noch wichtiger war aber die in den 80er Jahren irreversibel gewordene und durch keine Propaganda mehr überdeckbare Erkenntnis der Menschen im Osten selber, dass der „real existierende Sozialismus“ nicht funktioniert, dass er zwangsläufig zu einer Verarmung und Entwürdigung der Menschen führt. Keine Mauer konnte ihnen mehr verheimlichen, wie viel besser und freier es sich in Westeuropa lebte.

      9. Am meisten Kraft zur Erhebung gegen den Kommunismus haben die Menschen aber aus ihrem Nationalbewusstsein gewonnen, aus dem Zusammengehörigkeitsgefühl als Ungarn, als Tschechen, als Polen, als Deutsche, als Litauer usw. Keines dieser Völker wollte mehr von Russen beherrscht werden. Dieser – völlig unaggressive, sondern friedliche – Nationalismus (der im Kernland Polen auch noch betont katholisch ist) war dann in den Jahren nach 1989 auch die entscheidende Kraft, dass diese Völker alle Mühsal des Aufbaus auf sich nahmen.

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