Eros&Harmonie. Christoph Quarch
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Название: Eros&Harmonie

Автор: Christoph Quarch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783967991703

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СКАЧАТЬ href="#ufe4703af-f04d-5ab6-999d-1365522b633f">Kapitel 5) Und im Schlusskapitel (Kapitel 6) wird diese erotischen Lebenskunst mit einigen praktischen und konkreten Anwendungsbeispielen angereichert werden.

      Auf diesem Weg, liebe Leserin und lieber Leser, sind Sie selbst gefordert. Wichtiger als das geschriebene Wort ist Ihr Mit- und Nachdenken – ist, dass Sie das Gelesene im Herzen bewegen und immer wieder zu Ihrer Lebenswirklichkeit in Bezug setzen. So sind Sie Gesprächspartner/-in und Mitautor/-in in einem. Lassen Sie uns nun gemeinsam aufbrechen.

      1. Beate, Felicitas, Fortuna Drei Damen, die das Glück bedeuten

      Was ist Glück? – fragen wir noch einmal diese Frage aller Fragen. Aber fragen wir sie richtig! Fragen wir aus der Mitte unseres Herzens, in dessen Tiefe die Antwort verborgen ist, die wir ihm doch erst über den Umweg des Denkens abringen müssen. Machen wir uns frei von allen fertigen und vorgefertigten Antworten, die uns auf der Zunge liegen und in denen wir so gerne von unseren Ratgebern und Lehrern bestätigt werden wollen. Fragen wir ins Offene, auch wenn das bedeutet, dass wir uns dabei selbst in Frage stellen lassen müssen. Fragen ist nicht nur, wie Heidegger sagte, die „Frömmigkeit des Denkens“ (12), Fragen ist überhaupt der Anfang aller Philosophie. Denn Fragen öffnet – und nur wer offen ist, kann Erfüllung finden. Fragen wir also mit dem depressiven Fuchs aus Selma, fragen wir mit allen aufrichtigen Glückssuchenden: „Was ist Glück?“ – Und lassen wir uns für einen Augenblick ein auf die Antwort jenes wunderlichen Philosophen, der uns von Jutta Bauer als großer Widder vorgestellt wird:

       Es war einmal ein Schaf. Das fraß jeden Morgen bei Sonnenaufgang etwas Gras, lehrte bis mittags die Kinder sprechen, machte nachmittags etwas Sport, fraß dann wieder Gras, plauderte abends etwas mit Frau Meier, schlief nachts tief und fest. Gefragt, was es tun würde, wenn es mehr Zeit hätte, sagte es: „Ich würde bei Sonnenaufgang etwas Gras fressen, ich würde mit den Kindern reden – mittags, dann etwas Sport machen, fressen, abends würde ich gern mit Frau Meier plaudern. Nicht zu vergessen: ein guter, fester Schlaf.“ – „Und wenn Sie im Lotto gewinnen würden?“ – „Also, ich würde viel Gras fressen, am liebsten bei Sonnenaufgang, viel mit den Kindern sprechen, dann etwas Sport machen, am Nachmittag Gras fressen, abends würde ich gerne mit Frau Meier plaudern. Dann würde ich in einen tiefen festen Schlaf fallen.“

      So die Geschichte von Selma, dem Schaf, geschrieben 1997. Als habe er diese Geschichte antizipiert, verfasste mehr als 100 Jahre zuvor einer, der sich selbst gern als den Philosophen des 21. Jahrhunderts bezeichnete, einen Abschnitt, der sich wie eine Entgegnung auf Jutta Bauers ländliche Idylle liest: Im ersten Abschnitt seiner Unzeitgemäßen Betrachtung „Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben“ schreibt Friedrich Nietzsche:

      Betrachte die Heerde, die an dir vorüberweidet: sie weiss nicht was Gestern, was Heute ist, springt umher, frisst, ruht, verdaut, springt wieder, und so vom Morgen bis zur Nacht und von Tage zu Tage, kurz angebunden mit ihrer Lust und Unlust, nämlich an den Pflock des Augenblickes und deshalb weder schwermüthig noch überdrüssig. Dies zu sehen geht dem Menschen hart ein, weil er seines Menschenthums sich vor dem Thiere brüstet und doch nach seinem Glücke eifersüchtig hinblickt – denn das will er allein, gleich dem Thiere weder überdrüssig noch unter Schmerzen leben, und will es doch vergebens, weil er es nicht will wie das Thier. Der Mensch fragt wohl einmal das Thier: warum redest du mir nicht von deinem Glücke und siehst mich nur an? Das Thier will auch antworten und sagen, das kommt daher dass ich immer gleich vergesse, was ich sagen wollte – da vergass es aber auch schon diese Antwort und schwieg: so dass der Mensch sich darob verwunderte. (13)

      Nietzsche, der selbst ernannte „Philosoph mit dem Hammer“, zertrümmert in diesem Passus mit einem gezielten Schlag unsere Selma-Idylle: Das Glück des Tieres ist eine Illusion – es ist das Glück der Geschichts- und Zeitlosigkeit oder wenigstens doch das Glück des Vergessens. Der Mensch aber vergisst nicht so leicht. Er ist ein zeitliches und geschichtliches Wesen und wird deswegen nie das einfache Glück einer Selma teilen können. Dagegen mag man einwenden, dass dies im Ganzen sicher zutrifft – dass wir es aber ungeachtet dessen doch darauf anlegen können, uns wenigstens für einen Augenblick einmal an den „Pflock des Augenblicks“ zu legen: ganz im Hier und Jetzt zu sein und eben darin die Zeit- und Geschichtslosigkeit des Tieres zu teilen. Tatsächlich legen nicht wenige spirituelle Lehrer ihren Adepten diese Strategie nahe – und wir werden sehen, dass sie nicht unrecht daran tun. Und doch ist es gut, sich klarzumachen, dass sich damit ein Konzept von Glück verbindet, das sich vorderhand nicht am menschlichen, sondern am tierischen Leben ausweisen lässt – ein sonderbares Glück, das uns abverlangt, all das auszublenden, was landläufig den Menschen vom Tier unterscheidet und ihm gegenüber seine Würde begründet:

       Bewusstsein: die Fähigkeit, sich zu sich selbst ins Verhältnis zu setzen

       Zeitlichkeit: das Vermögen, zu erinnern und vorauszuschauen

       Identität: das Wissen um die Kontinuität des eigenen Daseins

       Freiheit: die Ungebundenheit vom Unmittelbaren

      Stattdessen: Bewusstlosigkeit, Zeitlosigkeit, Identitätslosigkeit und Gebundenheit an das Jeweilige, Je-Tunliche, Je-Anstehende. Und – merkwürdig genug – dennoch blicken wir, wie Nietzsche formuliert, eifersüchtig nach diesem Glücke hin, verspricht es doch Freiheit von Schmerz und Überdruss. Offenbar ist es genau dies, was am Tier zu sehen den Menschen „hart angeht“, weil er in seiner Glückssehnsucht davon träumt und doch weit davon entfernt bleibt. Denn wo ist der Mensch, der nicht von Langeweile gemartert ein Selma-Leben führen würde: Gras fressen, mit den Kindern reden, Sport treiben, Gras fressen, plaudern – von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr? Hier wird deutlich, dass wir über unser Menschsein nachdenken müssen, wenn wir verstehen wollen, was menschliches Glück ist. So müssen wir uns fragen, was es über unser Bild von uns selbst sagt, wenn wir auf die Idee kommen, das Glück außerhalb unserer eigenen Existenz zu suchen: bei Tieren oder auch – vor allem in früherer Zeit – bei Göttern?

      Götter und Tiere haben eines gemeinsam, das sie vom Menschen unterscheidet: Zeitlosigkeit. Für die alten Griechen war es selbstverständlich, dass die Götter die Unsterblichen sind: diejenigen, denen nicht irgendwann die Stunde schlägt, diejenigen, die nicht den Gesetzen von Alter und Verfall preisgegeben sind, sondern sich in ewiger Jugend ihres Daseins freuen. Frei sind sie von Überdruss und Schmerzen, denn fremd ist ihnen das Wissen vom Ende, der Begrenztheit der Zeit. Wohl wissen sie um ihre Unsterblichkeit, sie sind sich ihrer selbst bewusst, und eben deshalb haben sie Geschichte – eben deshalb können wir Geschichten von ihnen erzählen. Das Glück der Götter ist nicht geschichtslos, da es nicht bewusstlos ist. Aber es ist zeitlos, da ihnen die Zeit nichts anhaben kann. Das ist beim Tier anders: Die Zeitlosigkeit des Tieres gründet in seiner – mutmaßlichen – Geschichts- und Bewusstlosigkeit. Eine Selma kann sich nicht zu sich selbst ins Verhältnis setzen und weiß deshalb nicht, dass sie eine Identität hat, die sich vom eben ins gleich fortschreibt. Sie vergisst, wie Nietzsche sagt, jeden Augenblick den vorherigen – kurz angebunden, unfähig aufzublicken und festzustellen, dass sie eine Geschichte hat.

      Wenn wir uns das Glück in Gestalt einer Selma ausmalen, dann blenden wir diesen Aspekt aus. Wir tun so, als könne Selma befragt werden und im Lotto gewinnen. Wir stellen uns vor, sie verfüge über Bewusstsein und sei doch aller Schmerzen und allen Überdrusses enthoben. Kurz: Wir dichten ihr ein Glück an, das nicht menschlich ist und das traditionell eher als das Glück der Götter denn als das Glück der Tiere gedacht wurde. Damit sind wir mitten hineingeworfen ins Schlamassel unserer Begrifflichkeit. Zwar haben wir uns angewöhnt, beim zeitlosen Glück der Götter von „Glück“ zu reden, doch wäre es präziser, dafür andere Begriffe zu verwenden, die nur leider (sicher nicht zufällig) aus der Mode СКАЧАТЬ