Das Raunen und Tuscheln der Wüste. Bell Gertrude Lowthian
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Название: Das Raunen und Tuscheln der Wüste

Автор: Bell Gertrude Lowthian

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги о Путешествиях

Серия: Die kühne Reisende

isbn: 9783843805230

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СКАЧАТЬ Flussufer war Leben. Der Boden war mit frischem Gras und gelben Tausendschön bedeckt, das rostfarbene Kleid der Tamariskensträucher ließ erste Anzeichen von Frühling erkennen. Ich trabte zu der großen Brücke mit dem seitlichen Gitterwerk und dem Balkendach, es ist das inspirierendste Bauwerk der Welt, denn es ist das Wüstentor. Und da lag auch der Platz, wie ich ihn in Erinnerung hatte, mit kurzem Gras bedeckt, von hohen Ufern geschützt und, dem Himmel sei Dank!, leer. Wir hatten uns wegen dieses Brückenkopfes Sorgen gemacht. Gerade zu jener Zeit zog die türkische Regierung alle verfügbaren Truppen zusammen, um den Aufstand im Jemen niederzuschlagen. Die südsyrischen Regimenter marschierten über diese Brücke in Richtung Amman, wo sie in Eisenbahnzüge verladen und mit der Hedschasbahn zur damaligen Endstation Maan bei Petra verfrachtet wurden. Von Maan aus mussten sie einen furchtbaren Marsch durch eine Sandwüste zurücklegen, bis zur Spitze des Golfes von Akabah. Hunderte von Männern und tausende Kamele starben, ehe sie dort ankamen, auf der ganzen Strecke (sagen die Araber) gibt es nur drei Brunnen, einer davon liegt etwa zwei Meilen abseits der Straße, wer das Land nicht kennt, wird ihn nicht finden.

      Wir schlugen die Zelte auf, banden die Pferde an und entzündeten aus Tamarisken- und Weidenzweigen ein gewaltiges Freudenfeuer. Die Nacht war bewölkt und völlig still, in den Hügeln regnete es, bei uns nicht – die jährliche Niederschlagsmenge im Jordangraben beträgt wenige Zentimeter. Ganz allein waren wir allerdings doch nicht. Die türkische Regierung erhebt nämlich von allen, die die Brücke überqueren, eine kleine Gebühr, daher ist dort ein Wächter stationiert. Er lebt in einem Lehmhüttchen am Brückentor, ein oder zwei zerlumpte Araber aus dem Ghor teilen seine Einsamkeit. Einer war ein grauhaariger Neger, der Holz für unser Feuer sammelte und zum Dank den Abend mit uns verbringen durfte. Er war ein fröhlicher Geselle, dieser Mabuk, und tanzte vergnügt ums Lagerfeuer, ganz unbeschwert von der Tatsache, dass kein zweiter Mensch auf Gottes weiter Erde so missgestaltet sein konnte wie er. Er erzählte uns von den Soldaten, dass sie in Lumpen zur Brücke kamen, dass ihnen die Stiefel von den Füßen fielen, und das am ersten Tag des Marsches! Außerdem waren sie halb verhungert, diese armen Kerle. Am Morgen war ein Tabur (900 Mann) durchgekommen, wir hatten die Redifs, die türkische Miliz, gerade verpasst – für morgen wurden weitere erwartet. »Maschaallah!«, sagte Mikhail, »Eure Exzellenz sind vom Glück begünstigt. Erst entkommt ihr den Schlammgruben, dann den Redifs.« »Gott sei gepriesen«, murmelte Mabuk. Von diesem Tag an galt als ausgemacht, dass ich unter einem glücklichen Stern reiste. Von Mabuk hörten wir den ersten Wüstenklatsch. Unentwegt sprach er von Abdullah Ibn Rasheed, dem jungen Führer der Schammar, dem sein mächtiger Onkel als unbequemes Erbe Land in Zentralarabien hinterlassen hat. Zwei Jahre lang hatte ich nichts mehr aus Nejd gehört; wie stand es um Ibn Saud, dem Herrscher von Riyadh, Ibn Rasheeds Rivalen? Was war mit dem Krieg, den sie gegeneinander führten? Mabuk hatte viele Gerüchte gehört; Männer hatten gesagt, dass Ibn Rasheed in großer Not sei, vielleicht, wer weiß?, waren die Redifs auf dem Weg nach Nejd und nicht nach Jemen. Und hatten wir schon gehört, dass die Ajarmeh den Scheich der Sukhur ermordet hatten, und dass, sobald der Stamm von den Weiden im Osten zurückkehre … Es waren die uralten Geschichten von Blutrache und Kamelraub, das Raunen und Tuscheln der Wüste – ich hätte vor Freude weinen können, das alles wieder zu hören. An meinem Lagerfeuer herrschte an jenem Abend ein Babel arabischer Sprachen, Mikhail sprach die vulgäre, gänzlich würdelose Sprache Jerusalems, Habib, atemberaubend schnell, einen Dialekt des Libanons, Muhammed das gedehnte, langsame und monotone Beirutisch, und der Neger sprach etwas, das der virilen, schönen Sprache der Beduinen ähnelte. Auch die Männer staunten über die Unterschiede in ihrer Sprache, einmal wandten sie sich zu mir und fragten, welche die richtige sei. Ich konnte nur antworten, »Das weiß Gott allein!, denn Er ist allwissend!«, was mit Lachen quittiert wurde. Ich gestehe allerdings, dass ich mich dabei nicht ganz wohl fühlte.

      Der nächste Tag begann windstill und grau. Grundsätzlich sollten zwischen meinem Aufwachen und dem Aufbruch der Maulesel anderthalb Stunden liegen, manchmal brachen wir zehn Minuten früher auf, manchmal, leider!, etwas später. Ich verbrachte die Zeit im Gespräch mit dem Brückenwächter, der aus Jerusalem stammte. Meinen mitfühlenden Ohren vertraute er seine Sorgen an, die üblen Tricks, mit denen die osmanische Regierung ihn zu betrügen pflege, und die furchtbare Last der Existenz in der Hitze des Sommers. Und der Lohn!, wenig mehr als nichts! Seine Einnahmen waren allerdings höher, als er einzuräumen bereit war, denn später entdeckte ich, dass er mir für jedes meiner sieben Tiere nicht zwei, sondern drei Piaster berechnet hatte. Es ist einfach, mit Orientalen im besten Einvernehmen zu sein, und wenn ihre Freundschaft einen Preis hat, ist er meist sehr niedrig. Also überschritten wir den Rubikon für drei Piaster pro Kopf und nahmen die nördliche Straße nach Salt. Die südliche führte nach Madeba in Moab, die mittlere nach Heshban, wo Sultan ibn Ali id Diab ul Adwan lebt, Scheich aller Belka-Araber und ein wahrer Schurke. Die Ostseite des Jordangrabens ist erheblich fruchtbarer als die Westseite. Von den schönen Hängen des Ajlun fließt genug Wasser, um die Ebene in einen Garten zu verwandeln, aber es gibt keine Wasserspeicher und die Araber der Adwan-Stämme begnügen sich damit, ein wenig Getreide anzubauen. Noch blühte nichts, Ende März aber verwandelt sich der östliche Ghor in einen bunten, wunderbaren Blütenteppich. Wegen der Gluthitze in diesem Tal ist nach einem Monat alles vorbei, die Pflanzen haben nur diesen einen Monat, um zu knospen, zu erblühen und ihre Samen auszustreuen.

      Ein zerlumpter Araber zeigte uns den Weg. Er war hier, weil er sich den Redifs hatte anschließen wollen, ein wohlhabender Einwohner von Salt hatte ihm fünfzig Liras gegeben, damit er als sein Ersatzmann einzieht. Aber an der Brücke musste er feststellen, dass er zu spät kam, sein Regiment war vor zwei Tagen vorbei gezogen. Das tat ihm leid, er wäre gern in den Krieg marschiert (außerdem würde er vermutlich die fünfzig Liras zurückgegeben müssen), aber seine Tochter werde sich freuen, sagte er. Sie habe geweint, als er fort ging. Er blieb stehen und zog einen seiner Lederschlappen aus dem Schlamm.

      »Im nächsten Jahr, wenn es Gott gefällt«, sagte er, als er mich wieder eingeholt hatte, »fahre ich nach Amerika.«

      Erstaunt betrachtete ich die halbnackte Gestalt. Die Schuhe fielen ihm von den bloßen Füßen, das zerrissene Gewand glitt von der Schulter, er trug die Kopfbedeckung der Wüste, ein mit einem Kamelhaarseil befestigtes Tuch.

      »Sprichst du Englisch?«, fragte ich.

      »Nein«, antwortete er ruhig, »aber in einem Jahr habe ich das Geld für die Reise zusammen, denn bei Gott, hier ist kein Fortkommen!«

      Ich fragte ihn, was er in den Vereinigten Staaten tun wolle.

      »Kaufen und verkaufen«, sagte er; »und wenn ich 200 Liras gespart habe, komme ich zurück.«

      Diese Geschichte hört man überall in Syrien. Jahr für Jahr brechen Hunderte auf, und wohin sie auch kommen, überall finden sie Landsleute, die ihnen helfen. Sie bieten auf der Straße billige Waren an, schlafen unter Brücken, ernähren sich von einer Kost, die niemand aus freien Stücken zu sich nehmen würde. Sobald sie um die 200 Liras haben, kehren sie in die Heimat zurück, damit sind sie in den Augen ihres Dorfes reiche Männer. Östlich des Jordans wandern nicht so viele aus, aber einmal hielt ich in den Hauranbergen einen Drusen an, um ihn nach dem Weg zu fragen, und er antwortet mir in reinstem Yankee-Englisch. Ich hielt mein Pferd an, während er mir seine Geschichte erzählte, am Ende fragte ich ihn, ob er zurückgehen werde. Er stand knietief in Schlamm und Schneematsch, sah auf die Steinhütten seines Dorfs: »Und ob!« antwortete er, und als ich mich abwandte, rief er mir ein fröhliches »So long!« nach.

      Nach einem zweistündigen Ritt erreichten wir die Berge und nahmen den Weg durch ein enges, gewundenes Tal, das mein Freund, nach dem gleichnamigen Stamm, Wadi el Hassaniyyeh nannte. Es war voller Anemonen, weißem Ginster (die Araber nennen ihn Rattam), Zyklamen, Traubenhyazinthen und wilden Mandelbäumen. Für Pflanzen ohne Nutzen, so schön sie sein mögen, hat das Arabische keine Namen; sie sind alle hashish, Gras; andererseits benennt und unterscheidet ihre Sprache noch das kleinste Pflänzchen, sofern es von Nutzen ist. Der Weg, wenig mehr als ein Ziegenpfad, stieg langsam an. Unmittelbar bevor wir in den Nebel eintauchten, der den СКАЧАТЬ