Neues von Gestern. Georg Markus
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Название: Neues von Gestern

Автор: Georg Markus

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783902998545

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СКАЧАТЬ des letzten Kaisers in einem Museum mit dem Titel »Altösterreich« nebst anderen Kuriosa und Denkwürdigkeiten der k. u. k. Monarchie ausgestellt werden sollte. Zumal der Kaiserwagen ein Sinnbild »für die liebenswürdige Form des österreichischen Zusammenbruchs« sei.

      Die Geschichte ereignete sich in den letzten Tagen der Donaumonarchie, Anfang November 1918. Victor Adler, der Führer der österreichischen Sozialdemokratie, litt an Herzschwäche, Asthma und Wassersucht, seine angeschwollenen Beine mussten mehrmals täglich bandagiert werden. Obwohl der einstige Armenarzt ganz offensichtlich am letzten Wegstück seines Lebens angelangt war, erlaubte es ihm die Staatskrise nicht, sich zurückzuziehen. Hier eine Besprechung mit dem k. u. k. Außenminister, da vermittelnde Worte mit revolutionären Gruppierungen, in Schönbrunn fast täglich eine Unterredung mit dem Kaiser.

      Der Monarch, der in den Gesprächen mit Victor Adler die letzte Chance zur Rettung seines sechshundert Jahre alten Reichs sah, bemühte sich, dem todkranken Mann die Koordination seiner vielen Termine zu erleichtern.

      »Ich lasse Sie heute Nachmittag mit dem Wagen aus der Stadt holen«, bot Kaiser Karl dem Führer der Sozialdemokraten an, »und später wird Sie der Chauffeur wieder nach Hause bringen.«

      Victor Adler schüttelte seinen Kopf und blieb verlegen vor dem Monarchen stehen. »Das wird nicht gehen«, erklärte er.

      »Ja, warum denn nicht?«, fragte Karl.

      »Majestät, heute kommt mein Bub aus der Strafanstalt Stein zurück …, ich wollte ihn von der Bahn abholen.«

      »Der Bub«, das war Friedrich Adler, Victor Adlers Sohn, der vier Jahre zuvor den k. u. k. Ministerpräsidenten Karl Graf Stürgkh im Hotel Meißl und Schadn erschossen hatte. Kaiser Karl hatte den zu lebenslanger Haft Verurteilten wenige Tage davor begnadigt.

      »Aber das macht doch nichts«, erklärte der Monarch. »Holen Sie ihn mit dem Auto von der Bahn ab und dann kommen Sie zu mir!«

      Und so war’s dann auch: Victor Adler holte seinen Sohn, den Mörder des Ministerpräsidenten, mit dem »hofgrün« lackierten Wagen des Kaisers von der Bahn ab. Sie fuhren gemeinsam nach Schönbrunn. Und während sein Vater mit Karl I. sprach, wartete der Bub draußen vor dem Schloss im Hofauto.

      Eine Woche später wurden sowohl Victor Adler als auch die österreichisch-ungarische Monarchie zu Grabe getragen.

      Die Forderung von Anton Kuh, das Auto in ein Museum zu stellen, hat sich freilich erfüllt. Auch wenn das Museum nicht den Titel »Altösterreich« trägt – das Hofauto kann heute in der Wagenburg von Schönbrunn besichtigt werden.

NEUES VON FORSCHERN, PIONIEREN UND LEBENSKÜNSTLERN

      EIN FORSCHER NAMENS HÖRBIGER

       Der Vater von Paul und Attila

      Der Name hätte auch dann einen guten Klang, wenn seine Söhne keine bedeutenden Schauspieler geworden wären. Natürlich kann er’s mit der Berühmtheit von Paul und Attila nicht aufnehmen, aber das Leben des Hanns Hörbiger ist so interessant, dass man ihn nicht nur als Vater in Erinnerung behalten sollte. Hanns Hörbiger wurde durch zahlreiche Patente und Erfindungen bekannt, vor allem aber durch die von ihm entwickelte »Welteislehre«.

      So wie es seine beiden berühmten Söhne einem Zufall verdanken, in Budapest zur Welt gekommen zu sein, so wurde auch Hanns Hörbiger 1860 eher zufällig in Wien geboren. Seine Vorfahren stammten allesamt aus Tirol, genau genommen aus der Wildschönau, in der es heute noch die dreihundert Jahre alte Jausenstation Hörbig gibt – deren Name sich vom Wort Herberge ableitet.

      Hanns kam als lediges Kind zur Welt und musste als junger Mann mit ansehen, wie schwer es seine Mutter Amalia Hörbiger hatte, allein für den gemeinsamen Lebensunterhalt zu sorgen. Von seinem Vater wusste er nur so viel, dass er Leeb hieß. Und dieser Umstand führt uns auch schon zu einer Geschichte, die ein Schlaglicht auf Hanns Hörbigers Persönlichkeit wirft.

      Besagter Herr Leeb hatte sich als Orgelschnitzer in der Kirche von Alt-Lerchenfeld in die Tochter des Orgelbauers Alois Hörbiger verliebt. Diese erwartete bald einen Sohn, den sie Hanns nannte. Freilich war Herr Leeb bei dessen Geburt schon über alle Berge.

      Und deshalb entschloss sich Hanns Hörbiger, als er mit 18 Jahren die Maschinenbauschule absolviert hatte, seinem Vater auf die Spur zu kommen. Er fand heraus, dass dieser mittlerweile in Frankreich lebte und machte sich, völlig mittellos, wie er nun einmal war, von Wien aus auf den Weg nach Paris.

      Und zwar zu Fuß!

      Nach wochenlangem Marsch endlich in der Metropole an der Seine angekommen, fragte sich Hanns Hörbiger so lange durch, bis er herausgefunden hatte, in welchem Café ein Orgelschnitzer namens Leeb sein Frühstück einzunehmen pflegte. Er betrat das Lokal, erkundete beim Kellner, wer die bewusste Person sei, ging auf den Tisch zu und sagte zu seinem leiblichen Vater: »Pardon, Monsieur, ist an Ihrem Tisch noch ein Platz frei?«

      Papa Leeb antwortete: »Oui, Monsieur«, und sein Sohn setzte sich. Dann las Leeb in seiner Zeitung weiter. Hanns beobachtete seinen Vater, nahm unterdessen eine Tasse Kaffee zu sich und verabschiedete sich nach einer Viertelstunde. Dann ging’s zurück nach Wien.

      Wieder zu Fuß!

      Abgesehen von der Frage nach der freien Sitzgelegenheit hat Hanns Hörbiger sein Leben lang kein Wort mit seinem Vater gewechselt, er hat ihn auch nie wieder gesehen. Und Herr Leeb hat nie erfahren, dass er einmal mit seinem Sohn an einem Tisch gesessen ist.

      Nach Wien zurückgekehrt, inskribierte der junge Mann an der Technischen Hochschule. Als aber ein wohlhabender Onkel, der ihm das Studium finanzieren wollte, über Nacht am Spieltisch sein Geld verlor und Hörbiger ihn im Armenhaus Zum Blauen Herrgott wieder fand, musste der Maturant frühzeitig ins Berufsleben treten.

      Und er nahm einen außergewöhnlichen Weg. Vorerst technischer Zeichner bei einem Dampfmaschinenhersteller, wurde bald seine besondere Begabung erkannt, so dass man ihn als Konstrukteur in die Erste Brünner Maschinenfabrik holte. Er setzte völlig neue Maßstäbe, die 1894 zur bahnbrechenden Erfindung des ersten reibungsfrei geführten Plattenventils für Pumpen und Kompressoren führte. Hanns Hörbiger war aber auch maßgeblich an der Konstruktion der Budapester U-Bahn beteiligt, wobei der Aufenthalt der Familie während der Planungsarbeiten auch der Grund dafür war, dass seine Söhne Paul und Attila in Budapest zur Welt kamen.

      Die weltweiten Patentrechte des Hörbiger-Ventils machten Hanns Hörbiger wohlhabend, bekannt wurde er freilich durch die von ihm entwickelte Welteislehre.

      Hanns hatte schon als dreizehnjähriger Realschüler sein Bett in den Garten geschoben, um dort mit großer Begeisterung »Himmelsbeobachtungen« anzustellen. Später gelangte er durch Forschungen zu der Auffassung, dass eine riesige Eisschicht der Ursprung unserer Erde gewesen sei. Eine Kollision von Heiß und Kalt hätte demnach eine Explosion hervorgerufen, die die Bildung der Sonne und anderer Planeten zur Folge hatte. Alles irdische Leben, schloss Hanns Hörbiger in seiner Welteislehre, stammte aus dem All.

      Ich selbst verdanke der Welteislehre die Veröffentlichung meines ersten Buches, nämlich der 1979 erschienenen Memoiren seines Sohnes Paul. Die Vorgeschichte war folgende: Der deutsche Filmregisseur Hans Jürgen Syberberg hatte Hanns Hörbiger in einem Club 2 des ORF zum Thema »Hitlers Wurzeln« ins Spiel gebracht. Paul Hörbiger, damals 84 Jahre alt, regte sich über die Unterstellung furchtbar auf und bat mich am Tag danach, die Integrität seines Vaters in einem Zeitungsartikel klarzustellen.

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