Meine Reisen in die Vergangenheit. Georg Markus
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Название: Meine Reisen in die Vergangenheit

Автор: Georg Markus

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783902998538

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СКАЧАТЬ seinem Vater zuteil geworden war.

      Jetty war Geliebte, Freundin, Mutter, Hausfrau, Krankenschwester, sie hielt alles von ihm fern, was den sensiblen König der Wiener Musik hätte deprimieren können. So wurden ihm nur jene Zeitungsausschnitte vorgelegt, in denen er mit Lob bedacht wurde. Das nach außen hin stets »lachende Genie« neigte zu Depressionen und lebte in panischer Angst vor Gewittern und hohen Bergen. In Gegenwart des Hypochonders durfte das Wort »sterben« nicht einmal ausgesprochen werden.

      Zwar unterhielt Johann Strauß auch während seiner ersten Ehe zahlreiche Liebschaften, doch als Henriette nach 16-jährigem Zusammenleben völlig überraschend an den Folgen eines Schlaganfalls starb, war der Musiker zutiefst getroffen. Strauß floh aus Wien und weigerte sich, an der Beerdigung teilzunehmen.

      Er, der nicht eine Minute seines Lebens allein sein konnte, führte seine nächste Frau bereits sechs Wochen nach Jettys Tod zum Standesamt: Ehefrau Nummer zwei hieß Lily, war Gesangsstudentin, um 25 Jahre jünger als der Komponist und das, was man heutzutage ein »Luder« nennen würde. Kaum waren die Flitterwochen vorüber, ging sie mit dem Direktor des Theaters an der Wien durch. »Jean«, der mittlerweile in Ehren ergraute – aber schwarz gefärbte – Lockenkopf, steckte nach Lilys Abgang in einer tiefen seelischen Krise. Erfolglos hat er um sie gekämpft, sie mit allen Mitteln zurückzuhalten versucht. Strauß rührte seine Geige nicht mehr an und schien beruflich am Ende. Während seine Konkurrenten Suppé und Millöcker gerade jetzt einen Erfolg nach dem anderen feierten, wurde seine Nacht in Venedig in Berlin ausgebuht.

      Erst Ehefrau Nummer drei befreite ihn aus der schlimmsten Krise seines Lebens: Adele Strauß war gleich um 31 Jahre jünger als der Walzerkönig, doch wie einst Jetty erwies auch sie sich als Segen für seinen weiteren Werdegang. Sie gab ihm Kraft und verhalf ihm zu neuen künstlerischen Höhen. Zunächst holte sie Die Nacht in Venedig zurück nach Wien, wo die in Berlin nicht verstandene Operette zum gigantischen Erfolg wurde. Versehen mit der für ihn so wichtigen Portion Selbstvertrauen, entstand dann auch noch der Zigeunerbaron.

      Strauß liebte seine dritte Frau so sehr, dass er sich ihretwegen sogar der Bigamie bezichtigen ließ. Da es eine Scheidung im heutigen Sinne nicht gab, konnte er Adele nur auf Umwegen heiraten. Er wurde Staatsbürger des Herzogtums Sachsen-Coburg-Gotha und wechselte zum protestantischen Glauben über. Der Vorgang dauerte Jahre, doch konnte Strauß seine Geliebte in dieser Zeit guten Gewissens bei gesellschaftlichen Anlässen als »Frau Strauß« vorstellen, da sie – durch eine frühere Ehe – zufällig ebenso hieß.

      Neben Jetty, Lily, Adele und den 13 anderen Bräuten fehlte es nicht an weiteren Gspusis. Da tauchte etwa »Comtesse Olga« auf, die Tochter eines russischen Aristokraten, der Schani viele Liebesbriefe sandte, die pikanterweise Strauß-Witwe Adele ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod veröffentlichen ließ. Dann gab’s noch eine Elise, die Sängerin Marie Geistinger und viele andere.

      Seiner Stammtischrunde soll Strauß einmal anvertraut haben: »In jungen Jahren, da habe ich’s so toll getrieben, dass man’s nicht drucken lassen könnt. In Petersburg (wo er zahlreiche Gastspiele absolvierte, Anm.), da habe ich mich so genial aufgeführt, dass die Polizei mich ausweisen wollte und nur hohe Protektion diesen Befehl annullierte.«

      Sei’s drum. Wir verdanken Schanis Eroberungen einige seiner schönsten Melodien. Er hinterließ uns den Adelen-Walzer ebenso wie die Annika-Quadrille, die Josefinen-Tänze, den Fanny-Marsch, die Olga-, Cäcilien-, Elisen- und Helenen-Polka.

      Und bei jeder Note dachte er an ein süßes Abenteuer mit der betreffenden Dame.

      »VOLK DER FREIHEIT, VOLK DER BRÜDER«

       Die andere Bundeshymne

      Um ein Haar hätten die ersten Worte unserer Bundeshymne nicht Land der Berge, Land am Strome gelautet. Sondern Volk der Freiheit, Volk der Brüder. Oder gar Teurer Boden, blutbefleckter. In verstaubten Kisten stießen Beamte des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs im Frühjahr 1995 auf Unterlagen, die ein Stück österreichischer Geschichte dokumentieren. Es geht um die Entstehung unserer Hymne.

      Die Kisten lagen, jahrzehntelang unbeachtet, im Heizkeller des Unterrichtsministeriums auf dem Wiener Minoritenplatz. Archivare, die mit der Vorbereitung einer Ausstellung über die Zweite Republik befasst waren, gingen auf Spurensuche und entdeckten die vier großen Schachteln. Versehen mit der Signatur »24 A«, schlummerte in ihnen ein Akt mit der Aufschrift »Volkshymne«. Man lud mich ein, in den eben aufgetauchten Schatz Einblick zu nehmen.

      Ich sah unbekannte, bisher nie veröffentlichte Beiträge namhafter Autoren, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Vorschläge für den Text einer neuen österreichischen Bundeshymne eingereicht hatten.

      Unter den 1800 Teilnehmern eines öffentlichen Preisausschreibens befanden sich – neben der späteren Siegerin Paula von Preradovic – die Schriftsteller Alexander Lernet-Holenia, Rudolf Henz und Franz Theodor Czokor. Sie haben ihre Texte zu eben jener (mit großer Wahrscheinlichkeit von Mozart stammenden) Melodie der heutigen Bundeshymne geschrieben.

      Greifen wir also hinein in eine der Kisten, und holen wir zunächst den – von einer Jury auf Platz drei gereihten – Hymnenvorschlag des Dichters Alexander Lernet-Holenia hervor:

      Volk der Freiheit, Volk der Brüder,

       Land der Liebe und der Lieder!

      Recht und Frieden, Heil und Glück,

      Freude ohne Ende schenke,

       Alle Deine Wege lenke

       Das allmächtige Geschick!

      Segnet Zeit und Zeitenwende,

      Werk der Geister und der Hände,

       Engel unsres Vaterlands!

      Heiligt Künste und Gesänge,

      Wald und Strom und Rebenhänge,

       Felderfrucht und Erntetanz!

      Keines Menschen Herrn noch Knechte,

      Von Geschlechte zu Geschlechte,

      Brüderlich und frei und gleich,

       Seid vom schönsten Band umschlungen!

      Ungebeugt und unbezwungen,

       Gott mit dir, mein Österreich!

      Der Wettbewerb für eine neue Hymne war am 12. März 1946 von der Regierung unter Bundeskanzler Leopold Figl ausgeschrieben worden. Wie den nun aufgefundenen Unterlagen zu entnehmen ist, sollten die Schöpfer der besten Hymne 10 000 Schilling erhalten, aufgeteilt je zur Hälfte auf den Textdichter und den Komponisten. Wortwörtlich wurde im Akt nach Feststehen des »Siegerteams« vermerkt: »Da der mit der höchsten Punkteanzahl bewertete Hymnenvorschlag zwei Autoren hat (Mozart und Preradovic) wäre der ausgesetzte Preis von 10 000 Schilling zu teilen: 5000 Schilling entfallen auf Punktesieger Preradovic, 5000 Schilling für Musik stehen theoretisch Mozart zu.«

      Messerscharf kombinierten die Ministerialbeamten, dass es Probleme mit der Überweisung des Honorars an den Komponisten geben könnte. Also beschloss man, die verbliebenen 5000 Schilling unter jenen zeitgenössischen СКАЧАТЬ