NOVA Science-Fiction 29. Cory Doctorow
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Название: NOVA Science-Fiction 29

Автор: Cory Doctorow

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783957658852

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СКАЧАТЬ meinte, wir müssten den Menschen ihr Recht auf Endlichkeit, auf Selbsterkenntnis, auf Leiden sogar wiedergeben. Ihr Recht auf ihre identitären Körper – weil die neuen, gesunden Wegwerfkörper, wie er sagte, nicht mehr die Konsequenz hatten, die der Mensch braucht, um zu sein. Weil die Menschen belogen wurden. Er meinte, die Zentralregierung mache uns zu Material, da sie am Hormonhaushalt der neuen Körper drehen konnte. Weniger Rebellion, mehr Leistungsfähigkeit, ja Leistungslust … die »ewigen Schafe«, wie Phil sie nannte, waren nur staatstragende Masse. Keine Menschen, da ihnen die Sicherheit der Endlichkeit genommen worden war. Ihre Menschlichkeit, wie er sagte.

      Vielleicht. War ich, im neuen Körper, ich selbst? Hein hatte gesagt, es wäre wie der Übergang von der Pubertät zum Erwachsenensein – die Überzeugungen, die Gedanken blieben im Grunde gleich. Man käme nur besser mit sich aus, sei glücklicher.

      Nachdem wir die Leeren getötet hatten … Es geschah, wie wir dachten, um die Menschheit aufzurütteln, aber … Zum einen, hatten sie nicht auch ein Recht auf Leben? Auch ohne Bewusstsein?

      Ich hatte nie mit Phil darüber gesprochen, darum ging es ihm nicht, für ihn waren seine Aktionen immer klar definiert, das Ziel stand immer klar vor ihm. »Ich werde den Menschen ihre Heimat zurückgeben, ihre Menschlichkeit.« Davon war er überzeugt, er argumentierte gerne, aber er gab nie nach. »Man muss Eier aufbrechen, um ein Omelett zu machen«, hatte er gesagt. Und sein Schnitzel gegessen.

      Hein gegenüber hatte ich meine Zweifel wegen der Leeren erwähnt, heute, nur als – Überlegung. Er zeigte sich verständnisvoll. Man würde daran arbeiten, die Körper in Gebärblasen bis zum nutzbaren Stadium heranwachsen zu lassen. Ganz ohne Gehirn, kontrolliert von der Zucht-KI. Humaner. Er sagte, er selbst habe diese Zweifel gehabt. Ich schüttelte mich bei der Vorstellung, wie der alte, verhunzte Hein, der Feind, die Menschruine, der Faltenstinker daran zweifelte, ob er seinen Körper aufgeben, wieder vital werden sollte. Oder ob es ethisch eher richtig wäre, zu vergehen. Platz zu machen, der Müdigkeit nachzugeben.

      Auch das war damals nicht ungewöhnlich. Viele der wirklich alten Menschen wählten in der Übergangszeit den Tod. Ich glaube, es war sogar die Mehrzahl. Ja. Es waren jüngere Schwerkranke, die zuerst neue Körper in größeren Mengen anforderten … Bald taten es fast alle – so mit Mitte fünfzig.

      Nun war ich die »letzte Jungfrau«, wie Hein gesagt hatte. Alt. Runzlig. Verhunzt. Eine Jungfrau in Sachen Leben, weil ich mich – noch – nicht für die potenzielle Langlebigkeit entschieden hatte. Die »Existenz«, wie man heute sagt, im Kontrast zur Generationenfolge. Zur »Maschine«. Weil ich, wie die Klone sagen, noch nicht in den Apfel des Lebens gebissen hatte. Ich lachte. Früher bedeutete das Wort »Jungfrau« etwas anderes, aber das ist lange her …

      Ich versuchte, wieder ich zu sein, mit vierzig vielleicht … Lange her. Ich schloss die Augen und sah mich im Spiegel meiner Erinnerung. Ich war hübsch. Anziehend. Ich fühlte die Sonne auf meinem Gesicht, dem echten, auf den Konturen, die ich von früher kannte, die ich besser kannte als mein jetziges … Erscheinungsbild. Das mein echtes Antlitz unter sich begraben hatte. Es war gar nicht so schwer. Ich durfte mich nur nicht bewegen. Meine Bewegungen waren so … schwerfällig geworden. Ich – merkte, dass Hein recht hatte. Es war mein Körper, mein naturgegebener Körper, der mich gegen meinen Willen veränderte …

      Außerhalb existieren Kolonien, manche sagen, ganze Länder, die sich gegen die Transplantation entschieden haben, wo es noch Generationen gibt. Phil hatte im Prozess alle Schuld übernommen. Viele forderten für ihn die Todesstrafe, als Rädelsführer. Leute, die wegen der plötzlichen Knappheit – damals gab es noch keinen Leerkörperüberschuss wie heute, keine älteren Leeren, die als Notkörper dienen konnten – Menschen verloren hatten. Kranke Verwandte, Partner – damals glaubte man ja noch, diese Dinge würden über die Transplantationen hinaus bestehen. Nun ja, manchmal stimmte es wohl auch …

      Die Rechts-KI wies damals darauf hin, dass die Todesstrafe vor langer Zeit abgeschafft worden war und empfahl, Phil zu verbannen. Der Vorschlag wurde angenommen, wobei viele murrten. Mit ihm gingen die meisten aus unserer Gruppe. Meine Beteiligung blieb mein Geheimnis. Er verriet niemanden. Gruppenmitglieder, die die Polizei nicht verhaftet hatte, meldeten sich entweder aus freiem Willen und zogen mit ihm fort oder sie blieben unerkannt und unverfolgt, unbelastet zurück. Wie ich.

      Phil und die anderen sollen irgendwo in der Außenwelt eine Stadt oder einen Staat gegründet haben. Wäre ich dort glücklicher? Würde ich dort … zufrieden, selig sterben, nach einem erfüllten Leben? Ich weiß es nicht … Dort werden noch Kinder geboren. Dort verwelken die Körper noch. Würde die Sorge für die Kinder, für das Ganze, mir das Alter erleichtern? Phil meinte, das wäre so, weil die Menschheit wichtiger ist, die Evolution. Das Individuum sei nur, auf wundervolle Weise, ein Funken, eine Explosion. Und diese Explosion feiere man, indem man die Generationenfolge über sich stelle. Die Sorge für die Kinder, die Kranken, die Alten. Die Bedürftigen. Auch wenn das nur die »praktische Seite der Wahrheit« sei, wie er meinte. Er sagte, die Menschheit als Ganzes, das Leben, habe ein eigenes Bewusstsein, über dem unseren, an das keine KI je herankäme. Aber ich eben auch nicht …

      Damals liebte ich Phil. Ich wollte für ihn der Preis sein, den die Welt, die Natur ihm schenkt, für seine Mühen, sein Engagement. Aber … Das Erlebnis in der Zuchtfarm, mit diesen jungen Leeren, änderte alles. Phil hatte viele Kinder, von verschiedenen Frauen. Ich wollte fast nie Kinder haben, nach meiner ungewollten Schwangerschaft, damals – auch wenn es sicher in jedem Leben Momente gibt, in dem man sich die Standarddinge wünscht. Ich musste lachen.

      Der Fortpflanzungsstandard existierte bei uns ja ohnehin nicht mehr. Die Kassenmodelle waren seit jeher steril. Konnte man sich überhaupt ein fruchtbares Sondermodell kaufen?

      Ich hatte länger nicht mehr an Jahn gedacht. Ihn lernte ich kurz nach meinem Bruch mit den »Freunden des Zyklus« kennen, während Phils Verhandlung. Er war einfach da. Plötzlich, irgendwo, mit seinem schiefen Lächeln. Wir trafen uns eine Weile, redeten die Tage und Nächte durch. Ich erzählte ihm alles. Er hörte zu. Fand Phils Meinungen …

      Er fand sie, glaube ich, dumm. »Das ist kurz gedacht«, sagte er oft. Und dann argumentierte er. Langsam. Schmerzhaft detailliert. Ich verteidigte Phil immer wieder, aber auch mit Zweifeln im Herzen. Jahn meinte, die »Beleidigung durch die Sterblichkeit« wäre eine Art … Droge für das menschliche Bewusstsein. Er, sagte er, umarmt die Möglichkeit … zu existieren. Dauerhaft. Für ihn war das einzige Argument gegen die Transplantation das Problem der fraglichen Identität. Ist eine Person in einem neuen Körper noch identisch mit sich selbst?

      Die Frage, sagte er, sei gut; aber bleiben wir im Laufe der Jahre wir selbst? Verändert sich der Hormonhaushalt nicht? Was ist mit den nicht gleichbleibenden Erfahrungsmöglichkeiten? Manchmal sagte Jahn einfach Gemeinplätze vor sich her, wie »Die Welt ist nicht ideal«. Ich erinnere mich. Direkt danach meinte er: »Die Zyklusfreunde haben aber wohl das Bedürfnis, sie als ideal anzunehmen – da sie korrekt angepasst sein wollen.« Ich verstand, was er meinte. Phil und die anderen waren Kinder, die an ihre Menschheit glauben wollten. Ihre Heimat.

      Jahn dachte weiter. Er redete mit mir über die Zukunft, hypothetisierte. Sollten die Körper dauerhafter sein? Wie wäre es, wenn man sich in einen künstlich-technischen Bewusstseinsträger verpflanzen könnte – wäre es besser, könnte das Gehirn ersetzt werden, als Träger? Jahn, er war etwa in meinem Alter, hätte sich sicher für die Transplantation entschieden, hatte es sicher schon getan. Doch die Option wurde ihm genommen. Ich sah in ihm fast einen neuen Partner. Er half mir, mich von Phils Ideologie abzuwenden, aber dann …

      Der Unfall war brutal, unerwartet. Nichts blieb von seinem Körper übrig, es war keine Nottransplantation möglich. Von allen Menschen, die ich kannte, war Jahn vielleicht der, der am … hellsten СКАЧАТЬ