Die Enkel der Tante Jolesch. Georg Markus
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Название: Die Enkel der Tante Jolesch

Автор: Georg Markus

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783902998514

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СКАЧАТЬ ich in dem druckfrischen Werk und blieb bei dem ein wenig eigentümlich anmutenden Beitrag »Irritationen des Lebens«, verfasst von Franz Olah, hängen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Autoren war der ehemalige Innenminister und Gewerkschaftspräsident jedoch nicht anwesend.

      Hatte er überhaupt einen Beitrag für dieses Buch geschrieben?

      Und wenn nicht: Wer war dann der geheimnisvolle Autor des Kapitels, über dem »Franz Olah« stand?

      Nun, im burgenländischen Markt Deutschkreutz lebt ein Bundesbahnbeamter gleichen Namens, der auf äußerst sonderbare Weise zum Weigel-Chronisten wurde: Franz Olah, 35 Jahre alt und am Kartenschalter des Bahnhofs Wr. Neustadt tätig, erhielt ein Jahr vor Erscheinen des Buches – wie wir alle, die sich an Weigel erinnern sollten – einen Brief des steirischen Verlagshauses, mit der Bitte, einen Beitrag zum 90. Geburtstag des verstorbenen Literaturpapstes zu schreiben.

      »Ich hab mich eh sehr g’wundert«, sagte Olah, der Bahnbeamte, als ich ihn nach der Präsentation des Buches ausfindig machte. »Ich hab mich g’wundert, weil ich den Weigel weder gekannt noch je etwas von ihm gelesen habe.«

      Daher nahm der biedere Beamte das Verlagsschreiben zunächst nicht weiter ernst und legte es beiseite.

      Bis nach einigen Monaten ein weiterer Brief kam, diesmal mit der dringlichen Anfrage, wann endlich mit dem Manuskript zu rechnen wäre.

      Worauf er an der Sache Geschmack zu finden begann. Wer hat schon Gelegenheit, seinen Namen nebst so illustren Persönlichkeiten in einem Buch wiederzufinden? Also las Herr Olah (der mit dem Politiker weder verwandt noch verschwägert ist) in Weigels Werken nach. Und verfasste ein Kapitel, das er dem Verlag schickte und das dann auch tatsächlich so erschienen ist.

      Im Verlag suchte man, als ich die Verwechslung in einem Zeitungsartikel »aufgedeckt« hatte, eine Erklärung für die ein wenig peinliche Angelegenheit.

      Die da lautete: Eine Mitarbeiterin war beauftragt worden, Franz Olahs Adresse herauszufinden. Als man ihr bei der Telefonauskunft die Adresse des Herrn in Deutschkreutz nannte, begann die Posse ihren Lauf zu nehmen.

      Immerhin kommt »der falsche Olah« auf zwei Buchseiten zu dem Schluss: »Nehmen wir den 90. Geburtstag Hans Weigels zum Anlass, darauf hinzuweisen, welche Werte in den Werken der österreichischen Dichtung und vor allem in den Werken Hans Weigels liegen.«

      Tatsächlich. Welche Werte liegen dort. Der Nestroy, der Qualtinger und der Weigel selbst sind wohl am Tag der Buchpräsentation auf einer Wolke gesessen und haben sich gefreut, dass in Österreich alles so geblieben ist, wie sie’s immer so trefflich beschrieben hatten.

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      Hans Weigels »Watschenaffäre« wurde zwar vielfach beschrieben, wir wollen ihr aber hier noch die eine oder andere der Tante Jolesch adäquate Facette anfügen. Die Schauspielerin Käthe Dorsch hatte dem Kritiker 1956 bekanntlich – nachdem er sie für damalige Weigel-Verhältnisse ohnehin eher sanft verrissen hatte – auf offener Straße eine schallende Ohrfeige verpasst. Worauf Weigel sie klagte. Der Ausrutscher hätte gar nicht so viel Aufsehen erregt, wäre Käthe Dorsch nicht Wiederholungstäterin gewesen – sie hatte vor Weigel schon den deutschen Kritiker Harich geohrfeigt.

      Vergleichsweise milde kam ein anderer Journalist davon, der aus Anlass von Käthe Dorschs angeblich 65. Geburtstag einen Artikel verfasst hatte. Teilte die Schauspielerin dem Interviewer doch nach Erscheinen der Würdigung in einem groben Brief mit, »um einige Jahre jünger« zu sein, als von ihm angegeben. Als der Redakteur nun höflich anfragte, um wie viele Jahre er sich geirrt hätte, antwortete die Dorsch: »Genug Jahre, um Ihnen, in Ohrfeigen ausgezahlt, die Lust am Schreiben zu nehmen!«

      Wahr ist, dass Käthe Dorsch, Jahrgang 1890, bei Erscheinen des Zeitungsberichts nicht 65, sondern 64 Jahre alt war.

      Um aber aufzuzeigen, welch enorme Bedeutung Schauspieler ihrem eigenen Beruf beimessen, muss hier die Aussage Raoul Aslans, der in der »Watschenaffäre« Dorsch vs. Weigel als Zeuge einvernommen wurde, zitiert werden. Forderte der große Mime doch mit vollem Ernst und dem der Angelegenheit angemessenen Pathos vor Gericht »die Todesstrafe für Hans Weigel«.

      Verurteilt wurde dann aber doch die Dorsch, und zwar »zu einer Geldstrafe von S 500,-, im Nichteinbringungsfalle drei Tage Arrest«.

      Weigel wurde in den Redaktionen, für die er schrieb, nicht nur wegen der brillant formulierten Schärfe seiner Kritiken geschätzt, sondern auch wegen deren pünktlicher Ablieferung. »Wenn ich mein Manuskript für 12 Uhr versprochen habe«, sagte er, »und es ist um 12.01 Uhr noch nicht da, können Sie schon die Parte aufsetzen lassen.«

      Ich wäre, ehrlich gesagt, nicht gern Schauspieler in den Tagen der Torberg’- und Weigel’schen Vernichtungsfeldzüge gewesen (es konnte ja auch kein Trost sein, dadurch einmal in die Geschichte der Literaturkritik Eingang zu finden). Als ich die beiden Kritikerpäpste viel später dann kennen lernte, zeigten sie sich als gütige ältere Herren, die keiner Fliege etwas zuleide hätten tun können.

      Geschweige denn einem Schauspieler.

      Am Ende des Kapitels lasse ich noch einmal Friedrich Torberg zu Wort kommen. Mit einer Aussage, die – stammte sie nicht von ihm selbst – in die Zitatensammlung seiner »Tante Jolesch« gepasst hätte. Gelangte er doch, als man den so ungesund Lebenden gefragt hatte, ob es nicht vernünftig wäre, Nikotin- und Koffeingenuss einzuschränken, zu der Erkenntnis:

      »Ich rauche, trinke schwarzen Kaffee, schlafe zu wenig, mache zu wenig Bewegung und bin auf diese Weise 70 Jahre alt geworden. Vielleicht wäre ich bei gesünderer Lebensführung heute schon 75 oder 80, aber das lässt sich schwer feststellen.«

      Es war die letzte Torberg-Pointe, die uns überliefert ist. Eine Pointe, bei der man, wie so oft bei ihm, nicht recht wusste, ob man lachen oder weinen soll.

      Denn er starb wenige Monate später, gerade 71 Jahre alt, an den Folgen einer Thrombose.

      »BIS DER BUB IN PENSION

      GEHEN KANN«

       Die Nachfolger des Dr. Sperber

      Zu den populärsten Figuren der »Tante Jolesch« zählt der Wiener Rechtsanwalt Dr. Hugo Sperber, dessen Werbeslogan geradezu Kultstatus erlangte:

      »Räuber, Mörder, Kindsverderber,

       Gehen nur zu Doktor Sperber.«

      Sage mir keiner, es hätte nach dem Krieg in Wien keinen zweiten Doktor Sperber gegeben. Sperber II. hieß Dr. Michael Stern und ist heute fast so legendär wie das Original. Auch für ihn gab’s einen Werbespruch, der freilich von Karl Farkas stammte und von diesem in einer »Simpl«-Conférence verbreitet wurde:

      »Bleibst du gern dem Häfen fern,

       Nimm dir nur den Doktor Stern.«

      Stern hat eine außergewöhnliche Biografie, war er doch einer von dreißig jüdischen Rechtsanwälten, die man nach 1938 weiter als »Rechtskonsulenten« in Wien arbeiten ließ. Dass er bis Kriegsende »nichtarische Klienten« vertreten durfte, verdankte Stern der Ehe mit seiner nichtjüdischen Frau Edith, die sich trotz des enormen Drucks, der auf sie ausgeübt wurde, standhaft weigerte, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen und ihn damit vor der sicheren Verfolgung schützte.

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