Mein Leben für Amazonien. Erwin Kräutler
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Название: Mein Leben für Amazonien

Автор: Erwin Kräutler

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783702233884

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СКАЧАТЬ Rom gewesen sei, habe ich gesagt: Ich kann mit großer Freude und mit dem Ausdruck tiefer Dankbarkeit berichten, dass Papst Johannes Paul II. mich auf meinem Weg, den ich mit dem Volk Gottes am Xingu gehe, bestätigt hat. Er hat mir gesagt, gehen Sie diesen Weg weiter. Damit war der Eindruck aus der Welt geschafft, dass der Papst nur den konservativen Weg bestätigt hätte.

      Beim Ad-Limina-Besuch 1990 hat Johannes Paul II. mir dann nicht mehr gesagt, gehen Sie Ihren Weg weiter, sondern tragen Sie Ihr Kreuz weiter. Bei den weiteren Besuchen in Rom hat mir der Papst nichts ausdrücklich Persönliches mehr gesagt. Im Jahr 2003 war Johannes Paul II. schon so krank, dass er mir leid getan hat. Ich hätte eine Viertelstunde Zeit gehabt für das Gespräch mit ihm. Aber er war alt und krank, zittrig, erschöpft und ausgelaugt. Da hätte ich es als Zumutung empfunden, wenn ich ihn mit meinen Ausführungen belästigt hätte. Ich habe ein paar Worte auf Polnisch gesagt, und er war ganz glücklich. Wo ich denn Polnisch gelernt habe, wollte er wissen. Da habe ich ihm erzählt, dass einmal ein polnischer Priester in meiner Diözese gewesen sei, und von dem hätte ich ein paar Worte gelernt. Da fragte der Papst: „Ein guter Priester?“ Ich habe ihm jedoch nicht erzählt, dass diese Einschätzung nicht ganz zutreffend war …

      In den Jahren, als er gesundheitlich noch rüstig war, hat Johannes Paul II. uns Bischöfe „ad limina“ immer zum Mittagessen eingeladen. Ich bin ihm einmal gegenübergesessen, weil ich am längsten im Amt gewesen bin. Da war er sehr aufgeweckt. Ich habe damals noch geschnupft und meine Mitbrüder haben gemeint: Wetten, du traust dich nicht, dem Papst eine Prise anzubieten. – Ohne weiteres, was gilt es? Dann bin ich hingegangen, habe meine Schmupftabakdose geöffnet und habe den Papst gefragt: Eine Prise gefällig? Er lachte: Va bene, va bene! Im Hinblick auf seine weiße päpstliche Soutane sei es wohl nicht angeraten, zu schnupfen. Aber ich hatte die Wette gewonnen und die Flasche Wein haben wir miteinander getrunken.

      Bei meinem bislang letzten Ad-Limina-Besuch bei Papst Benedikt XVI. im Jahr 2010 gab es das gemeinsame Mittagessen nicht mehr und auch nicht den gemeinsamen Gottesdienst in der Früh. Das wesentliche Novum war aber, dass er nicht jeden Bischof einzeln empfangen hat, sondern wir waren bei der Privataudienz fünf Bischöfe. Man hat uns angewiesen, nicht auf den Papst zuzugehen, sondern einfach Platz zu nehmen. Es war am Geburtstag von Benedikt XVI. Da habe ich mir gedacht, ich kenne den Papst von früher. Heute hat er Geburtstag und kein Mensch wird mir verbieten können, ihm zu gratulieren. So bin ich, als wir hineingegangen sind, zu ihm hingegangen, habe ihm die Hand geschüttelt und ihm zum Geburtstag gratuliert: „Alles Gute!“, und habe ihn gefragt „Wie geht es Ihnen?“ Er hat gemeint, wie es in seinem Alter eben so gehe.

      Das war natürlich völlig neben dem Protokoll. Aber dann ging es wie geplant weiter. Wir haben Platz genommen, er war sehr herzlich, saß da auf seinem Thron, und wir links und rechts davon, andächtig in der Reihe. Jeder hat etwas gesagt. Ich habe mir herausgenommen, deutsch zu sprechen, und berichtete ihm, dass es Gemeinden am Xingu gibt, die nur zwei oder drei Mal im Jahr das Privileg haben, die Eucharistie feiern können. Ich habe das auch schriftlich in meinem Bericht festgehalten, dass es für mich sehr schwer verständlich sei, dass die Leute de facto von der Eucharistie ausgeschlossen seien. Und Jesus hat doch den Auftrag erteilt: Tut dies zu meinem Gedächtnis!

      Dann habe ich Benedikt XVI. auch das Beispiel erzählt, wie ich in eine Gemeinde gekommen bin am Oberlauf des Xingu. Die Leute haben mich sehr herzlich empfangen, wie das dazugehört: Gott sei Dank, der Bischof ist da. Heute wird er unser Kirchlein weihen. Als ich die Türe des Kirchleins öffnete, sah ich, dass nur ein Ambo vorhanden war, aber kein Altar. Da fehlt doch etwas, gab ich den Leuten zu bedenken, der Altar. Sie antworteten, ein Altar sei wohl nicht notwendig, denn die zwei oder drei Mal im Jahr, wenn ein Priester in ihre Gemeinde käme, würden sie kurzerhand einen Tisch aus der Schule holen und in die Kirche stellen.

      Genau dieses Beispiel habe ich dem Papst erzählt. Ich sei sehr besorgt, dass die Leute keinen Zugang mehr haben zum Verständnis der Eucharistie, weil sie ihnen verweigert wird. Ich habe gesagt, wir könnten nie so viele Priester haben, dass diese Gemeinden zu ihrem Sonntagsgottesdienst kommen können. Auch wenn wir alles für Priesterberufe tun, werden es immer zu wenig sein. Als ich an den Xingu kam, lebten dort vielleicht 50.000 Menschen. Jetzt sind es 700.000. Die Zahl der Priester ist aber nur von einem Dutzend auf gut zwei Dutzend gestiegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir übermorgen statt 26 Priestern 126 oder 200 haben werden.

      Da hätte ich mir erwartet, dass Benedikt XVI. eine Antwort gibt. Er hat auch sehr aufmerksam zugehört und freundlich genickt, aber er hat nicht dazu Stellung genommen. Es hat auch nichts genützt, dass ich den Papst persönlich gekannt hatte. Das ging zurück auf die Salzburger Hochschulwochen 1992. Ich war anlässlich des Bedenkjahres 500 Jahre Lateinamerika zu einem Vortrag über „1492–1992: Evangelium und Inkulturation“ eingeladen. Der damalige Erzbischof von Salzburg, Georg Eder, hatte dagegen Einspruch erhoben. Ich habe die Ausladung als furchtbare Kränkung und Demütigung empfunden, möchte aber trotzdem den Erzbischof verteidigen. Ich weiß, er wurde nicht gut beraten. Vorbehalte gegen mich, schmähliche Unterstellungen und böswillige Fehlinterpretationen meiner Aussagen sind ihm eingeredet worden. Bei einer späteren Begegnung konnte ich das mit ihm in einem persönlichen Gespräch auch versöhnlich klären.

      Für die Hochschulwochen 1992 war die Lösung getroffen worden, dass der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, die Festrede halten sollte. Daraufhin habe ich dem Kardinal am 19. März, seinem Namenstag, einen Brief geschrieben und ihm gesagt, das Thema sei Lateinamerika und ich würde mir wünschen, dass er einmal ein paar Monate nach Lateinamerika käme, um die Situation persönlich kennenzulernen. Ratzinger hat mir dann einen sehr schönen Brief zurückgeschrieben. Er hat gemeint, eine so große Auslandsreise könne er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr leisten. Zudem müsste er, wenn er nach Lateinamerika käme, auch die Kontinentalkirchen in Asien oder Afrika besuchen. Das sei eben nicht möglich.

      Es gab dann eine persönliche Begegnung in Jerusalem. Ich war von der Brasilianischen Bischofskonferenz dorthin beordert worden in meiner Funktion als Präsident des Rates für die indigenen Völker CIMI. Es ging um den Dialog der Religionen. Nach einem Gottesdienst bin ich auf Kardinal Ratzinger zugegangen. Er hat mich sofort erkannt.

      2007, als er bereits Papst war und die Bischofsversammlung von Aparecida in Brasilien eröffnete, habe ich ihn noch einmal getroffen. Da war er sehr abgeriegelt, aber ich habe diese meines Erachtens total übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen missachtet. Ich habe mir gedacht: Kann mir denn wirklich jemand verbieten, dem Papst die Hand zu drücken? Die Sicherheitsleute wollten mich wegschieben und wurden handgreiflich. Aber ich bin trotzdem hingekommen und habe ihm die Hand gereicht. Der Papst war überrascht: „Ah, Bischof Kräutler, ich habe erfahren, dass Sie im Leben bedroht sind. Sie stehen unter Polizeischutz. Beten wir füreinander!“

      1992 war auch das einzige Mal, dass ich als Bischof mit der Nuntiatur in Brasilien zu tun hatte. Die Festrede, die ich in Salzburg nicht halten durfte, habe ich dann im Wiener Rathaus auf Einladung von Bürgermeister Helmut Zilk (1927–2008) gehalten. Der Besuch war überwältigend. Das Thema meines für Salzburg vorbereiteten Vortrags über 500 Jahre Lateinamerika war „Die Nacht ist noch nicht vorüber“. Ich habe dabei auch ohne Umschweife auf die Fehler der Kirche bei der Evangelisierung Lateinamerikas hingewiesen und die Schuld, die sie auf sich geladen hat. Es ging mir nicht um eine pauschale Verurteilung, sondern darum, dass wir aus Fehlern lernen und heute andere Wege einschlagen müssen. Das hat offenbar jemand im Auftrag der Nuntiatur in Wien mitgeschrieben. Man konnte mir aber nichts anhaben. Ich habe dem Nuntius sogar das gesamte Manuskript geschickt. „Die Nacht ist noch nicht vorüber“ ist beim Picus Verlag, Wien, in der Reihe Wiener Vorlesungen, Band 124, erschienen.

      Aber es gab da jemanden, der den Vortrag gehört hat und furios nach Rom berichtete, ich hätte die Kirche und den Papst angegriffen. So bekam ich über die Nuntiatur in Brasilien einen Brief mit der Aufforderung, dazu Stellung zu beziehen. Das habe ich bis heute nicht gemacht. Ich habe nicht geantwortet. Der Brief war so etwas wie ein Schlag in die Magengegend und bereitete mir mindestens eine schlaflose СКАЧАТЬ