H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells страница 23

Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke

Автор: Herbert George Wells

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813628

isbn:

СКАЧАТЬ Au­gen­blick lang schwie­gen wir und ma­ßen uns ge­gen­sei­tig mit den Bli­cken. Ich muss ge­ste­hen, dass er eine recht wun­der­li­che Ge­stalt in mir fand, nackt bis auf mei­ne durch­näss­ten Bein­klei­der und So­cken, halb­ver­brüht, und Ge­sicht und Schul­tern von Rauch ge­schwärzt. Sein Ge­sicht war das ei­nes blon­den Schwäch­lings, sein Kinn trat stark zu­rück, und sein Haar lag in krau­sen, fast flachs­far­be­nen Wel­len auf sei­ner nied­ri­gen Stirn. Sei­ne Au­gen wa­ren ziem­lich groß, blass­blau und ins Lee­re star­rend. Er sprach ab­ge­bro­chen und blick­te ge­wöhn­lich un­s­tet von mir weg.

      »Was be­deu­tet das?«, sag­te er, »Was sol­len alle die­se Din­ge be­deu­ten?«

      Ich starr­te ihn an und gab kei­ne Ant­wort.

      Er streck­te eine dün­ne wei­ße Hand aus und fuhr in fast kla­gen­dem Ton fort:

      »Wa­rum wer­den sol­che Din­ge zu­ge­las­sen? Was für Sün­den ha­ben wir be­gan­gen? Die Mor­ge­n­an­dacht war zu Ende, ich wan­del­te durch die Stra­ßen, um mei­ne Ge­dan­ken für den Nach­mit­tag zu klä­ren — da — Feu­er, Erd­be­ben, Tod! Als ob es So­dom und Go­mor­rha wäre! Die gan­ze Ar­beit zer­stört, die gan­ze Ar­beit! Wer sind die­se Mars­leu­te?«

      »Wer sind wir?«, ant­wor­te­te ich und räus­per­te mich.

      Er um­klam­mer­te sei­ne Knie und wand­te sich wie­der mir zu. Eine hal­be Mi­nu­te viel­leicht brü­te­te er schwei­gend vor sich hin.

      »Ich wan­del­te durch die Stra­ßen, um mei­ne Ge­dan­ken zu klä­ren«, sag­te er. »Und plötz­lich Feu­er, Erd­be­ben, Tod!«

      Er ver­fiel wie­der in Schwei­gen; sein Kinn sank fast auf sei­ne Knie.

      Bald dar­auf fing er wie­der an und fuhr mit der Hand um­her.

      »Die gan­ze Ar­beit — alle die Sonn­tags­schu­len. Was ha­ben wir denn ge­tan — was hat Wey­bridge ge­tan? Al­les ver­schwun­den — al­les zer­stört. Die Kir­che! Wir ha­ben sie erst vor drei Jah­ren wie­der auf­ge­baut. Ver­schwun­den! — Vom Erd­bo­den weg­ge­fegt! Wa­rum?«

      Aber­mals eine Pau­se; dann brach er wie­der los wie ein Ra­sen­der.

      »Der Rauch Sei­nes Feu­ers ge­het auf für ewig und im­mer­dar!«, schrie er.

      Sei­ne Au­gen flamm­ten, und sein ma­ge­rer Fin­ger wies ge­gen Wey­bridge.

      Ich war jetzt so weit, um mir über ihn klar zu wer­den. Das ent­setz­li­che Trau­er­spiel, in das er ver­floch­ten war — er war of­fen­bar ein Flücht­ling aus Wey­bridge — hat­te ihn an den Rand des Wahn­sinns ge­trie­ben.

      »Sind wir weit von Sun­bu­ry?«, frag­te ich in ei­nem gleich­gül­ti­gen Ton.

      »Was sol­len wir tun?«, frag­te er. »Sind denn die­se Ge­schöp­fe über­all? Ist ih­nen denn die Erde über­ge­ben wor­den?«

      »Sind wir weit von Sun­bu­ry?«

      »Die­sen Mor­gen erst hielt ich den Früh­got­tes­dienst ab.«

      »Die Din­ge ha­ben sich seit­her ver­än­dert«, sag­te ich ru­hig. »Sie müs­sen Ihren Kopf oben be­hal­ten. Es gibt noch Hoff­nung.«

      »Hoff­nung!«

      »Ja; Hoff­nung in Men­ge — trotz al­ler die­ser Zer­stö­rung!«

      Ich fing an, mei­ne An­sicht über un­se­re Lage dar­zu­le­gen. Er hör­te an­fangs zu, aber wäh­rend ich wei­ter­sprach, ver­wan­del­te sich das In­ter­es­se in sei­nen Au­gen wie­der in das lee­re Star­ren von frü­her, und sei­ne Bli­cke schweif­ten von mir weg in die Fer­ne.

      »Das muss der An­fang vom Ende sein«, sag­te er, mich un­ter­bre­chend, »das Ende! Der große und schreck­li­che Tag des Herrn! Wenn die Men­schen wer­den an­ru­fen die Ber­ge und die Fel­sen, dass sie mö­gen fal­len auf sie und sie ver­ber­gen — ver­ber­gen vor Sei­nem An­ge­sicht, vor dem Ant­litz des­sen, der da sit­zet auf dem Thro­ne!«

      Ich be­gann, die Sach­la­ge zu ver­ste­hen. Ich gab mei­ne an­stren­gen­den Ver­nunftspre­dig­ten auf, rich­te­te sich müh­sam auf, und zu ihm tre­tend, leg­te ich mei­ne Hand auf sei­ne Schul­ter.

      »Sei­en Sie ein Mann«, sag­te ich. »Der Schre­cken hat Sie um Ihren Ver­stand ge­bracht. Wozu ist denn die Re­li­gi­on gut, wenn sie beim ers­ten Un­glück zu­sam­men­bricht? Be­den­ken Sie doch, was Erd­be­ben und Was­ser­flu­ten, Krie­ge und Vul­ka­ne schon frü­her der Mensch­heit an­ge­tan ha­ben. Dach­ten Sie denn, dass Gott mit Wey­bridge eine Aus­nah­me ma­chen woll­te? … Er ist kein Ver­si­che­rungs­agent, Herr.«

      Eine Zeit lang saß er in Schwei­gen ver­lo­ren da.

      »Aber wie sol­len wir ent­flie­hen?«, frag­te er plötz­lich. »Sie sind un­ver­wund­bar, sie sind er­bar­mungs­los.«

      »We­der das eine, noch, viel­leicht, das an­de­re«, ant­wor­te­te ich. »Und je mäch­ti­ger sie sind, umso ver­nünf­ti­ger und be­hut­sa­mer soll­ten wir sein. Nicht drei Stun­den sind es her, dass ei­ner von ih­nen da drü­ben ge­tö­tet wur­de.«

      »Ge­tö­tet!«, sag­te er, und starr­te mich an. »Wie kön­nen die Ge­sand­ten des Herrn ge­tö­tet wer­den?«

      »Ich sah es«, fuhr ich in mei­ner Er­zäh­lung fort. »Der Zu­fall will es eben, dass wir ins Ärgs­te hin­ein­ge­ra­ten sind«, sag­te ich, »das ist al­les.«

      »Was be­deu­tet denn je­nes Fla­ckern am Him­mel?«, frag­te er un­ver­mit­telt.

      Ich sag­te ihm, dass es die Si­gna­le der He­lio­gra­fen sei­en – das Zei­chen mensch­li­cher Hil­fe und Be­mü­hun­gen am Him­mel.

      »Wir sind ge­ra­de mit­ten dar­in­nen«, sag­te ich, »so ru­hig al­les auch ist. Das Fla­ckern am Him­mel deu­tet auf na­hen­den Sturm. Dort drü­ben, glau­be ich, sind die Mars­leu­te, und ge­gen Lon­don zu, dort, wo die Hü­gel um Rich­mond und King­ston sich er­he­ben, und die Bäu­me Schutz ge­wäh­ren, wer­den Schan­zen auf­ge­wor­fen und Ge­schüt­ze auf­ge­pflanzt. Bald wer­den die Mars­leu­te wie­der hier­her­kom­men…«

      Wäh­rend ich noch sprach, sprang er auf und un­ter­brach mich mit ei­ner Ge­bär­de.

      »Hö­ren Sie«, sag­te er …

      Von jen­seits der nied­ri­gen Hü­gel über dem Was­ser er­schol­len der dump­fe Wi­der­hall fer­ner Ge­schüt­ze und in wei­ter Fer­ne ein un­heim­li­ches Schrei­en. Dann war al­les still. Ein Mai­kä­fer schwirr­te über die He­cke an uns vor­über. Hoch im Wes­ten hing, bleich und kaum sicht­bar, die Si­chel des Mon­des über dem Rauch von Wey­bridge und Shep­per­ton und der hei­ßen stil­len Pracht der sin­ken­den Son­ne.

СКАЧАТЬ