Sag niemals, das ist dein letzter Weg. Jetta Schapiro-Rosenzweig
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Название: Sag niemals, das ist dein letzter Weg

Автор: Jetta Schapiro-Rosenzweig

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783898019057

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СКАЧАТЬ eure Tan­ten.«

      Sie hat­ten so­gar eine ge­wis­sen Ähn­lich­keit mit uns. Doch sie stan­den in der Ecke und wa­ren ziem­lich ver­stört. Mei­ne Schwe­ster Mi­zia um­arm­te sie gleich und gab ih­nen auch von un­se­ren Spiel­sa­chen ab. Sie wa­ren bei­de sehr schüch­tern und spra­chen nur un­ter­ei­nan­der. Vor uns hat­ten sie Angst und blie­ben am liebs­ten in der Kü­che. Dort un­ter­hiel­ten sie sich mit den Dienst­bo­ten. Mut­ter be­stell­te für sie Pri­vat­leh­rer, um sie für die Schu­le vor­zu­be­rei­ten, aber sie woll­ten gar nichts ler­nen, wir fan­den sie rich­tig »ver­na­gelt«. Wir Kin­der ver­such­ten ih­nen bei­zu­brin­gen, dass sie ler­nen soll­ten und woll­ten mit ih­nen dis­ku­tie­ren. Doch es half al­les nichts. Mut­ter gab sie dann zu ei­ner kin­der­lo­sen Fa­mi­lie, die sie be­treu­te – ge­gen Zah­lung na­tür­lich. Als sie 12 und 13 Jah­re alt wa­ren und im­mer noch nicht ler­nen woll­ten, be­schloss mei­ne Mut­ter, dass sie ei­nen Be­ruf er­ler­nen soll­ten. Wir Kin­der sa­hen sie jetzt nur noch ge­le­gent­lich am Sonn­tag und hat­ten kei­nen ver­trau­li­chen Ton mehr mit ih­nen, schließ­lich wa­ren wir ja auch er­wach­se­ner ge­wor­den.

      Als mein Opa 84 Jah­re alt ge­wor­den war, er­krank­te er – zum ers­ten Mal in sei­nem Le­ben. Der Arzt sag­te, das Le­ben im Dorf sei zu schwer für ihn ge­wor­den. Also kam er zu uns. Va­ter hat ihm ver­zie­hen und er blieb bei uns woh­nen. Zwi­schen ihm und dem Per­so­nal kam es we­gen der jü­di­schen Spei­se­ge­set­ze öf­ter zu Un­stim­mig­kei­ten. Von mei­ner Mut­ter be­kam er jede Wo­che Geld, aber das trug er im­mer so­fort auf die Bank, als Aus­steu­er für sei­ne Töch­ter. Sie be­such­ten ihn re­gel­mä­ßig an je­dem Schab­bat3. Da sie ja Tan­te Jan­ni­nas Stief­schwes­tern wa­ren, be­sorg­te die­se ih­nen ari­sche Pa­pie­re. Eine von ih­nen be­schäf­tig­te sie als Dienst­mäd­chen bei sich, die an­de­re wur­de im Dorf auf ihre Kos­ten un­ter­ge­bracht.

      Das Dienst­mäd­chen hieß He­lene (Ha­linka), sie war im­mer sehr gut zu un­se­rer Toch­ter in der Zeit, als die­se bei Tan­te Jan­ni­na un­ter­ge­bracht war. Sie hat den Krieg über­lebt und lebt jetzt in Schau­len und wir sind noch im­mer mit ihr in brief­li­cher Ver­bin­dung. Die an­de­re Schwes­ter ha­ben wir nach dem Krieg nicht mehr ge­se­hen.

      Un­ser Opa ist mit 90 Jah­ren ge­stor­ben. Bis zu sei­nem Tod brauch­te er kei­ne Bril­le und hat auch nie ei­nen Stock be­nutzt. Bis zu­letzt hat­te er sei­ne ei­ge­nen Zäh­ne. Er trug al­ler­dings eine Bril­le, je­doch ohne Glä­ser. Wenn man ihn frag­te wa­rum, so ant­wor­te­te er: »Um mei­ne Au­gen zu schüt­zen.« Wenn die Leu­te herausbekämen, dass er noch sein gu­tes Seh­ver­mö­gen habe, so dach­te er, würden sie ihm Bö­ses wün­schen und das könn­te schlecht für ihn aus­ge­hen. Er ver­göt­ter­te un­se­re Mut­ter und ist mit ih­rem Na­men auf den Lip­pen ge­stor­ben.

      Nun wen­de ich mich wie­der un­se­rem Le­ben im Klos­ter zu. Je­den Tag er­reich­ten uns neue schlech­te Nach­rich­ten. Es hieß, die Klös­ter würden durch­sucht. Die Bau­ern wur­den dar­an ge­hin­dert, ihre Le­bens­mit­tel ins Klos­ter zu brin­gen, sie wur­den durch­sucht und ihre Wa­ren wur­den ih­nen ab­ge­nom­men. Trotz­dem mussten wir nicht Hun­ger lei­den, denn die Schwes­tern teil­ten mit uns je­den Bis­sen. Schwes­ter Lu­cia pfleg­te im­mer op­ti­mis­tisch zu sa­gen: »Kin­der, nur die Hoff­nung nicht ver­lie­ren, wir wer­den Hit­ler noch über­le­ben!«

      Das Versteck im Klosterdach

      Jo­nas und Ja­scha hat­ten in­zwi­schen ein Ver­steck für uns ge­fun­den. Es be­fand sich un­ter dem Dach des Klos­ters. Mit Holz­lat­ten ver­bau­ten sie die Dach­kan­te, so dass ein Hohl­raum ent­stand, in dem wir uns wohl ver­ste­cken konn­ten. Tag und Nacht ar­bei­te­ten sie dar­an und tru­gen auch schon ei­nen Teil un­se­rer Sa­chen hi­n­auf. Von au­ßen war nichts zu er­ken­nen und vor den in­ne­ren Ein­gang hat­ten sie ein Fass Wein ge­stellt, über das man hin­weg­klet­tern musste. Der Ein­gang war eine ver­steck­te Klap­pe in der De­cke, die den Fuß­bo­den un­se­res Ver­stecks bil­de­te. Von un­ten konn­te man die­se Klap­pe nicht se­hen; sie wur­de von un­ten ge­öff­net und von oben ver­schlos­sen. Zwei Wo­chen ha­ben sie dar­an ge­ar­bei­tet. Au­ßer uns und den vier Non­nen wusste nie­mand da­von.

      Es war schon Ende März, eine Wo­che vor dem Pas­sah-Fest3. Plötz­lich hör­ten wir Bom­ben ex­plo­die­ren – Wil­na wur­de bom­bar­diert. Grö­ße­re Putz­tei­le flo­gen von den Wän­den, die Ge­fahr war groß. Wir durf­ten nicht mit den Non­nen in den Bun­ker flüch­ten, da­mit sie un­se­re Ge­gen­wart nicht be­merk­ten. Die Obe­rin und Schwes­ter Lu­cia wa­ren noch bei uns. Wir woll­ten sie über­re­den, in den Bun­ker hi­nab­zu­ge­hen, aber sie woll­ten uns nicht ver­las­sen.

      »Es ist Got­tes Wil­le«, sag­ten sie. »Was mit Euch pas­siert, pas­siert auch mit uns.« Die Bom­ben fie­len auf die Stadt, und wir hat­ten das Ge­fühl, dass un­ser Ende nahe sei und ganz Wil­na in Schutt und Asche läge. Die Fens­ter split­ter­ten und fie­len ein, der Ge­schirr­schrank stürz­te um und sein gan­zer In­halt fiel zu Bo­den und zer­schell­te. Wir gin­gen in die Die­le, die Obe­rin sag­te: »Be­tet zum lie­ben Gott, er wird uns hel­fen.«

      Plötz­lich war Stil­le, die Bom­bar­die­rung hör­te auf. Wir gin­gen ins Zim­mer zu­rück und vor lau­ter Mü­dig­keit schlie­fen wir so­fort ein. Wir wussten nicht, wie lan­ge wir ge­schla­fen hat­ten, als uns Schwes­ter Be­ne­dik­ta auf­rüt­tel­te. Sie zit­ter­te am gan­zen Leib. Die Ges­ta­po war ins Klos­ter ein­ge­drun­gen und woll­te es durch­su­chen. Die Obe­rin ver­lang­te ei­nen Durch­su­chungs­be­fehl zu se­hen, um et­was Zeit zu ge­win­nen. Uns ließ sie sa­gen, wir soll­ten Schwes­ter Be­ne­dik­ta fol­gen. So nah­men wir un­ser bisschen Hab und Gut und gin­gen ihr nach. Sie half uns, durch die Klap­pe zu klet­tern, Jo­nas war schon oben. Sie ver­schloss hin­ter uns die Öff­nung, und wir ver­such­ten uns zu fas­sen und Hal­tung zu be­wah­ren. Ja­scha und Jo­nas wa­ren stolz auf ihr Werk. Wir ver­such­ten uns ein­zu­rich­ten und hoff­ten, dass die Un­ter­su­chung bald be­en­det sein wür­de und wir in un­ser Zim­mer zu­rück­keh­ren könn­ten. Durch die Dach­spar­ren konn­ten wir die bren­nen­den Ka­ser­nen und die Lösch­ar­bei­ten se­hen. Es war ein Wun­der, dass das Klo­s­ter nicht ge­trof­fen wor­den war, ob­wohl wir so nahe la­gen.

      Es wur­de dun­kel und wir war­te­ten, ob je­mand zu uns kom­men wür­de. Die Durch­su­chung konn­te doch un­mög­lich so lan­ge dau­ern. Was war pas­siert? Wir ver­such­ten zu schla­fen, aber Schre­cken und Span­nung lie­ßen uns nicht zur Ruhe kom­men. Auch am an­de­ren Mor­gen war­te­ten wir ver­geb­lich, dass je­mand zu uns kom­men wür­de. Wir hat­ten kein Was­ser und lit­ten gro­ßen Durst. Da­durch, dass wir uns so be­eil­ten, hat­ten wir nichts zu Trinken mit­ge­nom­men.

      Es war ab­ge­spro­chen wor­den, dass fünfmal Klop­fen das Zei­chen war, dass al­les vo­rü­ber sei. Aber kein Zei­chen er­tön­te, und un­se­re Span­nung wur­de im­mer grö­ßer. Wir mussten an­neh­men, dass mit den Schwes­tern et­was pas­siert war, und es kam uns zu Be­wusst­sein, dass wir uns selbst um­tun mussten, um aus un­se­rem Ver­steck he­raus­zu­kom­men. Ja­scha, die Obe­rin und die Schwes­tern hat­ten vo­raus­ge­se­hen, dass die­se Si­tua­ti­on ein­tre­ten könn­te und hat­ten deshalb eine Säge mit ins Ver­steck ge­nom­men. Mit ih­rer Hil­fe konn­te man eine Öff­nung in die Dach­wand sä­gen, auf die­se Wei­se ent­kom­men und über СКАЧАТЬ