Sag niemals, das ist dein letzter Weg. Jetta Schapiro-Rosenzweig
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Название: Sag niemals, das ist dein letzter Weg

Автор: Jetta Schapiro-Rosenzweig

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783898019057

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СКАЧАТЬ Un­ter­neh­men, aber zum Glück ging al­les gut. Für ei­nen Mann mit schwar­zem Voll­bart war es nicht ein­fach, ins Klos­ter zu ge­lan­gen. Die Stun­den, die wir war­tend ver­brach­ten, zo­gen sich sehr schwer hin – jede Mi­nu­te kam uns wie eine Ewig­keit vor. Da­mals dach­ten wir, dass es nicht schlim­mer wer­den könn­te, aber es ka­men Tage über uns, wo wir an die­se Klos­ter­zeit weh­mü­tig zu­rück­dach­ten.

      Wir wohn­ten zu fünf Per­so­nen in ei­nem Zim­mer mit zwei Fens­tern, die mit Vor­hän­gen ver­hüllt wa­ren. Zwei ei­ser­ne Bet­ten stan­den dar­in. Es war ein bisschen wie eine Ka­ser­ne, aber für uns war es ein Pa­ra­dies des Frie­dens. In der Die­le be­fand sich eine Toi­let­te mit Dusch­ge­le­gen­heit, noch aus der Zeit der Be­ne­dik­ti­ner­schu­le. Der Win­ter 1941/42 war sehr kalt, und die Toi­let­te fror häu­fig zu. Ich hat­te das Amt des In­stal­la­teurs, koch­te täg­lich Was­ser auf und goss es in die Toi­let­te, so dass man sie im­mer be­nut­zen konn­te. Über­haupt hat­ten wir alle un­se­re Be­schäf­ti­gun­gen. Mein Mann und mein Schwa­ger wa­ren mit der Pfle­ge der Bib­lio­thek be­schäf­tigt. Die Bib­lio­thek des Klo­s­ters war sehr um­fang­reich, und vie­le Bü­cher wa­ren be­schä­digt. Die­se Ar­beit leis­te­ten sie gern, be­trach­te­ten sie als Un­ter­hal­tung und als Ent­gelt für den Auf­ent­halt im Klos­ter. Mei­ne Schwes­ter be­schäf­tig­te sich mit Nä­hen und flick­te die gan­ze Un­ter­wä­sche der Schwes­tern. Ich strick­te sämt­li­che Ja­cken und Pull­over der Non­nen. Die­se Ar­beit war an­ge­nehm, und wir ver­brach­ten täg­lich wohl zehn Stun­den da­mit. An den ein­sa­men Aben­den sa­ßen wir zu­sam­men und er­zähl­ten uns aus un­se­ren Er­in­ne­run­gen.

      Ich er­in­ne­re mich, wie mein Mann von der Zeit er­zähl­te, die er al­lein in dem ver­las­se­nen Haus ver­bracht hat­te. Ge­gen Abend ging er stets zu Frau Ka­schio­zo­wa. Sie gab ihm Es­sen und be­rich­te­te, was al­les ge­sche­hen war. In un­se­rer Zeit in Po­nar hat­ten wir ei­nen Hund ge­habt. Beim Ver­las­sen un­se­res Hau­ses hat­ten wir ihn weg­ge­ge­ben. Ei­nes Ta­ges sah mein Mann ei­nen Hund, der ihm jau­lend ent­ge­gen­kam. Es war un­ser al­ter Hund. Im Fins­te­ren sa­ßen sie bei­de zu­sam­men und bei­de wein­ten sie. Der Hund ging ihm nach bis zum Haus von Frau Ka­schio­zo­wa und woll­te nicht von sei­ner Sei­te wei­chen. Die Frau er­schrak und sag­te, es sei zu ge­fähr­lich. Durch den Hund könn­te die Ges­ta­po auf sei­ne Spur kom­men und auch sie sei dann ge­fähr­det. So musste sie den Hund an ei­nen an­de­ren Ort brin­gen.

      Samek, mein Nef­fe, leb­te in sei­ner ei­ge­nen Welt. Er mal­te und zeich­ne­te. Die Non­nen wa­ren be­geis­tert, sie ver­schaff­ten ihm Pa­pier und Far­ben. Ei­nes der Bil­der ist mir in Er­in­ne­rung ge­blie­ben: es zeigt Je­sus nicht als weh­mü­ti­gen, son­dern als zor­ni­gen Gott, vol­ler Zorn we­gen al­lem, was auf der Welt ge­schieht. Die Non­nen häng­ten die­ses Bild im Klos­ter auf. Es wirk­te nicht wie das Werk ei­nes klei­nen Jun­gen, son­dern wie das ei­nes fer­ti­gen Ma­lers. Die Ruhe im Klos­ter und die Or­gel­mu­sik hat­te eine ei­gen­ar­ti­ge At­mo­sphä­re um uns ge­schaf­fen, und das kam in sei­nen Bil­dern zum Aus­druck. Auch das, was sich drau­ßen, hin­ter der Ku­lis­se des Klos­ter­frie­dens er­eig­ne­te, hin­ter­ließ tie­fe Spu­ren in sei­nem Her­zen.

      So leb­ten wir ein hal­bes Jahr. Täg­lich ka­men Hor­ror-Nach­rich­ten aus dem Ghet­to. Am Jom Kip­pur ist, wie wir hör­ten, un­se­re Mut­ter und auch die Mut­ter von Ja­nusch um­ge­kom­men. Wir wa­ren ganz ver­zwei­felt, aber wir wag­ten kein lau­tes Wort zu sa­gen.

      Ei­nes Ta­ges kam die Obe­rin Ma­tusch­ka zu uns und er­zähl­te, dass sie noch vier jun­ge Mäd­chen auf­ge­nom­men habe, die aus dem Ghet­to ent­kom­men konn­ten. Eine da­von war Lol­ka Feld­stein, die Toch­ter ei­nes be­kann­ten Zahn­arz­tes. Die Obe­rin war sehr ängst­lich, sie er­zähl­te, dass die Deut­schen neu­er­dings auch sämt­li­che Klös­ter durch­such­ten. So ka­men wir zu dem Ent­schluss, uns eine an­de­re Blei­be zu su­chen. Jo­nas und Ja­scha gin­gen mit der Obe­rin, etwas Geeignetes für uns zu fin­den. Au­ßer den vier er­wähn­ten Non­nen wusste nie­mand von un­se­rem Ver­bleib. Was sie al­les für uns ge­lei­stet ha­ben, kön­nen wir nicht ge­nug an­er­ken­nen. Sie setz­ten ihr Le­ben für uns aufs Spiel und wir konn­ten ih­nen nichts da­für zu­rück­ge­ben. Die Nah­rung war knapp und sie musste für neun Per­so­nen rei­chen. Drei­mal am Tag be­ka­men wir un­ser Es­sen, vier­mal in der Wo­che so­gar mit Fleisch, sonst mit Milch. So wa­ren wir alle satt, wir konn­ten uns sau­ber hal­ten, wa­ren warm und ge­schützt. Auch Auf­merk­sam­keit und Lie­be wur­de uns zu­teil; je­den Abend kam die Obe­rin zu uns he­rein, und wir konn­ten ihr viel über un­ser Le­ben er­zäh­len, von der Zeit vor dem Krieg, un­se­ren Ver­wand­ten und al­lem an­de­ren. An al­lem war sie sehr in­te­res­siert. Au­ßer ihr kam auch manch­mal Schwes­ter Lu­cia. Sie war in ih­ren mitt­le­ren Jah­ren und sehr schön. Da­her frag­ten wir sie, wa­rum sie ins Klos­ter ge­gan­gen war, und sie er­zähl­te uns, dass dies seit ih­rer Kind­heit ihr in­nigs­ter Wunsch ge­we­sen war. Ihre Fa­mi­lie war ganz da­ge­gen und sie musste kämp­fen, um ihr Ziel zu er­rei­chen. Ihre äl­te­re Schwes­ter war be­reits im Klos­ter, sie war ih­rer Schwes­ter und ihr selbst ein Vor­bild. Es war nicht leicht, die­ses Ziel zu er­rei­chen, es ge­hör­te eine ge­wis­se Bil­dung dazu und vor al­lem eine gro­ße Lie­be zu Je­sus. Drei Jah­re musste sie eine stren­ge Pro­be­zeit in ei­nem frem­den Klos­ter durch­ma­chen. Aber sie be­stand alle Prü­fun­gen mit Bra­vour, und der glück­lichs­te Tag in ih­rem Le­ben war der, an dem sie zu ih­rer Schwes­ter ins Klos­ter ge­hen durf­te. Jetzt wa­ren es be­reits zehn Jah­re, dass sie in die­sem Klos­ter leb­te. Wir ha­ben sie be­wun­dert und ge­liebt, und je­der ih­rer Be­su­che war für uns wie ein Fei­er­tag.

      Wir hat­ten we­nig Kon­takt nach au­ßen. Au­ßer Wla­dek sa­hen wir nur Lol­ka Feld­stein, die je­den Abend zu uns kam. Sie hat­te ei­nen Bru­der im Ghet­to, aber sie durf­te es nicht wa­gen, mit ihm Kon­takt auf­zu­neh­men. Durch sie wa­ren wir von der äu­ße­ren Welt nicht ganz ab­ge­schnit­ten und wussten, was um uns he­rum pas­sier­te. Am wich­tigs­ten war uns na­tür­lich die Lage im Ghet­to.

      In der Fa­mi­lie war Tan­te Jan­ni­na un­ser ein­zi­ger Trost. Durch sie hör­ten wir al­les über mei­ne klei­ne Ta­mar, ihre Ap­pe­tit­lo­sig­keit, ihre Schlag­fer­tig­keit und über­haupt über ihre Ent­wick­lung. Au­ßer für sie sorg­te Tan­te Jan­ni­na noch für ein jü­di­sches Mäd­chen, dem sie ari­sche Pa­pie­re be­sorgt hat­te, und de­ren Schwes­ter, die in ei­nem Dorf leb­te.

      Die­se bei­den Mäd­chen wa­ren ei­gent­lich un­se­re Tan­ten. Das kam so: Un­ser Opa war sein gan­zes Le­ben lang ein Bau­er und führ­te ein ar­beits­rei­ches, schwe­res Le­ben. Als sei­ne Frau starb war er schon 74 Jah­re alt. Sei­nen Wei­zen ließ er im­mer im Nach­bar­ort mah­len, der Bau­er dort war ein from­mer Jude. Die­ser hat­te eine viel jün­ge­re Frau. So jung und schön sie war, hat­te sie doch ei­nen schlech­ten Ruf und man sag­te, ihre Kin­der hät­ten vie­le Vä­ter. Mein Opa mied sie und spuck­te bei ih­rem An­blick ver­ächt­lich auf den Bo­den. Als nun aber ihr Mann ge­stor­ben und sie eine Wit­we war, fing mein Opa an, sie zu be­su­chen und er brach­te Ge­mü­se und Obst von ihr mit. Ei­nes Ta­ges er­hiel­ten wir von ihm durch Bau­ern aus dem Dorf eine Fuh­re Kar­tof­feln für den gan­zen Win­ter, Ge­mü­se und Obst. Durch sie er­fuhr mein Va­ter, dass der Opa in sei­nem Al­ter die­se Frau ge­hei­ra­tet hat­te. Das brach­te mei­nen Va­ter in Rage und er woll­te von Opa gar nichts mehr an­neh­men. Es stell­te sich СКАЧАТЬ