Eingezogen. Ein Wehrpflichtiger der NVA erinnert sich.. Hans-Joachim Grünitz
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СКАЧАТЬ ich leider nicht weiß wie es ausgegangen ist, abgezogen.

      Die Vorgesetzten glaubten wohl, mir angemessene Arbeit verschaffen zu müssen. Ich wurde also zum Bau befohlen. Zu einer kleinen Truppe, die ebenfalls abgestellt war und deren fachliche Anleitung ein Kamerad aus meiner Stube hatte, der Maurer war. Da hatte ich aber Glück, es geht eben nichts über Kameradschaft. Viel helfen konnte ich denen sowieso nicht und für einen Tag erst alles erklären lassen lohnte nicht. Der Tag war somit abgehakt und vorgesetztenfrei. Jedes Ding hat seine zwei Seiten. Die zweite Seite war, daß meine Gruppe beim Abschlußkomplex tatsächlich Beste wurde und meine Kameraden noch am gleichen Tag in den Sonderurlaub fuhren. Ohne mich, selbstverständlich. Ob sie mich wohl gelyncht hätten, wenn ich darauf bestanden hätte mitzumachen und wir dann eventuell nicht beste Gruppe geworden wären? Eigentlich hatte ich mir den Sonderurlaub auch verdient.

      Sonderurlaub, heiß begehrt und selten erreicht. Unserer Wandzeitungsredaktion versprach der Politoffizier, bei zeitlich kurzer Fertigstellung der Lehr- und Anschauungstafeln über den Klassenfeind, ebenfalls Sonderurlaub. Mit Speck fängt man Mäuse, dachte der wohl. Sonderurlaub haben wir nicht bekommen. Die Tafeln sahen aber wirklich gut aus.

      Geschossen

      Natürlich hatte ich nicht immer die Möglichkeit irgendwo abzuducken. Das wäre auch nicht gut gewesen, gäbe es doch dann wenig zu erzählen und: »Richtig gedient haben muß man schon «, so die Behauptung aller Gedienter.

      Richtig dienen, so mit allem Drum und Dran, konnten wir bei einem herrlichen Biwak in Mutter Natur mit Schießausbildung. Zu diesem Zwecke gab es erst mal eine mehrere Stunden lange Anfahrt der Kompanie auf Mannschafts-LKWs. Dies waren W50 mit Plane und 4 Bankreihen auf der Pritsche. In einer Art Reißverschlußmanier wurde aufgesessen. Dadurch paßten viele rauf auf so einen W50. Hinten an der Klappe saß meist ein Unteroffizier. Bei mir saß ein frischgebackener Offizier, ein Unterleutnant. Alles raunte: »Hier riecht´s nach frischem Brot!« »Brot« war ein wenig hochachtungsvoller Begriff des gemeinen Soldaten für einen Offizier. Und los ging´s. Bei einer langen Fahrt mit dem LKW ist es so wie auf einem Schiff. Man wird seekrank. Dazu kam, daß Auspuffgase unter die Plane gewirbelt wurden. Und so war es nicht verwunderlich, daß sich nicht wenige erbrechen mußten. Den Luxus einer Tüte hatte man nicht bedacht, also wurden die Betreffenden kurzerhand nach hinten gehievt und kotzten über die Ladewand. Anhalten wäre unmöglich gewesen, dann wären wir nie angekommen.

      Aber wir kamen an, in einem herrlichen Wald, wo wir erst mal unsere Zelte aufschlugen. Diese wurden immer von acht Mann aus deren Zeltplanen zusammengeknöpft und mittels der kombinierten Zeltbestecke aufgestellt und verspannt. Einen Zeltboden gab es nicht. Der wurde aus abgeschnittenen Nadelbaumzweigen aufgeschüttet. Je mehr, desto besser, wie sich des Nachts herausstellen sollte. Alles hatte gefechtsnah zu erfolgen. Sogar das Zähneputzen und Rasieren. Wasser gab es streng rationiert, für Zähne und Rasur nahm man Tee. Der war nicht rationiert(?). Mordsmäßige Kälte ließ uns eher aufwachen als nötig. Zum Frühstück gab es Komplekte, wie zu allen anderen Mahlzeiten während dieser drei Tage dauernden Übung. Der Begriff allein ließ uns schaudern, denn das hieß nichts anderes, als langweilige Konserven zu futtern. Dazu gehörte auch die berühmte Dreifruchtmarmelade aus der Tube. In ihrer Grundfarbe rot, strich ich sie mir auf einen Kannten Komißbrot und wollte nun das Ganze mehr oder weniger genüßlich verspeisen. Kommt der Spieß vorbei und brüllt: »Genosse Soldat, halten Sie gefälligst die Marmeladenseite nach unten!«. Ich muß wohl ziemlich fragend dreingeschaut haben. »Wegen der Tarnung, Genosse, wegen der Tarnung! Feindliche Flugzeuge könnten uns entdecken.«, so die Erklärung. Wer den, in schauspielerisch überzeugender Art vorgetragenen Witz schon kannte, lachte nun schallend. Gut, daß der Feind nicht in der Nähe war. Aber unser Hauptfeld hatte ab sofort die beste Laune, war er jetzt doch so richtig in seinem Element.

      Uns verging jedoch bald der Spaß, denn es ging jetzt zum Schießen. Wir waren im ersten halben Jahr mehrmals schießen. Jedoch war das erste Mal für jeden von uns besonders aufregend, wie halt in anderen Lebenslagen auch. Und aufgeregt, wenn nicht sogar etwas ängstlich waren auch sämtliche Vorgesetzte vom Unteroffizier bis zum Hauptmann. Alle waren plötzlich unerwartet nett und umgänglich. Das muß wohl an der scharfen Munition gelegen haben, die wir naturgemäß erhalten sollten. In der Tat, es soll schon schlimme und weniger schlimme Unfälle, meist durch Unachtsamkeit oder Nichteinhalten der Dienstvorschriften, gegeben haben, nach denen in der Regel dann auch personell Köpfe rollten. Ich mußte solches zum Glück nicht erleben. Wir hatten gutes Trockentraining hinter uns und alle behielten die Nerven.

      Was dann kam, war an sich überhaupt nicht furchterregend. An sich machte die Sache sogar Spaß, wenn man das Glück hatte zu treffen und die Silhouette umklappte. Aber das sagte kaum einer öffentlich. Einige, so auch ich, waren hingegen bemüht, nicht zu gut zu schießen. Wir dachten dabei bereits an einen späteren Grenzdienst. Bei guten Schießausbildungsergebnissen hätte man dort wohl auch treffen müssen. Aber es gab auch die Jäger der Schützenschnur. Die sahen die Sache anders und wollten die sogenannte Affenschaukel unbedingt an ihrer Ausgangsuniform baumeln haben. Sah ja aber auch gut aus!

      Für uns zukünftige Grenzer gab es außer dem normalen Schießen auf Ringe und feste Ziele eine besonders zugeschnittene Übung. Wir liefen dabei mit gehörigem Seitenabstand vorwärts und schossen auf plötzlich auftauchende oder wegfahrende Silhouetten imaginärer Grenzverletzer. Ein zukunftsträchtiges Spielchen und weiterer Anlaß zum Grübeln. Man hatte aber Angst um uns und schickte hinter jedem Schützen einen Uffz. her. Noch viel mehr Angst herrschte später beim Nachtschießen. Hier wich man uns nicht von der Seite und behandelte uns geradezu mütterlich. Leuchtspurgeschosse zogen ihre helle Bahn durch die Nacht. Die Dunkelheit verstärkte den Schall der detonierenden Panzerfäuste und Zielattrappen krachten auseinander. LMGs spritzen ihre Garben weit über den Schießplatz. Im Mondlicht sah man aufstiebende Erdbrocken. Da waren alle doch recht froh, gelenkt und geleitet zu werden. Die Trommelfelle summten noch im Biwak. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, die Schießreihen am nächsten Tag waren weniger aufregend. Da nicht alle auf einmal ballern konnten, wurden wir auch anderweitig beschäftigt. Natürlich militärisch. Schützenlöcher nach Zeit, Bewegen im Gelände und und und.

      Auch diese drei Tage vergingen. Dann ging es, wie hergekommen, zurück per LKW. Auf denen saßen nun völlig verdreckte Genossen, die sich nichts weiter wünschten als eine Dusche und Schlaf. Die Dusche gab es dann auch. Dieses Procedere wurde zugweise durchgeführt. Ein Zivilangestellter hatte die Kessel im Duschgebäude geheizt, drehte ein riesengroßes Ventilrad auf und los ging´s. Die Dusche war eine Massendusche und man mußte sich beeilen, denn der Zivilangestellte hatte strikte Anweisung, nach einer bestimmten Zeit pures Kaltwasser aufzudrehen. Und dieses kam meist überraschend. Wer dann noch eingeseift war hatte eisekaltes Pech. Nach dem Duschen gab es noch einen Wäschewechsel, in diesem Fall außerordentlich. Sonst wurde die Unterwäsche nur einmal in der Woche (!) gewechselt. Eigene Wäsche zu tragen war untersagt. Und dies wurde zumindest in der Grundausbildung strengstens durchgesetzt.

      Ausgang

      Gab es Ausgang im Standort, mußten die Genossen Soldaten, die das Glück hatten, am Samstag mit solchen Ehren bedacht zu werden, erst einmal vor dem Spieß antreten. Die Mutter der Kompanie schaute dann tatsächlich nach, ob auch die grenztruppeneigene lange Unterwäsche getragen wurde. Zu diesem Zwecke ließ der Spieß stichprobenartig ein Hosenbein hochziehen. Wenn es jetzt weiß blitzte, wäre alles in Ordnung gewesen. Da aber der Einfallsreichtum der Soldaten groß war, gab es welche, die hatten nur das untere Teil eines abgeschnittenen Unterhosenbeines zur Tarnung angelegt. Der Spieß jedoch, mit Bauernschläue gewappnet, kannte den Trick und wagte einen Blick unter den Hosenbund! Aber damit nicht genug, Taschentuch und Kamm sowie Nähzeug waren ebenfalls vorzuweisen. Daß die Uniform in tadellosem Zustand zu sein hatte, braucht wohl nicht betont zu werden. In Vorbereitung des Ausgangs waren daher die Bügeleisen stets belegt. Der Ausgang war natürlich für jeden Soldaten trotzdem heißbegehrt und es konnte vorkommen, wenn man bei den strengen Ausgangskontrollen des Hauptfeld durchfiel, daß auch der Ausgang ins Wasser СКАЧАТЬ