Die Lehren der Zeugen Jehovas. Lothar Gassmann
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Lehren der Zeugen Jehovas - Lothar Gassmann страница 6

Название: Die Lehren der Zeugen Jehovas

Автор: Lothar Gassmann

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783958932753

isbn:

СКАЧАТЬ falschen Propheten zu erkennen: „Wenn der Prophet redet in dem Namen des Herrn und es wird nichts daraus und es tritt nicht ein, dann ist das ein Wort, das der Herr nicht geredet hat“ (5. Mose 18, 22). Bei Russells Voraussagen handelt es sich ganz offensichtlich um Falschprophetie – und dennoch hielten nach 1914 viele an seinen Lehren fest oder deuteten einzelne Punkte um. So wird von den heutigen Zeugen Jehovas die Ansicht vertreten, Christus habe 1914 den Satan aus dem Himmel geworfen und dadurch auf Erden den Ersten Weltkrieg ausgelöst. Aus einer Prophezeiung des Heils, nämlich der Aufrichtung des Reiches Jehovas auf Erden, wurde eine Prophezeiung größten Unheils gemacht und diese damit in ihr Gegenteil verkehrt.

      Die Aussage, welche in einer späteren Schrift der Zeugen Jehovas über falsche Propheten getroffen wurde, findet letztlich in Russell – und nicht nur in diesem – ihre frappierendeste Erfüllung. In dem Buch Das Paradies für die Menschheit durch die Theokratie wiederhergestellt lesen wir auf Seite 355:

      „Jehova, der Gott der wahren Propheten, wird alle falschen Propheten in Schande geraten lassen, entweder dadurch, dass er die falsche Voraussage solcher Propheten, die sich dieses Amt selbst anmaßen, nicht erfüllen lässt oder indem er seine eigenen Prophezeiungen auf eine Weise verwirklicht, die zu derjenigen der falschen Propheten im Gegensatz steht. Falsche Propheten werden den Grund für ihre Schande zu verbergen suchen, indem sie verleugnen, wer sie wirklich sind.“

      Die Wachtturm-Gesellschaft

      Doch wir sind weit vorausgeeilt. Kehren wir in das Jahr 1879 zurück, so finden wir dort drei bedeutende Ereignisse im Leben Russells: den Rückzug von N. H. Barbour, die Hochzeit mit Maria Frances Ackley und die Herausgabe der ersten Nummer der Zeitschrift „Zions Watch Tower and Herald of Christ`s Presence“ („Zions Wachtturm und Verkünder der Gegenwart Christi“).

      Die Gründe für die Trennung von Barbour wurden bereits genannt. Russell zog sich mit seinem beträchtlichen Vermögen von Barbour zurück, der den „Herald“ bis 1903 – drei Jahre vor seinem Tod – weiter edierte. Der Titel der von Russell kurz darauf selbst herausgegebenen Zeitschrift Zions Wachtturm (die erste Ausgabe erschien am 1. Juli 1879) weist auf die glühende Begeisterung für die zionistische Bewegung hin, die von seinem Nachfolger Rutherford nicht mehr geteilt wurde und heute ganz aus dem Blickfeld der Zeugen Jehovas verschwunden ist. Die Bezeichnung „Wachtturm“ ist Habakuk 2, 1 nachempfunden, wo es heißt: „„Hier stehe ich auf meiner Warte und stelle mich auf meinen Turm und schaue und sehe zu, was er mir sagen und antworten werde auf das, was ich ihm vorgehalten habe.“

      Die zunächst monatlich, seit 1892 vierzehntäglich erscheinende Zeitschrift wurde am Anfang in einer Auflage von sechstausend Exemplaren gedruckt. Heute (1996) liegt die Auflage, wie schon erwähnt, bei ca. 19 Millionen. Der Name hat mehrmals gewechselt: Zunächst hieß das Blatt „Zions Wachtturm und Verkünder der Gegenwart Christi“, ab 1909 nur noch „Der Wachtturm und Verkünder der Gegenwart Christi“. Im Jahr 1939 „hob man die Tatsache, dass Christus bereits als König im Himmel regierte, stärker hervor“ (JZ, S. 724). Ab dem 1. Januar dieses Jahres nannte man die Zeitschrift daher „Der Wachtturm und Verkündiger des Königreiches Christi“. Am 1. März 1939 schließlich erhielt sie den noch heute gültigen Titel „Der Wachtturm verkündigt Gottes Königreich“.

      Im Zusammenhang mit der Herausgabe dieser Zeitschrift ab 1879 entstanden die ersten Gemeinden. Es waren Zusammenschlüsse von Wachtturm-Lesern an den einzelnen Orten, die nach kongregationalistischem Vorbild lose miteinander verbunden waren. Eine straffe zentralistische Leitung wie bei der heutigen Wachtturm-Gesellschaft bestand in der Anfangszeit noch nicht.

      Russell freilich galt als der geistliche Leiter und verehrte Prophet der aufkeimenden neuen Bewegung. Die ersten Gruppen nannten sich zunächst „Klassen“ oder „Ekklesias“ (griech. „Gemeinden“), später dann „Versammlungen“.

      1881 nun wurde in Pittsburgh die Zions Watch Tower Bible and Tract Society of Pennsylvania („Zions Wachtturm Bibel-und Traktat-Gesellschaft von Pennsylvanien“) gegründet. Im Dezember 1884 wurde sie behördlich registriert. Dieses Datum wird von verschiedenen Autoren (z. B. Hoekema 1972, S. 11) als offizieller Beginn der Bewegung der (späteren) Zeugen Jehovas gewertet. Die Wachtturm-Gesellschaft war eine Aktiengesellschaft, eine Geschäftsfirma, in der jeder Mitglied werden konnte, der sich Anteilscheine im Wert von je 10 Dollar erwarb. Russell war ihr Präsident auf Lebenszeit, seine Frau Sekretärin und Schatzmeisterin. Neben und unter ihnen fungierten ferner sieben leitende Direktoren. Diese Gesellschaft druckte eine Fülle von Traktaten, Flugschriften und Büchern, die überwiegend von der Hand Russells stammten. Beiträge für den „Wachtturm“ schrieben außerdem in der Anfangszeit A. D. Jones, J. H. Paton, H. B. Rice, W. I. Mann, Russells Frau und andere. Ganz im Stil eines Geschäftsunternehmens wurden Kolporteure angestellt, welche die Schriften unter der Bevölkerung vertrieben. Der Haus-zu-Haus-Dienst der einzelnen Anhänger, wie wir ihn heute kennen, war damals jedoch noch nicht in seiner als geradezu heilsnotwendig angesehenen und verpflichtenden Form vorhanden.

      Der Charakter einer Geschäftsfirma wurde von Russell offiziell zugegeben. So stellte er in seinen „Schriftstudien“ jeweils im Anhang seine Gesellschaft mit folgenden Worten vor: „Wacht-Turm Bibel- und Traktat-Gesellschaft. Das ist der Name einer Geschäftsfirma, die sich mit der Herausgabe von wichtigen religiösen Büchern und Zeitschriften und anderen nützlichen Hilfsmitteln zum Bibelstudium befasst“ (vgl. Twisselmann 1995, S. 16).

      Es sollte bis zum Jahr 1944 dauern, dass das Aktienwesen abgeschafft und als unvereinbar mit der „theokratischen Ordnung“ bezeichnet wurde (vgl. ebd., S. 21 f.). Dennoch erwirtschaftet die Wachtturm-Gesellschaft weiterhin hohe Gewinne, die freilich – soweit erkennbar – alle dem weiteren Aufbau der Organisation zugute kommen. Über die heutige finanzielle Struktur des „Wirtschaftsunternehmens Wachtturm-Bibel- und Traktat-Gesellschaft“ (WTG) schreibt Klaus-Dieter Pape:

      „Die Einkünfte kommen aus Spenden, aber in viel größerem Umfang aus den Subskriptionsrechten, die die WTG-Inc. von den einzelnen Länderorganisationen verlangt. Die Beträge für diese Rechte sind aber in Wirklichkeit der Gewinn, den die einzelnen Länder aus den Buchverkäufen erzielen und dann an das Hauptbüro in New York überweisen … Bei den Länderorganisationen ist zu unterscheiden, ob sie eine Corporation nach amerikanischem Recht sind, wie der Länderzweig in der Schweiz, oder ein gemeinnütziger Verein, wie in Deutschland … Selbst ein gemeinnütziger Verein kann z. B. über Spenden oder wirtschaftliche Aktivitäten, wie Buch- oder Zeitschriftenverkauf Gewinn machen. Das ist erlaubt. Sie müssen nur dem Zweck der Satzung entsprechen und demgemäß verwendet werden“ (Informationen Nr. 2 der „Christlichen Dienste“, ACV, Mai 1994, S. 2 f.).

      Doch zurück zu Russell. Sein Hauptwerk waren die unter der Bezeichnung Schriftstudien(bis 1904: „Millennial Dawn“ – „Millennium-Tagesanbruch“) bekanntgewordenen sechs Bücher mit den programmatischen Titeln: „Der (göttliche) Plan der Zeitalter“ (1886), „Die Zeit ist herbeigekommen“ (1889), „Dein Königreich komme!“ (1890), „Der Tag der Rache“ (später: „Der Krieg von Harmagedon“) (1897), „Die Versöhnung von Gott und dem Menschen“ (1899), „Die neue Schöpfung“ (1904). Der siebte Band „Das vollendete Geheimnis“, der 1917 posthum erschien, stammt in seiner vorliegenden Form zum großen Teil nicht von Russell (dazu unten mehr). Die sechs ersten Bände erreichten allein bis zum Todesjahr Russells, 1916, eine Auflage von zusammen ungefähr 16 Millionen Exemplaren, zumindest nach den Angaben der Wachtturm-Gesellschaft.

      Um die Jahrhundertwende war die Zahl der Anhänger Russells bei etwa 2. 500 angekommen. Heute (2019) gibt es weltweit ca. 8,5 Millionen Zeugen Jehovas. In Deutschland fassten Russells Anhänger seit 1903 Fuß, als der erste „Pilgrim“, Otto Koetitz, von Wuppertal-Elberfeld aus mit seiner Missionstätigkeit begann. Die Zahl der in Deutschland lebenden Zeugen Jehovas beträgt heute über 170.000. Russells Botschaft hat also, wenn auch in manchen Punkten wesentlich verändert, eine enorme Ausbreitung erfahren.

СКАЧАТЬ