Hanseschwestern - Historical Romance Sammelband 6020: 3 Romane. Alfred Bekker
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      In vielen Häusern der Hanse war es üblich, dass Kinder ihre Eltern ehrenvoll anredeten, nämlich mit einem Ihr. Umgekehrt war häufig die Anrede für die Kinder ein distanziertes Er oder Sie, je nach Geschlecht eben. Wann immer Johann jedoch mit seinem Vater allein war, taten sie das schon lange nicht mehr. Von daher gesehen wurde Georg Wetken die vertrauliche Anrede gar nicht bewusst in dieser Situation, im der er natürlich eher bemüht war, auf möglichst großen Abstand zu seinem Sohn zu gehen, zumindest gefühlsmäßig, um nur ja keine väterliche Schwäche zeigen zu müssen, wie er es sah.

      Bevor Georg noch seine Sprache wiederfinden konnte, fuhr Johann unbeirrt fort:

      „Würde es sich in der Tat um eine Brinkmann handeln, beispielsweise eben um Adele, wäre dies absolut unverzeihlich und würde jegliche Strafe rechtfertigen, die dir in den Sinn kommt, mein Vater. So aber...“

      In Gedanken indessen tat er flehentlich Abbitte bei Adele:

      Verzeih mir bitte, dass ich dich solchermaßen verleugne, aber es ist einzig und allein der besonderen Situation geschuldet. Ich kann jetzt einfach nicht anders. Wie soll ich es ansonsten schaffen, dich jemals wiederzusehen, wenn ich am Ende verstoßen bin oder mir noch Schlimmeres widerfährt?

      Ich werde dir eines Tages meine wahre Liebe beweisen können, das verspreche ich dir hiermit hoch und heilig, aber bis dahin, leider Gottes...

      Sein Vater unterbrach diesen reumütigen Gedankengang brüsk:

      „Und wieso erreichte mich dann der Hinweis ausgerechnet aus dem Hansehaus Brinkmann selbst, dass es sich eben genau um jene Adele Brinkmann handelt, auf die du dich eingelassen hast? Ich weiß sogar, wo du sie kennengelernt hast, nämlich im Hansehaus Schopenbrink!

      Und das willst du jetzt noch leugnen? Für wie dämlich hältst du deinen Vater denn überhaupt?“

      „Ich halte dich keineswegs für dämlich, mein Vater! Verzeih mir, aber ich erlaube mir zumindest darauf hinzuweisen, dass alles, was aus dem Hansehaus Brinkmann kommt, sowieso von vornherein mit aller gebührenden Vorsicht zu genießen ist. Vor allem solche Behauptungen!“

      „Dann leugnest du tatsächlich, diese Adele Brinkmann auf dem Fest im Hansehaus Schopenbrink kennengelernt zu haben? Wo du dich übrigens ohne meine Billigung befunden hast?“

      „Würde es auch deine Missbilligung finden, wenn ich dir sagen würde, dass ich dorthin eingeladen war von der Tochter des Hansehauses Gordula Schopenbrink? Sie ist eine wunderschöne, wahrlich gut genährte und sehr auf ihr Äußeres bedachte junge Frau, deren Anblick allein schon das Herz eines jeden aufrechten Mannes berührt.“

      „Du behauptest doch nicht etwa, eine Liaison mit dieser Gordula Schopenbrink zu haben?“, rief Georg Wetken verdattert. „Ja, zugegeben, sie ist das, was man eine dralle Schönheit nennt, und scheint sich sogar alle Mühe zu geben, dem modernen Idealbild einer jungen Frau aus wohlsituiertem Hansehaus zu entsprechen, aber immerhin ist sie eben nur eine Schopenbrink, und du weißt selbst, dass dieses Haus nicht zu unserer Gilde gehört.“

      „Also, wenn das wirklich das Einzige ist, was gegen sie spricht: Zumindest ist sie dann ja keine Brinkmann, nicht wahr?“

      Das konnte sein Vater nicht leugnen, trotzdem wackelte er bedenklich mit dem Kopf.

      „Aber nein, trotzdem, nicht doch ausgerechnet so eine Gordula Schopenbrink...“

      „Wieso eigentlich nicht? Und selbst wenn es so etwas wie eine Liaison wäre: Was wäre denn grundsätzlich gegen eine solche Verbindung vorzubringen? Gordula Schopenbrink ist eine rechtschaffene junge Frau, die in der Tat nicht nur mit ihrem verführerischen Anblick das Herz eines jeden wohl erzogenen und rechtschaffenen Mannes erfreut. Weil sie ebenso wohlerzogen und rechtschaffen ist und zudem genau weiß, was für einen rechten Mann das Beste ist.“

      „Moment einmal!“, rief jetzt Georg Wetken dazwischen, dem diese Schwärmerei offensichtlich zu viel wurde: „Du behauptest also, Gordular Schopenbrink habe dich zu jenem Fest eingeladen? Und wieso hast du mich davon niemals in Kenntnis gesetzt, bis heute nicht?“

      „Weil ich genau diese Reaktion von dir vermeiden wollte, die du jetzt an den Tag legst. Bei allem Respekt, mein über alles verehrter Vater, ich kann es leider nicht anders sagen. Wie hätte ich dir denn erklären sollen, dass Gordular Schopenbrink geradezu ideal als Frau für deinen Sohn wäre?

      Falls ich wirklich einmal in deine Fußstapfen treten sollte, könnte ich wohl kaum jemals eine Frau finden, die passender wäre. Sie stammt zwar nicht aus einem Hause, das sich unserer Gilde angeschlossen hat, aber nichtsdestotrotz aus einem besonders guten Hause, wie ich finde, zumal einem Hause, mit dem wir dennoch Geschäfte machen.

      Gordula Schopenbrink, da kannst du versichert sein, würde mich auf Lebzeiten in geradezu idealer Weise unterstützen bei all meinen Bemühungen geschäftlicher Art – und gleichzeitig würde eine solche Verbindung das Hansehaus Wetken eindeutig stärken.“

      „Und inwiefern solches?“, erkundigte sich jetzt Georg Wetken alarmiert.

      Aber sein Zorn war weitgehend verraucht, wie Johann erleichtert feststellte. Konnte es sein, dass seine Ablenkungsstrategie bereits dermaßen fruchtete? Oder würde da noch etwas kommen, was bis jetzt noch unerwartet blieb?

      „Nun, dazu musst du wissen, dass tatsächlich auch Adele Brinkmann eingeladen war“, gestand Johann Wetken vorsichtig. „Ich habe sie dort zum ersten Mal gesehen.“

      „Um dich danach mehrfach mit ihr heimlich zu treffen!“, fuhr Georg seinen Sohn sogleich wieder an.

      „Nein!“, wies Johann dies jetzt entschieden zurück, während er in Gedanken erneut Abbitte leistete bei seiner armen Adele für diese eigentlich unverzeihliche Verleumdung und damit der Verleugnung ihrer gemeinsamen Liebe.

      Und er fuhr nach außen hin ungerührt fort:

      „Gerade diese Begegnung hat mir doch bewiesen, dass eben das Hansehaus Schopenbrink nicht wirklich auf unserer Seite ist. Die machen eben auch Geschäfte mit dem Hause Brinkmann, was mich zutiefst entrüstete und dies immer noch tut.“

      „Tatsächlich?“ So richtig glauben wollte es Georg immer noch nicht.

      „Ich habe Gordular darauf angesprochen.“

      „Aha, jetzt nennst du sie sogar auch noch mit ihrem Vornamen?“

      „Natürlich tu ich das, und ich will es auch nicht mehr länger leugnen, dass wir uns nahe stehen. Zwar nur in inniger Freundschaft, aber wir wissen beide, Gordular und ich, dass daraus durchaus mehr werden könnte. Dass dies noch nicht hat geschehen können, liegt ja nicht zuletzt daran, dass ich natürlich erst noch dein Einverständnis bekommen müsste.“

      „Nie und nimmer!“, brüllte jetzt Georg Wetken, wurde jedoch sogleich wieder ruhiger.

      Misstrauisch legte er den Kopf schief.

      „Dann hast du dich wirklich heimlich mit dieser Gordular Schopenbrink getroffen?“

      „Natürlich, Vater! Soll ich sie denn hierher bitten, damit sie das persönlich dir gegenüber bestätigt?“

      „Und ihr Vater, Hieronymus Schopenbrink? Weiß der denn überhaupt davon?“

      „Nein, СКАЧАТЬ