Название: Hanseschwestern - Historical Romance Sammelband 6020: 3 Romane
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Короткие любовные романы
isbn: 9783745212594
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Als Erstes rief er dazu nach seinem getreuen Kammerdiener, der einzige, dem er in diesem Hause wirklich vertrauen konnte und wollte.
4
Georg Wetken war nicht der Mann kleiner Gesten. Ganz im Gegenteil: Man kannte und fürchtete ihn als jähzornigen Verteidiger von allem, was er für richtig hielt – und eine fremde Meinung hatte gegen ihn sowieso niemals eine Chance. Wenn er jemanden zu sich kommen ließ, war das immer mit sehr bedenklichen Gründen verbunden.
Diesmal rief er niemanden zu sich, sondern kam sogar selbst. Unangemeldet, wie es bei ihm normal war. Immerhin handelte es sich um seinen Sohn, sein eigenes Fleisch und Blut. Seinen Lieblingssohn obendrein, obwohl er nicht der Mann war, der jemals so etwas wie väterliche Gefühle gezeigt hätte.
Auch dieses Mal nicht. Ganz im Gegenteil. Immerhin aus aktuellem Anlass, und welcher das war, erfuhr Johann Wetken recht lautstark auf der Stelle, ohne jegliche Umschweife.
Sein Vater, gerade erst herein gebraust wie der sprichwörtliche Sturmwind, der alle Fenster und Türen eindrückte, brüllte mit hochrotem Kopf:
„Wie konntest du es wagen?“
Noch bevor Johann Gelegenheit bekam, etwas zu sagen, etwa sich zu erkundigen, worum es sich eigentlich handelte, fuhr sein Vater in seiner übertrieben jähzornigen, alles übertönenden Art fort:
„Du bist nicht mehr mein Sohn! In meinen Augen bist du schlimmer noch als der schlimmste Bastard. Wie konntest du mir das antun, dich mit einer Brinkmann einzulassen? Ausgerechnet!“
Johann blinzelte verwirrt. Er hatte ja schon befürchtet, sein Vater könnte ihn vielleicht bei seiner Heimlichtuerei irgendwann einmal ertappen, und jetzt war er definitiv bereits über alles informiert?
Aber wieso eigentlich?
Den ganzen Morgen über war doch noch alles in Ordnung gewesen. Was war geschehen?
Während er das fürchterliche Donnerwetter geduldig über sich ergehen ließ, beschäftigten sich seine Gedanken genau mit dieser Frage. Adele war aufgehalten worden. Soviel stand jetzt für ihn fest. Von wem? Das war eigentlich von zweitrangiger Bedeutung. Zunächst. Jedenfalls war sie nicht freiwillig fern geblieben. Davon konnte er ausgehen. Und jetzt, erst am Mittag, tauchte sein Vater auf, um seiner grenzenlosen Empörung dermaßen lautstark Luft zu machen?
Er wartete eine winzige Atempause ab, was sehr viel Geduld und Aufmerksamkeit von ihm abverlangte, trotz der lautstarken Beschimpfung, die er gleichzeitig über sich ergehen lassen musste, und flocht rasch ein:
„Wer behauptet denn so etwas?“
Georg Wetken vergaß, zu atmen. Aus geweiteten Augen starrte er seinen Sohn an, als würde er ihn jetzt erst erkennen. Es klappte ihm regelrecht die Kinnlade herunter.
„Willst du etwa leugnen?“, schnappte er, nachdem er sich von dem ersten Schock ob dieser in seinen Augen hanebüchenen Unverschämtheit halbwegs erholt hatte.
„Ich möchte bloß wissen, wer so etwas behauptet – und wieso!“, beharrte Johann und gab sich alle Mühe, zumindest nach außen hin ruhig und besonnen zu wirken.
Das war seine große Stärke: Ihm konnte man nicht ansehen, wie es in Wahrheit in ihm rumorte. Da war die grenzenlose Enttäuschung darüber, dass er letzte Nacht vergeblich gewartet hatte, gepaart mit der mindestens genauso grenzenlosen Sorge um seine geliebte Adele. Da konnte ihm auch das mächtigste Donnerwetter seines Vaters wahrlich nichts mehr anhaben, denn schlimmer konnte es seiner Meinung nach sowieso nicht mehr werden.
Blieb also die durchaus berechtigte Frage, wer da seinen Vater entsprechend aufgehetzt hatte und warum. Die nächste Frage würde dann gleich lauten, wieso sein Vater darauf dermaßen reagierte, ohne vorher zumindest seinen Sohn zu fragen, ob es sich überhaupt um die Wahrheit handelte.
Ja, wie war das denn eigentlich zu verstehen? Wem vertraute er denn mehr als seinem eigenen Sohn, dem er immer wieder zu versichern pflegte, in ihm seinen einzig würdigen Nachfolger zu sehen?
Und genau das fragte sich Johann jetzt nicht mehr nur insgeheim, sondern sprach es aus, weil er anscheinend auf die Frage hin, wer denn solches behauptet hatte, gar keine Antwort bekommen sollte:
„Du hast also einen Informanten, dem du dermaßen vorbehaltlos vertraust, dass du sogleich auf mich los gehst, ohne überhaupt sicher sein zu können, ob es stimmt? Ich bin schließlich dein Sohn, dein eigenes Fleisch und Blut. Ja, was macht dich da so sicher? Und um welche der Brinkmanns soll es sich deiner Meinung nach überhaupt handeln?“
Georg Wetken schnappte nach Luft wie der sprichwörtliche Fisch auf dem Trockenen. Ihm fehlten ausnahmsweise einmal die Worte. Anscheinend hätte er dermaßen viel Unverfrorenheit von seinem eigenen Sohn niemals erwartet.
Dann blies er dick die Wangen auf und ließ anschließend die Luft zischend entweichen.
Die typische Handbewegung zu seinem wallenden Vollbart folgte, ehe er, immer noch vor kaum verhaltenem Zorn bebend, antwortete:
„Es geht nicht um die Quelle allein, von der ich diese Information habe, sondern es geht darum, dass ich definitiv weiß, wann du heute Morgen zurückgekommen bist. Glaubst du denn im Ernst, ich kümmere mich nicht darum, was mein künftiger Nachfolger so treibt?
Hast du denn überhaupt eine Ahnung davon, wie wichtig du für das Hansehaus Wetken und darüber hinaus für alle Hansekaufleute bist, die sich unserer Gilde angeschlossen haben, und was du in dieser ganz besonderen Stellung, in der du dich nun einmal befindest, mit einem solchen Fehlverhalten für Schaden anrichtest?“
„Und du bist also völlig sicher, dass ich mich auf eine Brinkmann eingelassen habe?“, beharrte jetzt Johann stur.
„Ich kenne die Umstände, weiß, dass du dich heimlich mit jemandem triffst...“, begann Georg Wetken und hatte dabei alle Mühe, nicht wieder regelrecht zu explodieren.
Ungewohnt respektlos fiel ihm sein Sohn ins Wort:
„Und wieso muss es ausgerechnet eine Brinkmann gewesen sein, mit der ich mich traf?“
„Mit wem denn sonst? Du bist erst in der Frühe zurückgekommen, weil diese Adele nicht zu eurer Verabredung gekommen ist, nicht wahr? Sie hat dich versetzt.
Aus gutem Grund, wie ich meine. Aus demselben Grund, aus dem ich gewillt bin, dich als meinen Sohn für immer zu verstoßen. Was du damit nämlich dem Hansehaus Wetken und darüber hinaus angetan СКАЧАТЬ