Kornblumenjahre. Eva-Maria Bast
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Название: Kornblumenjahre

Автор: Eva-Maria Bast

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

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isbn: 9783839246641

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Dann öffnete sie das Gartentor und trat auf die dunkle Straße hinaus.

      23. Kapitel

      München, Bayern, Februar 1923

      Marlene hatte schreckliche Angst. Nachdem sie schon vorhin in seiner Gegenwart kein Wort herausbekommen hatte – wie sollte sie es dann schaffen, ihm eine gute Tischdame zu sein? Plötzlich verfluchte sie Lisbeth für ihre Idee, sie nebeneinander zu platzieren, und überlegte fieberhaft, ob es eine Möglichkeit gäbe, nicht neben ihm zu sitzen. Sie zog sogar in Erwägung, plötzliche Kopfschmerzen vorzutäuschen und sich zurückzuziehen – aber das konnte sie Lisbeth nicht antun, war sie doch eigens für ihre Hochzeit nach München gekommen und hatte die Tage der Vorbereitung in engster Vertrautheit mit ihr verbracht. Außerdem wollte sie ihm ja gar nicht ausweichen. Sie wollte neben ihm sitzen, seine Nähe spüren. Wenn sie sich nur nicht allzu sehr blamierte. Und so wissend, wie er sie immer anschaute, ahnte er, was in ihr vorging. Das war ihr peinlich. Vielleicht, dachte Marlene, sollte sie kühle Distanziertheit an den Tag legen. So tun, als beeindrucke sie seine Anwesenheit gar nicht. Sie war sich allerdings nicht sicher, ob ihr das gelingen würde.

      Es gelang ihr. Und wie es ihr gelang. Nachdem die Suppe aufgetragen worden war und sie den ersten Löffel probiert hatte, beugte sie sich leicht zu ihm hinüber und schwärmte: »Ein himmlischer Genuss, findest du nicht?«

      »In der Tat.« Andreas wandte sich ihr zu und sah ihr in die Augen. Dann wanderte sein Blick über ihr Gesicht, zu den zarten blonden Locken, die sich über den Ohren kräuselten, und dann, zu rasch, als dass es anzüglich hätte sein können, über ihr Dekolleté in dem hellblauen Seidenkleid mit dem Spitzenrand. »Ein himmlischer Genuss«, wiederholte er langsam, und Marlene spürte, wie ihr die mühsam errungene Selbstsicherheit bei diesen Worten entglitt. »Wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, Marlene: Du siehst absolut hinreißend aus. Das Blau deines Kleides greift genau die Farbe deiner Augen auf und macht sie noch ausdrucksvoller. Du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe.«

      »Oh«, Marlene errötete und beugte sich rasch über ihren Teller, um noch einen Löffel Suppe zu nehmen. Sie bemerkte, dass er sie immer noch ansah, und betete innerlich, dass sie den Löffel halbwegs elegant zum Mund führen und nicht kleckern würde. Es glückte ihr. Danach sah sie ihn wieder an. »Das ist sehr freundlich von dir.«

      »Nein, Marlene.« Seine Stimme klang rau. »Das ist nicht freundlich, sondern sehr ernst gemeint.« Auf einmal wirkte er nervös, als er fragte: »Würdest du mir nachher den ersten Tanz schenken?«

      Der Griff, mit dem er sie umschlang, war fest und bestimmt. Minuten zuvor hatte das Brautpaar seinen Eröffnungstanz gegeben, nun drängten die Tanzlustigen auf die Fläche. Nach all dem Hunger und der Entbehrung, die mit der Inflation einhergingen, gierten sie alle nach etwas Lebensfreude und Ablenkung. Es war eng, aber das gefiel Marlene. Sie spürte das Klopfen seines Herzens und es kam ihr so vor, als ob es besonders schnell schlüge. Während des Tanzes sprachen sie die ganze Zeit über kein Wort, sahen sich nur unverwandt in die Augen, wandten den Blick ab, sahen sich wieder an. Ein ewiges, nervenaufreibendes, aufregendes Spiel. Am Ende glühten Marlenes Wangen feuerrot. »Ich bin gleich wieder da«, sagte sie und befreite sich hastig aus seinen Armen. Sie brauchte jetzt unbedingt eine Pause. »Ich will mich nur eben ein wenig frisch machen.« Er nickte und entließ sie aus seiner Umarmung.

      Im Vorraum der Toilette angekommen, stützte sich Marlene keuchend auf dem großen Marmortisch ab, in den das Waschbecken eingelassen war, und blickte sich in die fiebrig glänzenden Augen. Wie gerne hätte sie die Hände unter kaltes Wasser gehalten und auf ihr Gesicht gepresst, aber sie fürchtete, dass sie damit ihre kunstvolle Aufmachung zerstören könnte. Spontan entschied sie, noch ein wenig in den Garten zu gehen. In der kalten Winterluft würde sie sicher wieder einen klaren Kopf bekommen. Sie verzichtete aber darauf, an der Garderobe ihren Mantel zu holen, sie wollte kein Aufsehen erregen. Und sie wollte ja auch wirklich nur ein paar Minuten draußen bleiben.

      Marlene stieß die Terrassentür auf, die in den Garten führte, und trat hinaus ins Freie. Die kalte Winterluft schoss durch den seidenen Stoff ihres Kleides, es tat gleichermaßen gut und beinahe weh. Vom Himmel kam ein leichter, kaum wahrnehmbarer Nieselregen. Marlene hob das Gesicht und genoss das Gefühl, wie das kalte Wasser ihre immer noch glühende Haut sanft benetzte. Ein paar Schritte ging sie auf den Steinplatten durch den Garten und suchte dann Schutz unter einer Pergola, von der aus sich ein herrlicher Blick auf die Stadt bot.

      »Marlene«, hörte sie plötzlich eine männliche Stimme, seine Stimme, hinter sich. »Marlene, dir wird doch kalt.«

      Sie wirbelte herum und fast direkt in seine Arme. Ganz dicht stand er vor ihr, sie konnte die Wärme seines Körpers durch den dünnen Stoff ihres Kleides spüren. Er zog sein Jackett aus und legte es ihr um die Schultern. Den Kragen ließ er nicht los, sondern zog sie zu sich heran. »Unvernünftiges Mädchen«, murmelte er, bevor er die Augen schloss und seine Lippen die ihren berührten.

      24. Kapitel

      Überlingen, Bodensee, 5. Februar 1923

      Johanna fand Raphael tatsächlich auf dem Felsen am See. Schon von Weitem konnte sie die zusammengekauerte Gestalt, die in Richtung Wasser starrte, schemenhaft ausmachen.

      »Raphael«, sagte sie leise, als sie bei ihm angelangt war.

      Der Junge hob langsam den Kopf. Er hatte Johanna bereits kommen hören.

      »Warum bist du weggelaufen?«, fragte sie und kletterte vorsichtig den Felsen hinauf. Ihr deutlich gerundeter Bauch behinderte sie.

      »Ich … ich konnte einfach alles nicht mehr ertragen. Ich wollte niemanden sehen«, stieß Raphael hervor.

      »Das kann ich gut verstehen. Aber du weißt, dass du dich dessen, was ich dir gesagt habe, nicht zu schämen brauchst.« Johanna ließ sich neben ihm nieder.

      Raphael schniefte. »Ich weiß. Und irgendwie finde ich das auch gar nicht so schlimm. Viel schlimmer finde ich, dass Mutter mich all die Jahre über angelogen hat.«

      »Es fiel ihr nicht leicht, Raphael, das kannst du mir glauben. Wir haben oft darüber gesprochen.«

      Raphael starrte sie an und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. »Alle habt ihr mich angelogen. Alle. Ihr habt es alle die ganze Zeit über gewusst.« Er sprang auf und sah auf Johanna herab.

      »Ich habe gedacht, du bist ehrlich zu mir«, sagte er wütend und kletterte vom Felsen herunter.

      Johanna hatte Angst, dass Raphael wieder davonrennen könne. »Lass es dir bitte erklären«, bat sie leise.

      »Was gibt es denn da noch zu erklären?«, fragte Raphael trotzig. »Ihr habt mich angelogen. Alle.«

      »Ich verstehe deine Enttäuschung«, versicherte Johanna. »Aber bitte, gib mir eine Chance.«

      Es beeindruckte Raphael, dass Johanna mit ihm wie mit einem Erwachsenen redete. Dass sie ihn um etwas bat und es ihm nicht einfach befahl, wie so viele andere das taten. Er wurde wie ein Erwachsener behandelt. Also würde er sich auch wie einer verhalten, beschloss der Junge. Andererseits wollte er Johanna seine Bereitwilligkeit nicht allzu deutlich zeigen.

      »Gut«, erklärte er mürrisch. Er kletterte wieder auf den Felsen, aber nun drehte er Johanna den Rücken zu.

      »Deine Mutter wollte es dir irgendwann sagen«, begann Johanna. »Sie wusste nur nicht so recht, wann. Eine Zeit lang hat sie sich überlegt, СКАЧАТЬ