Kornblumenjahre. Eva-Maria Bast
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Название: Kornblumenjahre

Автор: Eva-Maria Bast

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783839246641

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СКАЧАТЬ behandelt worden bin. Zwar waren die Deutschen und die Franzosen auch damals keine Freunde gewesen, aber sie gingen wenigstens einigermaßen zivilisiert miteinander um. Wie hatte sich die Welt doch verändert! Und vor allem – was brachte das alles? Die Deutschen hatten nach der Besetzung des Ruhrgebietes ihre Kohlelieferungen an Frankreich vollständig eingestellt und die französische Regierung somit genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollte.

      Er dachte an die Frau, die er vor neun Jahren das letzte Mal gesehen hatte und die auch zu der Bevölkerung gehörte, die nun unter der Besetzung zu leiden hatte. Und er hoffte, dass sie sich nicht der allgemeinen Stimmung angeschlossen hatte. Dass sie ihn nicht hasste. Er würde seinen Plan, sie zu suchen, in die Tat umsetzen, beschloss er.

      Aber durfte er das denn? Würde er sie damit nicht nur unnötig in Gefahr bringen, jetzt, da der Franzosenhass so hohe Wellen schlug? Er hatte von deutschen Frauen gehört, die von der aufgebrachten Bevölkerung beinahe massakriert worden waren, weil man sie mit Franzosen gesehen hatte.

      Aber er hatte jahrelang auf diese Chance gewartet.

      Ja, er würde sie suchen, seine Sophie.

      20. Kapitel

      Überlingen, Bodensee, 5. Februar 1923

      Johanna hämmerte an Raphaels Zimmertüre. »Raphael, bitte, mach doch die Tür auf!«

      Der Junge antwortete nicht und es war nur lautes und verzweifeltes Schluchzen zu hören.

      »Bitte, Raphael, lass uns darüber reden.«

      Oh nein, dachte Johanna, als wieder keine Antwort kam, was soll ich nur tun?

      »Raphael, ich möchte dir doch helfen!«, rief sie flehend.

      Das Bett knarrte, und Johanna hörte, wie Raphael durch das Zimmer zur Tür ging. Der Schlüssel wurde herumgedreht und dann stand der Junge vor ihr.

      Es schnitt Johanna ins Herz, als sie sein verzweifeltes kleines Gesicht sah. »Darf ich hereinkommen?«, fragte sie vorsichtig.

      Raphael nickte schniefend und trat einen Schritt zurück.

      Johanna ging ins Zimmer und ließ sich auf seinem zerwühlten Bett nieder.

      »Komm«, sagte sie, »setz dich neben mich.«

      Raphael folgte der Aufforderung. Er saß sehr aufrecht, fast steif, und war sichtlich um Fassung bemüht.

      »Möchtest du mir davon erzählen?« Johanna achtete darauf, den Jungen nicht anzusehen oder zu berühren.

      Raphael schwieg und starrte auf seine Fußspitzen. »Warum haben sie das getan?«, fragte er schließlich so leise, dass Johanna Mühe hatte, ihn zu verstehen. »Ich gehöre doch dazu. Warum sind sie über mich hergefallen? Sie sind böse. Kennen sie denn die Franzosen überhaupt, dass sie so über sie schimpfen?«

      In Johannas Kopf arbeitete es fieberhaft. Wie sollte sie es Raphael nur beibringen? Sie musste es ihm so sagen, dass er nicht das Gefühl bekam, es sei eine Schmach.

      »Menschen, die so etwas tun, sind dumm«, sagte sie schließlich hilflos. »Die Franzosen sind nicht schlecht.«

      »Das weiß ich«, sagte Raphael. »Aber in der Schule schimpfen alle auf sie.«

      »Im Moment verstehen sich die Franzosen und die Deutschen nun mal nicht so gut«, erklärte Johanna ruhig. »Aber das macht weder sie noch uns zu schlechteren Menschen. Ich streite mich auch manchmal mit jemandem, ohne dass ich dadurch gleich zu einem Bösewicht werde.«

      Raphael schwieg nachdenklich. »Stimmt«, sagte er dann. »Gestern habe ich mich auch mit Susanne gezankt. Aber Susanne ist nicht böse. Und ich auch nicht, oder?«

      Johanna schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Nein, ganz bestimmt nicht.« Doch gleich darauf wurde sie wieder ernst und wartete auf die nächste Frage, die unvermeidlich kommen musste.

      Da fragte Raphael auch schon. »Aber ich verstehe trotzdem nicht, warum sie mich ›Franzosenschwein‹ genannt haben. Irgendwie ist das seltsam. Erst die Einbrecher und jetzt das.«

      Johanna sah ihn erschrocken an. Ahnte der Junge, dass mehr hinter dem Einbruch steckte?

      »Ich meine, ich weiß, dass die Jungs blöd waren, als sie auf die Franzosen schimpften. Aber warum haben sie mich beschimpft?«

      Johanna schluckte und holte dann tief Luft. »Es gibt da etwas, was du wissen solltest, Raphael«, begann sie vorsichtig.

      *

      Sophie lag hemmungslos schluchzend in ihrem Bett. Immer wieder murmelte sie zwischen den Schluchzern die Frage, die sie sich in den letzten Tagen so oft gestellt hatte. »Was soll ich nur tun? Oh Gott, was soll ich nur tun?«

      »Ich glaube, das weißt du sehr gut selbst, Sophie«, sagte ihr Vater, der auf einem Stuhl neben dem Bett saß, ernst. »Du hast nicht viele Möglichkeiten.«

      »Du meinst, ich soll Überlingen mit Raphael verlassen?«

      »Ja«, erwiderte Friedrich schlicht. »Du bist für den Jungen verantwortlich.«

      »Es ist ihm ja nichts geschehen«, murmelte Sophie in ihr Kissen.

      »Wie bitte?«, fragte Friedrich mit unterdrückter Wut in der Stimme. Er sprang auf und ging aufgebracht im Zimmer auf und ab. »Was ist denn nur los mit dir? Das nennst du ›nichts geschehen‹? Wann wäre denn in deinen Augen ›etwas geschehen‹? Wenn er zusammengeschlagen im Krankenhaus läge?«

      »Bitte, Vater«, schluchzte Sophie. »Du hast ja recht … Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.«

      »Sophie«, sagte Friedrich eindringlich. »Du hast nicht nur die Verantwortung für Raphaels körperliches Wohlergehen, sondern auch für sein seelisches. Selbst wenn sie ihn nicht zusammenschlagen, so sind diese Erlebnisse für ihn schrecklich und werden ihn prägen. In diesen Minuten sagt Johanna ihm, dass sein Vater Franzose ist. Glaubst du denn, es ist einfach für ihn, zu erfahren, dass sie ihn aufgrund dessen so behandeln? Es könnte seine ganze Entwicklung beeinträchtigen.«

      »Vater«, flehte Sophie. »Hör bitte auf. Ich weiß ja, ich weiß.«

      »Was wirst du also tun?«, fragte Friedrich streng.

      »Überlingen verlassen.« Sie sagte ihm nicht, dass sie keineswegs nach Konstanz gehen wollte, wie ihr Vater dachte, sondern ins Ruhrgebiet zu Luise.

      Friedrich atmete tief durch. »Gut«, sagte er, ruhiger geworden.

      »Ach, Vater, was meinst du, wie wird er es aufnehmen?«, fragte Sophie bang.

      »Ich weiß es nicht«, erwiderte der Schuldirektor auf seine bedächtige Art. »Aber du kannst sicher sein, dass Johanna ihr Möglichstes tun wird, um es ihm so zu sagen, dass er es als das auffasst, was es ist: nicht als Schande, sondern als ganz normale Tatsache. Die Zeit, in der wir leben, ist verrückt, nicht die Sache an sich.«

      »Aber es ist so viel geschehen!«

      »Es bleibt dir nichts anderes übrig, als abzuwarten.«

      Sophie СКАЧАТЬ