Название: Ende einer Welt
Автор: Claude Anet
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783961185658
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Auch in diesem Jahre zogen die Mädchen, als der Abend sank, auf den Hügel, den die heilige Eiche krönte. Es war ein uralter Baum, dessen Stamm zwar nicht allzustark, doch knotig und hart wie Stein war. Mehrfach hatte der Blitz ihn schon getroffen. Jedes Mädchen trug in seiner linken Hand einen Eichenzweig, der vom vorigen Jahr in den Hütten aufbewahrt worden war. Auf der Höhe angelangt, schichteten sie die Zweige zu einem Stoß, den sie weinend und wehklagend anzündeten. Als die Flammen erloschen waren, schritten sie zweimal im Kreise um den Baum und sangen langsam und in klagender Art ihre Verse. Dann wurden die Girlanden, die sie vorbereitet hatten, an den Zweigen befestigt, und sobald dies geschehen war, umstellten die Mädchen wieder im Kreise den Baum und machten ihm mit vor der Brust gekreuzten Armen eine Reihe tiefer Verbeugungen. Sie neigten wiederholt den Oberkörper nach rückwärts und senkten ihn wieder vor, womit die Bewegungen des Baumes nachgeahmt wurden, der vom Winde geschüttelt wird. Im Augenblick, da die Sonne sank, pflückten sie grüne Zweige vom Baume, die sie, laute Freudenschreie ausstoßend, heftig durch die Luft schwenkten. Noch zweimal, jetzt aber in fröhlichem und raschem Takt, tanzten sie, einander an den Händen fassend, um den Baum, dann verließen sie, noch immer ihre Hände festhaltend, eine fröhlich bewegte, lichte Kette, den Hügel, um in das dunkelnde Tal hinabzusteigen.
Mah, als die Jüngste, führte den Reigen. Efeu und Blumen zierten ihr Haar, um ihren schlanken Hals waren Narzissen und Veilchen geschlungen. Durch ihr halb geöffnetes Wams schimmerte die jugendliche Brust, so schwebte sie mit den geschmeidigen Beinen eines jungen Rehs, das bei jedem Schritt zu zögern scheint, ehe es das gebogene Bein auf den Boden setzt, wie die Verkörperung der grünenden Jahreszeit selbst, mit allen ihren frisch erblühten Reizen verführerisch über die Wiese.
Als sie zum Flusse kam, erblickte sie unweit vor sich den alten Häuptling Rahi, der, auf einem umgestürzten Stamme sitzend, mit einem der Weisen sprach.
Rahi blickte auf und der Schar der jungen Mädchen entgegen, die, immer noch singend, blumengeschmückt herankamen. Mah erschien ihm wie das Abbild der Jugend, die seine Sinne schon so lange vergessen hatten. Er sah sich wieder stark und geschmeidig mit behendem Fuß die Wälder durcheilend. »Ach,« seufzte er zu sich selbst, »wenn es jemand vermag, mir für kurze Zeit noch meine einstigen Kräfte zurückzugeben, so ist es nur dieses schöne, junge Mädchen.« Ein frischer Strom pochenden Blutes brauste jetzt fröhlich durch seine Adern.
Die lichten Gestalten waren entschwunden, ihr fröhliches Lied verklang in der Ferne, und Rahi dachte immer noch an Mah, an ihren zögernden Schritt, an den kleinen Kopf, der auf dem schlanken Hals sich wiegte, an die Blumen in ihrem Haar ... Langsam, schwer auf seinen Stock gestützt, schritt er seiner Hütte zu.
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