Ende einer Welt. Claude Anet
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Название: Ende einer Welt

Автор: Claude Anet

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783961185658

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СКАЧАТЬ der wesentlichste Teil von uns zur Unsterblichkeit bestimmt? So fuhr auch der Stammvater fort, seine geliebten Kinder zu beschirmen. Einige Bevorzugte von ihnen vermochten ihn sogar manchmal zu erblicken, denn er offenbarte sich jenen, die dazu befähigt waren, das zu sehen, was anderen verborgen bleibt, und Worte zu hören, die gewöhnliche Ohren zu vernehmen unfähig sind.

      Seltsam zurückhaltend waren die mündlichen Überlieferungen, soweit sie das Leben und das Verschwinden des Ahnherrn in diesem Lande betrafen, in dem sein Geschick, das durch so lange Zeit von feindlichen Mächten bedroht worden war, endlich Ruhe gefunden hatte. Und es war verständlich, daß dies Wenige, das man berichten konnte, nicht vor den Ohren der geschwätzigen und unbedachten Frauen erzählt wurde. Nur den Männern wurden diese Geheimnisse mitgeteilt, und auch ihnen nur stufenweise und unter feierlichen Umständen, wie die Gebräuche sie für jene bestimmten, welche, zu Männern herangereift, die Proben der Einweihung in jener selben Höhle bestanden, in der der Stammvater nach dem Verlassen der menschlichen Gemeinschaft weitergelebt hatte. Der Felsen selbst zeigte den Abdruck seiner Tatzen, fast zehn Fuß hoch über dem Boden, den er, der Riese, dort hinterlassen hatte. Es gab keinen geheiligteren Ort im ganzen Stamm, und jeder, der ihn leichtfertigen Sinnes aufgesucht hätte, wäre eines plötzlichen Todes gestorben. Auf zweihundert Schritte im Umkreis durfte der Boden nicht betreten werden. Und wenn man von ihm sprach, beschränkte man sich darauf, mit Absicht unbestimmte Worte zu flüstern, in denen »ein so schweres Verbrechen« angedeutet wurde, »dessen Enthüllung kein menschliches Ohr zu vernehmen vermöchte« und, seltsamer Widerspruch, »ein Verbrechen, notwendig dennoch, mit Folgen, die niemals aufgehört haben, wohltätig dem ganzen Stamme zu dienen«. Wußte man mehr darüber? Niemand hätte gewagt, außerhalb der heiligen Grotte diese Dinge zu besprechen, denn Geheimnisse, durch deren Besitz eine menschliche Gesellschaft lebt und gedeiht, dürfen nicht in der Öffentlichkeit enthüllt werden.

      Und daß die Gesellschaft, die der Ahne begründet hatte, von Bestand gewesen war, vermochte niemand zu leugnen, denn es hatten nach den genauesten Berechnungen seit jener Zeit, da der Stamm von dieser Gegend am Flusse Besitz ergriffen hatte, zehnmal zwanzig Generationen ein friedliches Dasein gelebt. Eine so lange Periode friedlicher Entwicklung fand nicht ihresgleichen auf der Welt. Ist doch die Vergangenheit bis in die weitest zurückliegenden Zeiten, die erforscht wurden, eine endlose Kette grausamer Kämpfe, und alle Gerüchte, die aus fernen Ländern bis zum Flusse gelangten, kündeten nur blutige Gemetzel. Die Leute vom Fluß aber waren nur zweimal gezwungen gewesen, anders als zur Jagd zu ihren Waffen zu greifen. Das erstemal gegen Eindringlinge, die als wilde Horden ohne Kultur und Gesetz von Norden hereinbrachen. Mühelos wurden sie zurückgewiesen. Das zweitemal, um sich gegen Menschen zu wehren, die sie vom Süden her bedrängten und wahre Fremdlinge waren, denn von Kopf bis zu Füßen schwarz, schienen sie die bösesten Geister der Nacht zu verkörpern. Groß und stark waren sie und im Kampfe wohlgeübt. Und vielleicht hätten die Leute vom Fluß trotz ihres Mutes sie nicht zu besiegen vermocht, wenn sich nicht in diesem entscheidenden Augenblicke der allmächtige Schutz des großen Ahnen offenbart haben würde. Frühzeitig ließ er einen furchtbar strengen Winter über das Land hereinbrechen, so daß vier Fuß hoher Schnee den Boden bedeckte, und wie die Schwalben vor dem ersten, rauheren Westwind, hatten jene aus dem Süden gekommenen schwarzen Männer vor der ungewohnten Kälte die Flucht ergriffen.

      Friedlich lebte der Stamm seit dieser Zeit an den wildreichen Ufern des Flusses, Alleinherrscher über ein Land, dessen Besitz ihm niemand streitig machte.

      Ging man zwei Tagemärsche lang das Tal aufwärts, so traf man Menschen der gleichen Abstammung, die Söhne des Ebers, und noch ein wenig weiter die Söhne des Mammut, die an der Quelle des Flusses siedelten. Im Westen erreichte man nach vier Tagemärschen ungeheure, unüberwindbare Sümpfe, die sich bis zum Horizont ausdehnten. Ein großer Strom, der nur eine Tagereise weit von Sonnenaufgang gegen Westen floß, bildete im Süden die Grenze des Jagdgebietes. Beziehungen zu den Nachbarstämmen gab es wenige. Zum Streit gab es gewiß keinen Anlaß, vermochte doch jeder Jäger in diesen ungeheuren Gebieten, ohne dem anderen in die Quere zu kommen, ausreichende Beute zu finden. Unter allen Tieren, die diese Menschen nur verfolgten, soweit sie sie zu ihrem Lebensunterhalt benötigten, stand an erster Stelle das Renntier. Schon seit den ältesten Zeiten war es den Menschen, die in diesem harten Klima leben mußten, unentbehrlich geworden. Sein Fell, zugleich geschmeidig und fest und mit einem warmen Pelz bedeckt, diente dem Stamm zur Bekleidung. Man verwendete es sogar, da es sich so leicht bearbeiten ließ, als Behang für die Wände der Hütten. Sein starkes, hartes Geweih wurde in mühevoller Arbeit für die Enden der Speere und Harpunen brauchbar gemacht. Sein Fleisch diente als kräftige und beliebte Nahrung, seine Hufe schließlich waren, wie man allgemein wußte, ein unübertroffenes Heilmittel gegen die Fallsucht.

      Herden von Bisons streiften durch das Land, aber sie verschwanden ebenso unvermittelt wie sie aufgetaucht waren, ohne daß man eine Ursache dafür zu finden vermochte. Unendlich schwierig war die Jagd auf diese Tiere, denn die gewaltige Kraft, die sie besaßen, war mit ebenso großer Tücke gepaart, und mehr als ein mutiger Jäger des Stammes war von einem wütenden Bison zu Tode gestampft worden.

      Nur die Mammuts ließen sich selten sehen. Zu dritt oder viert, manchmal fünf, tauchten sie gemeinsam auf, und stets blieb die ganze Gruppe beisammen. Sie waren die geselligsten Tiere und auch die friedfertigsten von allen. Die Menschen hüteten sich wohl, sie anzugreifen, und überließen es dem Zufall, ihnen eines dieser mächtigen Kolosse verwundet oder krank auszuliefern. Obwohl sie nicht gejagt wurden, zeigten sie ein besonderes Mißtrauen. Wer hätte sich rühmen können, ihnen auch nur so nahe gekommen zu sein, um sie mit einem Pfeil zu erreichen! Und was hätte schon ein armseliger Pfeil dem zottigen, runzeligen, verwitterten Fell eines Mammuts anhaben können? Ein- oder zweimal im Frühjahr, wenn die Gräser zwischen den Flechten hervorzusprießen begannen und die der Sonne ausgesetzten Hänge der Hügel bedeckten, bemerkte man auf einer windgeschützten Weide, fern von jedem Gebüsch, in dem der Mensch sich hätte verbergen können, eine Familie von Mammuts, die friedlich graste. Mächtig ragten ihre langen, unnützen Stoßzähne gegen den Himmel. Kein Mammut konnte sich erinnern, sie jemals gebraucht zu haben, denn keines der anderen Tiere, selbst nicht der Löwe, wagte es, sie anzugreifen. Mit ihrem weichen Rüssel rissen sie das Gras aus und stopften es in ihr klaffendes Maul. Ihre gewaltigen Ohren, die niemals zur Ruhe kamen, nahmen die kleinsten Geräusche auf und prüften sie. Wenn eines von diesen verdächtig schien, dann zogen sie in leichtem Trab davon, aber ein laufender Mann hätte ihnen nicht folgen können. Sie flohen mit gewölbtem Rücken, wie von Ärger überwältigt, den schweren Kopf mißbilligend nach rechts und links schüttelnd, indes sie mit den Augen verächtlich zwinkerten, als wollten sie auf ihre Weise sagen: »Uns wird man nicht überlisten.« Im Hochsommer verschwanden sie in östlicher Richtung, und man sah sie erst im nächsten Jahre wieder.

      Kürzlich war ein Mammut auf einem schmalen Weg, der an dem durch Regengüsse angeschwollenen Sumpf entlang führte, ausgerutscht. Im lehmigen Boden steckengeblieben, versank es durch seine Anstrengungen, sich zu befreien, immer tiefer. Es trompetete wütend. Durch den weithin dringenden Lärm angelockt, liefen die Männer des Stammes herbei, und das überraschende Schauspiel, das sie vor Augen hatten, erregte noch lange nachher ihre höchste Verwunderung: Zwei Mammute standen am Rande des Sumpfes und versuchten, ihren Genossen zu befreien. Der eine von ihnen umschlang dessen Rüssel, der andere hatte ihn bei den Stoßzähnen erfaßt. Auf den festen Boden gestemmt, zerrten sie vergeblich mit aller Kraft an der gewaltigen Masse, die schon mehr als zur Hälfte versunken war. Als sie die Jäger herbeikommen sahen, hielten sie inne und stießen so fürchterliche Töne aus, daß die Menschen zurückwichen. Erst spät in der Nacht erkannten die beiden erschöpften Mammute die vollkommene Zwecklosigkeit ihrer Anstrengungen und verschwanden langsam. Ihr Gefährte war schon tot. Nur die graue Wölbung des Schädels ragte noch aus dem Wasser.

      Am nächsten Morgen kamen die Jäger zurück. Nach langen Beratungen entschieden sie, daß keine Gefahr mehr von dem Mammut drohe. Einige Männer warfen sich, an Riemen gebunden, in den trüben Sumpf und schlangen zwei starke Seile aus geflochtenem Leder um die Stoßzähne des Tieres. So versuchte man es auf trockenen Boden zu ziehen. Da dies nicht gelang, entschloß man sich, die Stoßzähne, die nicht СКАЧАТЬ