Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz. Ödön von Horváth
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Название: Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz

Автор: Ödön von Horváth

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclams Universal-Bibliothek

isbn: 9783159617077

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      ARBEITERFRAU. Sie müssten halt zur Invalidenversicherung.

      INVALIDER. Invalidenversicherung sagt, das geht ihnen nichts an, das geht die Berufsgenossenschaft was an. Berufsgenossenschaft sagt, meine Füsse wären vor dem Unfall auch schon schlecht gewesen, weil ich vorher schon Krampfadern und Plattfüsse gehabt hätte --- und der Herr Sachverständige hat es mir in das Gesicht hinein gesagt, ich könnt schon längst ohne Stock promenieren, wenn ich nur möchten tät!

      BUCHHALTER. Warens denn schon beim Spruchausschuss?

      INVALIDER. Die haben es ja bestätigt, dass mich die Berufsgenossenschaft von sechzig auf vierzig Prozent heruntergesetzt hat - das haben mir die ja direkt in das Urteil hineingeschrieben, dass bei dem Beschwerdeführer der Anreiz fehlen täte, weil er vorher beim Arbeiten auch nicht recht viel mehr verdient hätt, als wie jetzt mit der Rente!

      [28]Szene Nummer 3

       Nun verstummt alles und rührt sich nicht, denn ein Schupo (Alfons Klostermeyer) geht langsam vorbei und beobachtet scheinbar keine Seele. Langsam fängt es bereits an zu dämmern.

      Szene Nummer 4

      ARBEITERFRAU (sieht dem Schupo nach). Der Herr General --

      BUCHHALTER. Unser täglich Brot gib uns heute.

      MARIA. Bei mir ist das noch schlimmer.

      INVALIDER. Wie das?

      MARIA. Weil wir eine Familie von sieben Köpfen sind und das achte ist unterwegs -- aber weil mein Vater in der Woche vierzig Mark heimtragt, ziehens mir sogar noch etwas ab.

      INVALIDER. Alles Schwindel!

      ELISABETH. Mir wollen die auch nichts geben, weil mein Vater noch etwas verdient.

      BUCHHALTER. Was ist er denn Ihr Vater?

      ELISABETH. Versicherungsinspektor. Entschuldigens, aber jetzt muss ich lachen -- (sie lacht).

      ARBEITERFRAU. Warum lachst denn da, damische Gretl?

      ELISABETH (hört plötzlich auf).

      ARBEITERFRAU. So geh halt heim!

      ELISABETH. Nein!

      ARBEITERFRAU. Nachher bist selber schuld! Hat einen Inspektor zum Vater --

      ELISABETH (unterbricht sie). Versicherungsinspektor!

      ARBEITERFRAU. Ist ja wurscht!

      ELISABETH (grinst). Oho!

      BUCHHALTER. Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz.

      ARBEITERFRAU. Hat ein Zuhause und nützt es nicht aus!

      ELISABETH. Bei mir hat das einen bestimmten Grund.

      [29]ARBEITERFRAU. Hast denn gar etwas angestellt?

      ELISABETH (lächelt unsicher). Sieht man es mir denn an?

       (Stille.)

      BUCHHALTER (grinst). Nicht alles ist Gold, was glänzt -- (ab).

      Szene Nummer 5

      MARIA (zu Elisabeth). Man muss sich halt alles gefallen lassen.

      ELISABETH. Ich will nicht mehr erinnert werden.

      Szene Nummer 6

      INVALIDER (zählt für sich). Wohlfahrtsamt. Arbeitsamt. Berufsgenossenschaft. Invalidenversicherung. Spruchausschuss --- Auf Wiedersehen im Massengrab! (ab).

      Szene Nummer 7

      ARBEITERFRAU (für sich). Massengrab --- Wie lang das dauert, bis dass einer für Dich zuständig ist -- (ab).

      Szene Nummer 8

      MARIA. Was habens denn angestellt?

      ELISABETH. Nichts.

      MARIA. Aber eingesperrt hat man Sie doch?

      ELISABETH (schweigt).

      MARIA. Mir könnens das ruhig sagen -- ich weiss, wie das kommt. Das sind lauter kleine Paragraphen, aber Du bleibst hängen --- Du weisst eigentlich gar nicht, was los war und schon ist es aus. Schauns, meinem Vater habens gleich zehn Tag hinaufgehaut, weil er da paar Bretter vom Bauplatz gestohlen hat --- die sind halt so dagelegen und in unserer [30]Holzhütten, da hat es in die Betten hineingeregnet. Wenn man schon etwas anstellt, dann müsst es sich aber auch rentieren tun.

      ELISABETH (schweigt noch immer, es ist inzwischen Nacht geworden und die beiden Fräulein sitzen nun allein auf dem Sockel des Vorgartengitters in dem Lichte, das aus den Fenstern des Wohlfahrtsamtes herausstrahlt).

      MARIA. Warens schon einmal verheiratet?

      ELISABETH. Nein.

       (Stille.)

      ELISABETH. Wissens, mein Vater und ich, wir sind zwei verschiedene Personen. Zum Beispiel, wie ich das Licht der Welt erblickt habe, da war er ganz ausser sich, dass ich nur ein Mädel bin. Und das hat er mir dann fortgesetzt nachgetragen. Dabei hat er aber Allüren wie ein Weltmann. Wenn meine Mutter nicht schon tot wär, die könnt darüber so manches trübe Lied zum Besten geben. Alle Männer sind krasse Egoisten.

      MARIA. Bei Ihnen ist halt der Richtige noch nicht gekommen.

      ELISABETH. Möglich.

      MARIA. Der kommt ganz überraschend. Wenn man gar nicht denkt.

       (Stille.)

      ELISABETH. Mir ist von zehntausend Männern höchstens einer sympathisch.

      MARIA. Das schon.

      ELISABETH. Ich hab immer selbständig sein wollen -- so mein eigener Herr.

      MARIA. СКАЧАТЬ