Название: Der Kirschgarten. Eine Komödie in vier Akten
Автор: Anton Tschechow
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Reclams Universal-Bibliothek
isbn: 9783159617053
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LOPACHIN (sieht noch einmal auf die Uhr). Nun wird’s aber Zeit für mich.
JASCHA (reicht Ljubow Andrejewna ihre Medizin). Vielleicht wollen Sie Ihre Pillen nehmen …
PISCHTSCHIK. Sie sollten keine Medikamente nehmen, meine Beste … die schaden nicht, nutzen aber auch nicht … geben Sie mal her … (Nimmt die Pillen, schüttet sie auf die Handfläche, bläst auf sie, schiebt sie sich in den Mund und trinkt Kwass hinterher.) Da!
[23]LJUBOW ANDREJEWNA (erschrocken). Sie haben wohl den Verstand verloren!
PISCHTSCHIK. Alle Pillen sind herunter!
LOPACHIN. So ein Vielfraß!
(Alle lachen.)
FIRS. Als der Herr zu Ostern bei uns waren, haben er einen halben Eimer Gurken verzehrt … (Brabbelt vor sich hin.)
LJUBOW ANDREJEWNA. Was redet er da?
WARJA. Schon seit drei Jahren murmelt er so vor sich hin. Daran haben wir uns gewöhnt.
JASCHA. Das hohe Alter!
(Scharlotta Iwanowna im weißen Kleid, sehr mager, geschnürte Taille, eine Lorgnette am Gürtel, geht über die Bühne.)
LOPACHIN. Verzeihen Sie, Scharlotta Iwanowna, ich bin noch nicht dazu gekommen, Sie zu begrüßen. (Will ihr die Hand küssen.)
SCHARLOTTA (entzieht ihm ihre Hand). Erlaubt man Ihnen, die Hand zu küssen, so werden Sie den Arm wollen und dann noch die Schulter …
LOPACHIN. Heute glückt mir nichts!
(Alle lachen.)
LJUBOW ANDREJEWNA. Scharlotta, zeigen Sie uns ein Zauberkunststück!
SCHARLOTTA. Hören Sie auf. Ich möchte schlafen. (Geht ab.)
LOPACHIN. In drei Wochen sehen wir uns wieder. (Küsst Ljubow Andrejewna die Hand.) Leben Sie bis dahin wohl. Es ist Zeit. (Zu Gajew.) Auf Wiederbesehen! (Umarmt Pischtschik.) Auf Wiederbesehen! (Gibt Warja die Hand, dann Firs und Jascha.) Keine Lust, abzureisen! (Zu Ljubow Andrejewna.) Wenn Sie sich die Sache mit den [24]Landhäusern überlegt und sich entschlossen haben, dann sagen Sie mir Bescheid. Fünfzigtausend kann ich als Darlehen bekommen. Überlegen Sie es sich gründlich!
WARJA (verärgert). Nun gehen Sie doch endlich!
LOPACHIN. Ich geh ja schon, ich geh schon! (Geht ab.)
GAJEW. Ein grober Kerl … Pardon … Warja will ihn ja heiraten, er ist ja Warjas Künftiger.
WARJA. Nun reden Sie doch bitte nichts, lieber Onkel, was hier nicht hergehört.
LJUBOW ANDREJEWNA. Wieso denn, Warja, ich würde mich sehr freuen. Er ist ein guter Mensch.
PISCHTSCHIK. Ein höchst ehrenwerter Mensch … das muss man schon sagen … Und meine Daschenka sagt auch, dass er … verschiedenes sagt sie … (schnarcht, wacht aber sogleich wieder auf) und trotzdem, meine Verehrteste, leihen Sie mir bitte zweihundertvierzig Rubel … Ich muss morgen die Hypothekenzinsen bezahlen.
WARJA (erschrocken). Die haben wir doch nicht, das können wir nicht.
LJUBOW ANDREJEWNA. Tatsächlich, ich habe nichts mehr.
PISCHTSCHIK. Das Geld wird sich finden. (Lacht.) Ich gebe nie die Hoffnung auf. Ich dachte schon mal, alles wäre aus, ich wäre verloren, da, sieh mal an, da ging die Eisenbahnstrecke an meinem Grundstück vorbei und ich kriegte Geld dafür. Und wenn nicht heute, dann morgen, ehe man sich’s versieht, passiert was … zweihunderttausend gewinnt Daschenka in der Lotterie, sie hat ja ein Los.
LJUBOW ANDREJEWNA. Den Kaffee haben wir getrunken, nun kann man ausruhen.
[25]FIRS (bürstet Gajew mit der Kleiderbürste ab, im Befehlston). Schon wieder haben Sie nicht die richtigen Hosen angezogen. Was soll ich nur mit Ihnen machen!
WARJA (leise). Anja schläft. (Öffnet leise das Fenster.) Die Sonne ist schon aufgegangen. Es ist nicht mehr kalt. Schauen Sie nur, Mamachen: Was für herrliche Bäume! Mein Gott, und die Luft! Die Stare zwitschern!
GAJEW (öffnet das andere Fenster). Der ganze Garten ist weiß. Du hast ihn doch nicht vergessen, Ljuba? Da, diese lange Allee verläuft schnurgerade, wie ein straffer Riemen. Wenn der Mond scheint, leuchtet sie auf. Weißt du’s noch, hast du sie nicht vergessen?
LJUBOW ANDREJEWNA (blickt durch das Fenster in den Garten). Oh, meine Kindheit, meine Reinheit! In diesem Kinderzimmer habe ich geschlafen, von hier aus sah ich in den Garten, und jeden Morgen erwachte mit mir das Glück, und der Garten war genau wie heute, nichts hat sich verändert! (Lacht vor Freude.) Ganz, ganz weiß! Oh, mein Kirschgarten! Nach dem düsteren, regnerischen Herbst und dem kalten Winter bist du wieder jung geworden, glückstrahlend, und die Engel des Himmels haben dich nicht im Stich gelassen … Wenn ich doch von meiner Brust und meinen Schultern den schweren Stein wegwälzen könnte, wenn ich doch meine Vergangenheit vergessen könnte!
GAJEW. Ja, und wegen der Schulden wird der Kirschgarten verkauft, wie seltsam ist das …
LJUBOW ANDREJEWNA. Da seht nur, unsere verstorbene Mutter geht im Garten umher … im weißen Kleid … (Lacht vor Freude.) Dort ist sie …
GAJEW. Wo denn?
[26]WARJA. Um Gottes willen, Mama!
LJUBOW ANDREJEWNA. Niemand ist da, mir schien es nur so: rechts, wo es zur Laube geht, hat sich ein weißes Bäumchen herabgebeugt. Gerade wie eine Frau.
(Trofimow tritt ein, in einer abgetragenen Studentenuniform. Er trägt eine Brille.)
LJUBOW ANDREJEWNA. Was für ein wunderbarer Garten! Das weiße Blütenmeer, der blaue Himmel …
TROFIMOW. Ljubow Andrejewna!
(Sie sieht sich nach ihm um.)
Ich möchte Sie nur begrüßen und gehe auch gleich wieder weg. (Küsst leidenschaftlich ihre Hand.) Mir war gesagt worden, ich sollte bis morgen warten, ich hatte aber keine Geduld mehr …
(Ljubow Andrejewna sieht ihn erstaunt an.)
WARJA (unter Tränen). Das ist Petja Trofimow …
TROFIMOW. Petja Trofimow, früher der Lehrer Ihres Sohnes Grischa … Habe ich mich denn so sehr verändert?
(Ljubow Andrejewna umarmt ihn und weint still vor sich hin.)
GAJEW (bekümmert). Nun genug, genug, Ljuba!
WARJA (weint). Ich habe Ihnen doch gesagt, Petja, Sie möchten bis morgen warten.
LJUBOW ANDREJEWNA. Mein Grischa … mein Junge, Grischa … mein Sohn …
WARJA. Was ist daran zu ändern, Mamachen? Es war Gottes Wille.
TROFIMOW (weich, СКАЧАТЬ