Название: Der Kirschgarten. Eine Komödie in vier Akten
Автор: Anton Tschechow
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Reclams Universal-Bibliothek
isbn: 9783159617053
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ANJA. Na, und wie steht’s hier? Habt ihr die Zinsen bezahlt?
WARJA. Wie können wir das denn!?
ANJA. Mein Gott, mein Gott!
WARJA. Im August soll das Gut verkauft werden …
ANJA. Mein Gott …
LOPACHIN (blickt zur Tür hinein und meckert wie eine Ziege). Määäh … (Zieht sich wieder zurück.)
WARJA (unter Tränen). Dem möchte ich’s doch mal zeigen … (Droht mit der Faust zu ihm hin.)
ANJA (umarmt Warja, leise). Warja, hat er dir einen Antrag gemacht? (Warja schüttelt verneinend den Kopf.) Aber er [14]liebt dich doch … Warum erklärt ihr euch nicht? Worauf wartet ihr?
WARJA. Ich denke manchmal, uns glückt nichts. Er hat so viel andere Dinge, an mich denkt er nicht … er beachtet mich gar nicht. Soll er meinetwegen, aber mir wird es schwer, ihn vor Augen zu haben … Alle reden von unserer Hochzeit, alle gratulieren schon, aber in Wirklichkeit geschieht nichts. Das ist wie ein Traum … (Verändert den Ton.) Ein nettes Bröschchen hast du da, wie eine kleine Biene.
ANJA (traurig). Die hat Mama gekauft. (Während Anja in ihr Zimmer geht, sagt sie munter, kindlich.) Und in Paris bin ich mit einem Ballon geflogen!
WARJA. Mein Seelchen ist wieder da, meine Schöne ist wiedergekommen!
(Dunjascha ist inzwischen mit der Kaffeemaschine gekommen und macht Kaffee.)
WARJA (an der Tür). Ich laufe den ganzen Tag in der Wirtschaft herum, mein Seelchen, und träume dabei. Du müsstest einen reichen Mann heiraten, dann würde ich ganz beruhigt sein, ich würde zum Kloster pilgern, dann nach Kiew … dann nach Moskau, und würde so immer weiter wandern, von einer heiligen Stätte zur andern … zöge von Ort zu Ort. Das wäre eine Seligkeit! …
ANJA. Die Vögel singen schon im Garten. Wie viel Uhr ist es wohl?
WARJA. Gleich drei, Zeit zum Schlafen für dich, mein Seelchen! (Geht zu Anja ins Zimmer hinein.) Eine Seligkeit! (Jascha tritt ein, mit einem Plaid und einer Reisetasche.)
JASCHA (geht quer über die Bühne, affektiert). Gestatten die Herrschaften hier durchzugehen?
[15]DUNJASCHA. Man erkennt Sie gar nicht wieder, Jascha! Was für ein Mensch sind Sie bloß im Ausland geworden? …
JASCHA. Hm … Und wer sind Sie?
DUNJASCHA. Als Sie von hier abgereist sind, war ich schon so groß … (Zeigt die Höhe vom Fußboden aus.) Ich bin Dunjascha, die Tochter von Fjodor Kosojédow. Sie kommen nicht darauf?
JASCHA. Hm … Du kleine Gurke! (Schaut sich um und umarmt sie. Sie schreit auf und lässt eine Untertasse fallen. Jascha geht schnell ab.)
WARJA (in der Tür zu ihrem Zimmer, ärgerlich). Was ist hier schon wieder los?
DUNJASCHA (unter Tränen). Eine Untertasse ist zerbrochen.
WARJA. Scherben bringen Glück.
ANJA (kommt aus ihrem Zimmer). Man müsste Mama Bescheid sagen: Petja ist hier …
WARJA. Ich hatte angeordnet, ihn nicht zu wecken.
ANJA (nachdenklich). Vor sechs Jahren ist Vater gestorben und einen Monat später ist mein Bruder Grischa im Fluss ertrunken, so ein hübscher Junge, sieben Jahre war er alt. Das hat Mama nicht ertragen, sie ist fortgefahren, fort, ohne sich umzuschauen … (Zittert.) Wie gut ich sie verstehe. Wenn sie das nur wüsste!
(Pause.)
Und Petja Trofimow war Grischas Lehrer. Durch ihn kann sie an alles erinnert werden …
(Firs tritt ein, er trägt ein Jackett mit weißer Weste.)
FIRS (an der Kaffeemaschine, besorgt). Die gnädige Frau werden hier speisen … (Zieht weiße Handschuhe über.) [16]Ist der Kaffee fertig? (Streng, zu Dunjascha gewandt.) Du! Und die Sahne?
DUNJASCHA. Ach, du lieber Gott … (Geht rasch hinaus.)
FIRS (macht sich an der Kaffeemaschine zu schaffen). Ach du dummes Ding … (Brabbelt vor sich hin.) Aus Paris sind sie gekommen. Der gnädige Herr ist auch mal nach Paris gereist … mit den Pferden … (Lacht.)
WARJA. Firs, wovon redest du?
FIRS. Wie belieben? (Freudig.) Meine gnädige Frau ist zurückgekommen! Ich habe es noch erlebt! Nun kann ich in Ruhe sterben … (Weint vor Freude.)
(Ljubow Andrejewna, Gajew und Simeonow-Pischtschik treten ein: Simeonow-Pischtschik in einem ärmellosen Halbkaftan und Hosen, die in den Stiefeln stecken. Gajew macht beim Eintreten mit den Armen und dem Oberkörper Bewegungen, als spiele er Billard.)
LJUBOW ANDREJEWNA. Wie war das noch? Lass mich mal überlegen … Den gelben Ball in die Ecke! Die Doublette in die Mitte!
GAJEW. Einen in die Ecke geschnitten! Früher mal haben wir beide, Schwester, gemeinsam in diesem Zimmer geschlafen, und jetzt bin ich schon einundfünfzig, wie seltsam das ist …
LOPACHIN. Ja, die Zeit vergeht.
GAJEW. Wen?
LOPACHIN. Die Zeit, sage ich, sie vergeht.
GAJEW. Und hier riecht es nach Parfum, nach Patschuli.
ANJA. Ich gehe schlafen. Gute Nacht, Mama! (Küsst ihre Mutter.)
LJUBOW ANDREJEWNA. Mein liebstes Kind (küsst Anjas Hand), du bist froh, wieder zu Hause zu sein, nicht [17]wahr? Ich kann noch gar nicht wieder so recht zu mir selber kommen.
ANJA. Gute Nacht, Onkel!
GAJEW (küsst Anjas Wangen und Hände). Gott mit dir! Wie du deiner Mutter gleichst! (Zu seiner Schwester.) Du, Ljuba, sahst in ihrem Alter genauso aus.
(Anja reicht Lopachin und Pischtschik die Hand, geht hinaus und schließt die Tür hinter sich.)
LJUBOW ANDREJEWNA. Sie ist ganz erschöpft.
PISCHTSCHIK. Das war wohl auch eine lange Reise.
WARJA (zu Lopachin und Pischtschik). Nun, meine Herren? Es ist drei Uhr, wollen Sie das bitte zur Kenntnis nehmen?
LJUBOW ANDREJEWNA (lacht). Du bist immer noch dieselbe, Warja. (Zieht sie an sich und küsst sie.) Ich trinke nur noch meinen Kaffee, dann gehen wir alle. (Firs schiebt ihr ein Fußbänkchen unter die Füße.) Danke, mein Guter! Kaffee muss ich haben. Ich trinke ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit. Danke schön, mein Alterchen! (Küsst Firs.)
WARJA. Ich will mal nachschauen, ob sie alle Sachen gebracht haben … (Geht hinaus.)
LJUBOW ANDREJEWNA. Sitze ich СКАЧАТЬ