Название: Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 1 – Familienroman
Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Der neue Sonnenwinkel
isbn: 9783740927844
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Sie hatte Glück gehabt, war noch nicht an der Reihe gewesen.
Ihre Freundin Nicki nannte es Vorbestimmung und führte dann immer das bekannte Beispiel des Flugzeugs an, das abgestürzt war und dass diesen Absturz nur ein einziger Passagier überlebt hatte.
Das half ihr nicht, das brachte sie nicht weiter.
Auch heute war ein zermürbender Vormittag, das Wartezimmer blieb leer.
Irgendwann kam eine alte Frau in die Praxis, die sich in den Finger geschnitten hatte. Eine Verletzung, die man selbst mit einem Pflaster behandeln konnte.
Man konnte daran fühlen, es war ganz eindeutig, dass diese Frau allein die Neugier hergetrieben hatte. Roberta fragte sich sogar insgeheim, ob die Frau sich nicht absichtlich in den Finger geschnitten hatte, um einen Grund zu haben, herzukommen.
Ursel Hollenbrink hätte die Patientin verarzten können, aber die wollte natürlich von der Frau Doktor höchstpersönlich behandelt werden.
Roberta desinfizierte diese Bagatellwunde, machte ein Pflaster drauf.
»So, das wär’s«, sagte sie.
»Dann komme ich morgen zum Nachsehen?«, erkundigte sich die Patientin und blickte Roberta beinahe herausfordernd an.
Roberta mochte ältere Patienten und Patientinnen, die oftmals Angst vor den Göttern in Weiß hatten und verunsichert waren. Denen nahm sie rasch die Angst, und manchmal zog sie sogar den weißen Kittel aus, um den Leuten zu zeigen, dass darunter auch nur ein ganz normaler Mensch steckte.
Diese Frau hier hatte Haare auf den Zähnen!
»Oh nein«, widersprach Roberta sofort, »morgen wird von dem Schnitt überhaupt nichts mehr zu sehen sein.«
So leicht gab die Frau nicht auf.
»Mir wäre aber lieber, wenn Sie noch mal einen Blick auf die Wunde werfen würden«, beharrte die Frau.
Roberta biss insgeheim die Zähne zusammen, eine solche Dreistigkeit hatte sie in all den Jahren ihrer Berufstätigkeit noch nicht erlebt.
»Nein.«
Sie sagte nur dieses eine Wort, doch wenn sie geglaubt hätte, sich damit klar ausgedrückt zu haben, dann sah sie sich getäuscht. So schnell gab die Frau nicht auf.
»Seien Sie doch froh, dass ich kommen will. Sie haben eh nichts zu tun, keine Patienten. Sie müssen doch vor Langeweile sterben. Außerdem verdienen Sie an mir. Sie bekommen Geld von meiner Krankenkasse.«
Normalerweise ließ Roberta sich auf solche Gespräche nicht ein. Doch ihre Nerven waren eh zum Zerreißen gespannt, das brauchte sie jetzt nicht auch noch. Sie blieb ganz ruhig.
»Frau Schulze, es ist richtig, ich bekomme Geld von der Krankenkasse, doch nicht für jeden Besuch, sondern eine sehr geringe Pauschale für ein ganzes Quartal. Das ist so wenig, dass Sie vermutlich bei einem Einkauf im Supermarkt mehr ausgeben.«
»Wenn das so ist, dann kann ich im Quartal kommen, so oft ich will.«
Roberta blieb ganz ruhig.
»Das stimmt, aber nur, wenn Sie krank sind, nicht, um Zeit totzuschlagen oder um Ihre Neugier zu befriedigen. Ich muss nämlich Ihrer Krankenkasse über jeden Besuch haarklein berichten, auch wenn es nur diese geringe Pauschale gibt. Ich weiß nicht, wie Ihre Kasse dann reagieren wird.«
Frau Schulze erhob sich.
»Na gut, wie Sie meinen … Ich werde Sie ganz bestimmt nicht weiterempfehlen.«
Sie rauschte hinaus, und zum Glück kam sofort die nette Frau Hollenbrink herein.
»Frau Doktor, diese Frau hat Haare auf den Zähnen, sie kann sich selbst nicht leiden und hat schon den Doktor zur Weißglut gebracht. Wir können nur beten, dass sie wegbleibt. Schaden anrichten kann sie nicht, weil sie sich mit jedem anlegt und niemand sie ernst nimmt.«
Roberta bedankte sich, das war wirklich nett, doch sollte das ihr Leben sein, keine Patienten und wenn, dann solche wie diese Frau?
Frau Hollenbrink verließ den Behandlungsraum, und Roberta machte sich wieder über die Medikamentenbestände her, von denen sie das meiste entsorgen konnte.
Eine tolle Beschäftigung.
Sie hätte das natürlich auch ihre Sprechstundenhilfe machen lassen können, die kannte sich aus, und Roberta hatte längst schon erkannt, welches Juwel sie da übernommen hatte. Hoffentlich bekam die Gute keine kalten Füße und schmiss hin, weil sie mit Nichtstun nicht ihre Tage verbringen wollte.
Sie schreckte hoch, als ihr Telefon klingelte.
»Frau Doktor, da ist ein Herr Doktor Steinfeld am Telefon, der Sie unbedingt sprechen möchte. Soll ich durchstellen?«
Sie hatte kurz erwähnt, dass sie geschieden war, und Ursel Hollenbrink war klug genug, bei diesem Anrufer direkt ihre Rückschlüsse zu ziehen und sich vorsichtshalber vorher zu erkundigen.
Sie konnte ihrem Ex nicht ausweichen, fragte sich allerdings, was er von ihr wollte.
Sie bedankte sich und nahm das Gespräch an.
»Schön, dass du dir die Zeit für mich nimmst, Roberta«, sagte er, »bestimmt ist die Praxis hackeknacke voll, und ich weiß, wie ungehalten du werden kannst, wenn man dich bei der Arbeit stört.«
Sie war mittlerweile schon so verunsichert, dass sie sich jetzt fragte, ob er einen Detektiv auf sie angesetzt hatte und wusste, dass bei ihr nichts los war.
Sie entschloss sich, auf nichts einzugehen, sondern erkundigte sich ziemlich unwirsch: »Max, was willst du?«
»Ach so, ja. Nun – es ist mir beinahe ein wenig peinlich, doch es ist wichtig für mich. Ich kann bei einer großartigen Frau Pluspunkte sammeln.«
Hatte er überhaupt kein Hirn mehr? Nun, vermutlich nicht, wenn es um seine Eroberungen ging.
Es tat nicht mehr weh, doch es machte sie noch immer wütend.
Sie war nicht sein Kumpel, dem gegenüber man mit seinen Errungenschaften prahlte. Sie war seine Exfrau, hatte die schönsten Jahre ihres Lebens mit ihm verbracht, hatte sich von ihm demütigen und verletzen lassen und hatte ihm dann noch beinahe alles überlassen.
Sie wiederholte, diesmal noch eine Spur unfreundlicher: »Also, was willst du?«
»Ich hab dir vor Jahren mal einen Elefanten aus Elfenbein geschenkt, den du nicht haben wolltest, wegen Artenschutzes oder so was. Nun, den kann ich nicht finden. Hast du ihn gar mitgenommen? Wenn ja, kann ich ihn wiederhaben, da er dir doch nichts bedeutet?«
Es schlug dem Fass wirklich den Boden aus.
»Wenn ich den Elefanten hätte, dann würde ich ihn dir herzlich gern überlassen, weil ich noch immer etwas dagegen habe, dass diese wunderbaren Tiere wegen ihrer Stoßzähne auf grausame СКАЧАТЬ