Название: Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 1 – Familienroman
Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Der neue Sonnenwinkel
isbn: 9783740927844
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»Die Leute vom Sonnenwinkel sind ein wenig schwerfällig, sie brauchen eine Weile, um mit Veränderungen fertig zu werden. Dr. Riedel war halt sehr beliebt, und man hat es ihm sehr übel genommen, dass er gegangen ist. Ich glaube, man überträgt das jetzt auf Sie, obschon Sie nichts dafür können, Frau Dr. Steinfeld. Vielleicht ist es nicht einmal verkehrt, nicht direkt überrannt zu werden. Da haben Sie Zeit, sich einzugewöhnen, sich mit allem vertraut zu machen. Schließlich ist hier im Sonnenwinkel alles neu für Sie.«
Roberta hätte ihr jetzt sagen können, dass sie sich in einer knappen Viertelstunde bereits den Überblick verschafft hatte und dass in dieser Praxis doch alles sehr überschaubar war.
Sie unterließ es, schließlich meinte die nette Frau Auerbach es ja nur gut mit ihr.
Sie hatten hinreichend Zeit, miteinander zu plaudern, weil einfach kein Patient kam, und das war zermürbend, sehr zermürbend.
*
Die Mittagspause verbrachte Roberta im Haus. Sie kochte sich einen Kaffee, und eigentlich hätte sie auch etwas essen müssen, doch sie war unfähig, sich auch nur ein Butterbrot zu schmieren.
Wellen der Enttäuschung durchfluteten sie, die von Wellen der Zweifel abgelöst wurden.
Man hatte sie gewarnt, allen voran ihre Freundin Nicki, und sie hatte es nicht wahrhaben wollen, dass die Menschen in der Provinz so anders sein sollten, als die in der Großstadt.
Nun hatte sie die Quittung.
Roberta neigte weder zu Depressionen noch zu Pessimismus, im Gegenteil. Wenn sie nicht ein so positiver Mensch wäre, hätte sie es mit ihrem Ex nicht so viele Jahre ausgehalten.
Nein, was hier geschah, konnte sie nicht beeinflussen. Und das war es, was sie so durcheinanderbrachte.
Was hatten die Leute hier gegen sie? Warum gab man ihr nicht eine Chance, zumal Dr. Riedel, der allseits Beliebte, sie seinen Patienten empfohlen hatte.
Natürlich hatte ein Arzt keine Sonderstellung, auch hier gab es Sympathie und Antipathie, aber eine kollektive Ablehnung der gesamten Bevölkerung, davon hatte sie noch nichts gehört.
Roberta begann sich alle nur möglichen Gedanken zu machen, und dann kam ihr doch tatsächlich in den Sinn, was Nicki ihr gesagt hatte, die sie beschworen hatte, auf keinen Fall am Montag die Praxis zu eröffnen. Sie hatte es zuvor noch nie gehört und während ihrer immerhin schon recht langen beruflichen Laufbahn hatte es weder bei ihr noch den zahlreichen Angestellten eine Rolle gespielt.
»Wer Montag beginnt, der bleibt nicht lange«, hatte Nicki gesagt und behauptet, das gelte für Angestellte, aber auch für freie Berufe.
Nun, sie hatte es ignoriert und montags die Praxis eröffnet. Sollte das tatsächlich ein schlechtes Omen sein?
Roberta stand auf, begann wie ein gefangener Tiger im Raum herumzulaufen, ging hinaus in den Garten.
Am liebsten würde sie jetzt einen langen Spaziergang zum See machen, um den Kopf frei zu bekommen.
Doch sie war im Augenblick so empfindlich, dass ihr der neugierige Blick eines einzigen Menschen wie ein Spießrutenlaufen vorkäme.
Sie ging wieder hinein, weil ihr einfiel, dass sie mit Enno Riedel überhaupt nicht darüber gesprochen hatte, ob es für den doch recht großen Garten, der auch sehr schön angelegt war, überhaupt einen Gärtner gab.
Das war auch so etwas, mit Gärten kannte sie sich nicht aus, allenfalls mit bepflanzten Terrassen. Und was da herumstand, in Kübeln und Töpfen wuchs, war nicht nur überschaubar, sondern pflegeleicht. Das hatte ihre Haushaltshilfe so ganz nebenbei mit erledigt.
Und da war sie schon beim nächsten Problem.
Fürs Haus brauchte sie auch jemanden, am besten eine Frau, die auch noch gut kochen konnte, halt so etwas wie eine gute Fee.
Das hatte sie gehabt, all die Jahre über. Und wenn es gegangen wäre, hätte sie ihre Erna am liebsten mitgenommen.
Sie kochte sich noch einen Kaffee.
Es war falsch gewesen, eindeutig falsch.
Sie war zwar noch jung genug, um auch flexibel zu sein.
Für sie wäre es vermutlich einfacher gewesen, einen Job in New York anzunehmen, in San Francisco oder London, irgendwo in einer Großstadt. Trotz aller Verschiedenartigkeit glichen sich Großstädte, ebenso wie die Menschen, die in den Städten lebten. Sie hatten eine andere Selbstverständlichkeit.
Was also, zum Teufel, hatte sie getrieben, sich auf das hier einzulassen?
Weil sie es als so eine Art von Zeichen gesehen hatte?
Ja, vermutlich schon, weil sie eine gefühlte Ewigkeiten von Enno Riedel nichts gehört hatte und weil alles so ganz wunderbar passte.
Enno hatte ihr das Leben im Sonnenwinkel in den allerschönsten Farben geschildert. Für ihn waren seine Patienten etwas ganz Besonderes gewesen.
Doch gerade weil sie sich eine so lange Zeit nicht gesehen und nichts voneinander gehört hatten, hatte sie ganz vergessen, dass Enno Riedel sich sehr schnell und enthusiastisch für etwas begeistern konnte.
Und sie hatte überhaupt nicht daran gedacht, dass er nicht als Single im Sonnenwinkel gelebt hatte, sondern als ein glücklich verheirateter Mann mit einer sehr patenten Ehefrau und entzückenden Kindern.
Das war schon ein Unterschied, ein gewaltiger sogar!
Roberta merkte, dass sie sich immer mehr in einen Zorn hineinsteigerte, der sie ungerecht werden ließ, ihr jegliche Objektivität nahm.
Sie zog ihren weißen Kittel wieder an, dann lief sie hinüber in die Praxis. Es war viel zu früh, doch das war ihr so ziemlich egal.
Das einzig Positive, was sie augenblicklich sah, war die Tatsache, dass es schon sehr komfortabel war, ihren Arbeitsplatz direkt im Haus zu haben. Das war besonders angenehm bei schlechtem Wetter.
Nur …
Sie würde liebend gern eine halbe Stunde durch Sturm und Regen laufen oder ebenso lange mit dem Auto im Stau stehen, wenn sie wüsste, dass sie danach in eine gut besuchte Praxis käme, in der viele Patienten auf sie warteten, die sich freuten, sie zu sehen, damit sie ihnen helfen konnte.
Das hatte sie gehabt.
Es hatte sogar Wartelisten gegeben.
Roberta seufzte.
Waren die Leute im Sonnenwinkel plötzlich alle gesund und hatten keinen Arzt mehr nötig?
Sie schaute auf die wunderschönen Blumensträuße, las noch einmal Ennos Karte mit all seinen guten Wünschen.
An ihm lag es nicht.
Er hatte sie nicht übers Ohr gehauen.
Er konnte in die Menschen nicht hineinschauen. Er hatte nun wirklich nicht voraussehen können, dass er ihr den Schritt in eine Katastrophe geebnet hatte.
Nun verrannte sie sich in etwas, was gefährlich СКАЧАТЬ