Der neue Sonnenwinkel 74 – Familienroman. Michaela Dornberg
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Название: Der neue Sonnenwinkel 74 – Familienroman

Автор: Michaela Dornberg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Der neue Sonnenwinkel

isbn: 9783740962814

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      Der Wochenmarkt war nicht unbedingt der richtige Ort dafür.

      Da sie sich zufällig getroffen hatten, bot es sich an. Und sie mussten ja nicht zwischen Rotkohl, Suppengrün und Petersilie miteinander reden, sondern konnten in das kleine Straßencafé gehen, was mittlerweile längst ein schöner Treffpunkt für viele Menschen war. Noch war es für die Bewohner hier etwas Besonderes, doch das würde nicht so bleiben. Im Neubaugebiet war auch ein Café vorgesehen. Es würde sich vieles verändern. Doch darüber dachten Inge und Rosmarie jetzt gewiss nicht nach. Sie waren einfach nur froh, sich getroffen zu haben. Und sie mochten diesen Platz, auch wenn alles sehr einfach, aber zweckmäßig war. Das musste es auch sein, denn schließlich hatte das Café keinen festen Platz im Sonnenwinkel, sondern musste immer wieder abgebaut werden, wie der gesamte Bauernmarkt. Was sollte es. Der Kaffee war hervorragend und der Kuchen schmeckte ausgesprochen lecker, das musste selbst Inge neidlos zugeben, und die konnte Kuchen backen wie eine Weltmeisterin.

      Inge und Rosmarie saßen an einem der kleinen Tischchen auf Klappstühlen, und sie hatten ausgesprochenes Glück gehabt, weil gerade jemand aufgestanden war. Sonst hätte es trübe für sie ausgesehen. Sie hätten überhaupt keinen Platz ergattern können.

      Inge bestellte einen normalen schwarzen Kaffee und dazu ein Stückchen Mohnkuchen, den man ja längst auch nicht mehr überall bekam. Rosmarie entschied sich für einen Cappuccino und dazu ein Stück Donauwelle. Auch das war etwas, was die Jugend kaum noch kannte, nichts damit anzufangen wusste, und so wurde auch die Donauwelle längst nicht mehr überall angeboten. Das war ebenfalls so schön hier, man bemühte sich, die Kuchen nach alten Rezepten zu ­backen. Inge und Rosmarie schwelgten in romantischen Erinnerungen.

      Danach unterhielten die beiden Frauen sich ganz allgemein, sie hatten sich immer etwas zu sagen. Doch dann hielt Inge es nicht länger aus, sie erzählte von dem letztmaligen Kollegentreff von Werner. »Und diesmal und das zum ersten Male sind auch die Frauen mit dabei. Und stell dir bloß vor, wo das Treffen stattfinden wird, in New York. Da werden wir nicht nur in einem der allerbesten Hotels wohnen, sondern es gibt auch ein komplettes Kulturprogramm. Ach, Rosmarie, du glaubst überhaupt nicht, wie sehr ich mich darauf freue. Manchmal kann ich es noch immer nicht richtig fassen, was sich da gerade in meinem Leben ereignet. Ich habe Angst, irgendwann aus einem schönen Traum zu erwachen.«

      »Es ist wunderbare Wirklichkeit, meine liebe Inge. Wenn du so willst, ist diese Reise nach New York praktisch das Tüpfelchen auf dem I. Werner hat sich verändert, und seit er da in der Jugendstrafanstalt mit den Jugendlichen arbeitet, ist er viel freier, viel umgänglicher geworden. Man merkt, welchen Spaß er dabei hat. Ich glaube auch, dass er es sehr genießt, nicht mehr vor Wissenschaftlern reden zu müssen, sondern vor so unterschiedlichen jungen Menschen, die wirklich nicht einfach sind, oftmals diese negative Einstellung zum Leben haben. Er hat sie für sich gewonnen, er bringt dir ohne Anlass Blumen mit und nun diese Reise, um die du wirklich zu beneiden bist.«

      Sie trank etwas von ihrem Cappuccino.

      »Inge, ich freue mich so sehr für dich. New York ist wirklich eine sehr faszinierende Stadt, und eigentlich stellt man sich so Amerika vor, nicht das, was beispielsweise in Nebraska, Wyoming oder Idaho geschieht. Wie du weißt, seid ihr für mich immer die beneidenswerte Vorzeigefamilie gewesen.«

      Inge winkte ab. »Nur in deinen Vorstellungen, Rosmarie, du weißt, wie viel davon im Laufe der Zeit abgebröckelt ist. Eine ganze Weile konnte man eher dich und deinen Heinz beneiden. Nobody is perfect, und eine Beziehung funktioniert nur, wenn man daran arbeitet, wenn man offen und ehrlich zueinander ist und wenn man seine Bedürfnisse auch ausspricht. Wir Auerbachs waren halt immer die ›Unterdenteppichkehrer‹. Und irgendwann ist uns diese Haltung um die Ohren geflogen. Ach, Rosmarie, daran möchte ich nicht mehr denken. Es war ganz schrecklich. Und wenn du so willst, hat es auch Pamela aus dem Haus getrieben.«

      Davon allerdings wollte Rosmarie nichts hören.

      »Inge, ich bitte dich, zieh dir den Schuh nicht an. Pamela wäre irgendwann auch gegangen, wenn bei euch eitel Sonnenschein geherrscht hätte. Immer mehr junge Leute machen ein Auslandsschuljahr, was ja auch niemandem schadet. Und vergiss nicht, Pamela und Hannes sind ein Herz und eine Seele, die können gut, was sage ich, die können großartig miteinander. Das haben sie ja auch bewiesen während ihrer gemeinsamen Zeit in Australien.«

      »Oh Gott, bitte erinnere mich nicht daran, das war die allerschlimmste Zeit meines Lebens. So etwas möchte ich niemals wieder erleben. Es hat mich beinahe zerrissen.«

      »Inge, es ist vorbei, denk nicht mehr daran. Jetzt sieht alles wirklich sehr gut aus. Und dass Werner Hannes angerufen hat, um sich quasi bei ihm zu entschuldigen, das ist schon enorm. Meine Liebe, das kannst du dir im Kalender rot anstreichen. Inge, ihr werdet wieder die, die ich immer in euch gesehen habe. Und ihr seid schon etwas ganz Besonderes, ihr Auerbachs. Und du hast alles richtig gemacht, da muss man sich ja bloß Ricky ansehen. Die ist für mich die allerbeste Schwiegertochter von der ganzen Welt, wie die den Haushalt schmeißt. Ich werde niemals vergessen, dass Ricky niemals gegen mich war, sondern dass sie immer versucht hat, zwischen mir und Fabian zu vermitteln, was ihr ja auch gelungen ist. Und ich weiß selbst, wie peinlich ich mich damals benommen habe.«

      Natürlich ging es bei Inge herunter wie Öl, wenn Rosmarie so über Ricky sprach. Aber es war schon fast unglaublich, wie prima die ihr Leben im Griff hatte, mit Ehemann und ihrer süßen Kinderschar war das ganz gewiss nicht so etwas wie ein Spaziergang durch einen Rosengarten.

      »Zum Glück läuft es ja mit euch und Fabian richtig gut, ich bin überzeugt davon, dass er euch die Vergangenheit nicht mehr nachträgt. Und was Ricky betrifft, natürlich höre ich gern, wenn du derart lobende Worte für sie findest. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass alles eben deswegen so hervorragend funktioniert, weil Ricky und Fabian an einem Strang ziehen. Sie haben sich gesucht und gefunden. Es kam nicht von ungefähr, dass sie sich direkt am ersten Tag begegnet sind, als wir hierher gezogen sind. Das war Schicksal, Liebe auf den ersten Blick, ein Blitzschlag der Liebe, und wenn das der Fall ist, ich glaube, da kann man wirklich Hand in Hand durchs Leben gehen, da ist einem kein Berg zu hoch und kein Wasser zu tief.«

      Rosmarie seufzte.

      »Inge, das hast du ganz wundervoll gesagt. Ja, sie sind wirklich etwas Besonderes, unsere Kinder, und das färbt auf unsere Enkelinnen und Enkel halt sehr günstig ab. Es ist so schön …« Rosmarie brach ihren Satz ab, und Inge ahnte es nicht nur, nein, sie wusste es, dass Rosmarie in diesem Augenblick an Stella dachte, die auf eigenen Wunsch den Weg in die Anonymität gewählt hatte und die nun wie vom Erdboden verschwunden war. Rosmaries Tochter Stella …

      Es war nicht so, dass Inge das gleichgültig war. Um Stella ging es ihr dabei nicht so sehr. Sie war zwar mit ihr als Schwiegertochter gut ausgekommen, doch mit Charlotte kam sie sehr viel besser aus, sie war die richtige Ehefrau für Inges Sohn Jörg. Nein, nicht nur Rosmarie jammerte wegen der Enkelkinder, das tat Inge ebenfalls. Stella hatte Eltern und Schwiegereltern die Enkelkinder genommen.

      »Du dachtest gerade an Stella, nicht wahr, Rosmarie?«, erkundigte Inge sich leise, auch ein wenig verunsichert, denn Stella war etwas, worüber sie alle nur sehr selten sprachen, obwohl es sie zutiefst bewegte.

      Und richtig, Rosmarie konnte zunächst einmal nur nicken, und es dauerte eine Weile, ehe sie Inges Frage beantworten konnte. Rosmarie war traurig und berührt zugleich, und Inge machte sich Vorwürfe, warum sie überhaupt von diesem Thema angefangen hatte.

      »Ach, weißt du, Inge, es könnte alles so wundervoll sein. Mit Heinz und mir wird es immer schöner, inniger, mit Fabian sind wir ebenfalls auf einem wundervollen Weg. Ist es da nicht normal, dass es einen beinahe zerreißt, wenn man an sein anderes Kind denkt und vor allem auch an die Enkelkinder? Sosehr ich mir auch den Kopf zermartere, ich kann einfach nicht begreifen, СКАЧАТЬ