Die Sprache der Blumen. Sven Haupt
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Sprache der Blumen - Sven Haupt страница 7

Название: Die Sprache der Blumen

Автор: Sven Haupt

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783947721450

isbn:

СКАЧАТЬ breiten, länglichen Schatten, der sich dort hinten abzeichnet?“

      Lilian nickte ergeben, obwohl sie nichts sah und George sich nicht einmal nach ihr umdrehte.

      „Das ist der zentrale Stamm. Alle Wege führen dorthin … oder von dort weg. Je nach persönlicher Philosophie.“

      „Stamm?“, fragte Lilian und kniff die Augen zusammen. „Wie ein Baumstamm?“

      „Nicht nur irgendein Baum“, erklärte George. „Der größte Baum. Der einzige Baum. Unser Weltenbaum. Alle Pfade im Wald sind Äste an seinem Stamm. Alle Pflanzen wachsen auf ihm, alles Leben geht auf ihn zurück. Er ist das Zentrum und wacht über alles Leben. Der Kreislauf beginnt und endet mit ihm.“

      „Welcher Kreislauf?“, fragte Lilian verwirrt.

      „Der Affe hob die Hand und zeichnete mit dem Finger einen Kreis in die Luft, während er auf einen Spiralpfad trat und Lilian weiter aufwärts führte.

      „Der große Kreislauf des Werdens und Vergehens. Alle Wesen werden durch sein Wirken, alle vergehen durch ihn und alles Leben kehrt zu ihm zurück.“

      „Werden und Vergehen“, wiederholte Lilian leise. „Und wie kehrt man zurück?“

      „Nun“, erklärte George heiter. „Meistens reicht es, vom Ast zu fallen. Das ist die einfachste Methode.“

      Lilian vermied es, in die Dunkelheit zu sehen, die weit unten in der Tiefe neben dem Pfad auf sie zu lauern schien.

      „Wie weit ist es nach unten?“, fragte sie vorsichtig.

      „Von hier? Etwa zwei Kilometer. Allerdings liegen ziemlich viele Ebenen dazwischen. Du würdest also sehr oft mit einem dicken Astpfad kollidieren.“

      Lilian schauderte.

      „So tief“, flüsterte sie. „Wie groß ist denn der Baum?“ George zögerte einen Moment.

      „Das ist schwer zu sagen. Ohne vernünftiges Werkzeug ist es nicht ganz einfach, präzise Messungen anzustellen. Ich würde sagen, der Stamm ist etwa dreieinhalb bis vier Kilometer hoch und misst ein paar hundert Meter im Durchmesser.“

      Lilian starrte sprachlos nach oben, wo sich in den Lücken zwischen den zahllosen, kreuzenden Astpfaden vage der grüne Himmel des Blätterdachs abzeichnete. Die Krone eines einzigen Baumes. Sie spürte, wie ihr bei dem Gedanken schwindelig wurde.

      „Warst du schon einmal ganz oben?“, fragte sie.

      „Natürlich. Für einen Affen ist das keine große Herausforderung.“

      „Was sieht man“, fragte sie weiter, „wenn man ganz oben ist?“ George schwieg eine Weile, bevor er antwortete.

      „Ganz oben an der Spitze des Stammes ist eine mächtige, geschlossene Blüte. Sie ist sehr groß. Etwa zwanzig Meter hoch.“

      „Und wie sieht sie aus, wenn sie blüht?“

      „Das kann ich dir nicht sagen. Solange ich existiere, war sie immer geschlossen.“

      Sie schwiegen, während sie weiter nach oben liefen. Gelegentlich raschelte es in den Büschen und Bäumen um sie herum und unsichtbare Geschöpfe kommentierten ihr Passieren mit lauten Rufen oder trillerndem Gesang.

      „Kann ich die Blüte sehen?“, fragte Lilian schließlich.

      „Nur wenn du einige hundert Meter lang an dünnen Ästen in die höchsten Ebenen der Krone klettern kannst“, erwiderte George.

      „Kann ich denn nach unten zum Boden klettern?“, fragte Lilian hartnäckig.

      „Warum?“, fragte George zurück. „Irgendwann steht dir diese Reise sowieso bevor. Spätestens, wenn du von deinem Pfad herunter in die Leere trittst. Die meisten Wesen ziehen es jedoch vor, das erst am Ende ihres Lebens zu tun. Der Boden liegt nicht umsonst in Kälte und Dunkelheit. Alles, was verborgen bleiben soll, bleibt dort unten und nur wenige, die die Reise antraten, kehrten zurück.“

      „Warst du schon einmal unten?“, fragte Lilian.

      „Ich ziehe Orte vor, an denen Bananen wachsen.“

      Mit diesen Worten fiel der Affe erneut in Schweigen.

      Lilian brauchte noch eine ganze Weile, bis auch sie den Schatten des Stammes, von dem ihr Gefährte gesprochen hatte, erkennen konnte. Die Entfernung war tatsächlich nicht groß, aber die Vegetation dicht und die Pfade verliefen selten gerade. Lilian fühlte sich erschöpft und sehr müde, doch George trieb sie zur Eile an, denn der Tag neigte sich seinem Ende entgegen.

      Es dauerte eine Weile, bis sie bemerkte, wie das Licht langsam abnahm und der Wald stiller wurde. Die klagenden Töne der Nachtrufer schallten jetzt häufiger durch den Wald und mit jedem Schritt, der sie dem Stamm näherbrachte, schien es schneller dunkel zu werden. Lilian begann langsam, sich Sorgen zu machen, wie sie den Weg im Dunkeln finden sollten, als sie plötzlich ein Licht im Wald entdeckte.

      „Da!“, rief sie. „Schau doch, da drüben!“

      Es sah aus, als würde jemand kleine Lichtpunkte in die Zweige der Bäume hängen. Winzige Laternen funkelten überall um sie herum und tauchten den Wald in einen gelblichen Schein.

      „Leuchtkugeln“, verkündete der Affe, ohne hinzusehen. „Sie wären extrem nützlich, wenn sie nicht sofort erlöschen würden, kaum dass man sie berührt.“

      Lilian trat unter einen Zweig, der über den Pfad hing und lächelte im Schein des kleinen Wesens, das sich dort mit den dünnen Füßchen am Zweig festhielt. Als sie das kleine Geschöpf vorsichtig vom Ast löste, klammerte es sich sofort an ihren Finger und erlosch.

      „Schütteln, fluchen und gegen den Baum werfen funktioniert nicht“, kommentierte George, dessen Gestalt in der zunehmenden Dämmerung bereits mit dem Wald verschmolz. „Habe ich alles schon probiert.“

      Lilian nahm das kleine Wesen dennoch mit.

      Wie sie es am Ende zum Stamm und in die schützende Baumhöhle schafften, konnte Lilian nicht mehr sagen. Plötzlich fiel die Dunkelheit über sie und George musste sie den Rest des Weges wieder an der Hand führen.

      In der Höhle roch es nach frischem Holz und es war angenehm warm. Lilian ließ sich mit einem dankbaren Seufzen auf dem Boden nieder und tastete vorsichtig umher. Ihre Hände fanden etwas Weiches.

      „Decken und Kissen“, erklärte George aus dem Dunkeln. „Ich dachte mir schon, dass wir spät kommen werden. Hier gibt es Sträucher für alles und Menschen schlafen doch gerne bequem.“

      Lilian nestelte im Dunkeln mit den gefalteten Decken.

      „Und wie schlafen Affen?“, fragte sie beiläufig.

      „In Nestern hoch oben in den Baumkronen“, entgegnete George. „Nichts gegen Höhlen, aber Affen mögen den offenen Himmel über sich.“

      Lilian schwieg.

      George starrte eine Weile in das Dunkel, dann seufzte er. „Aber wir können СКАЧАТЬ