Gesammelte Werke von Rudyard Kipling. Редьярд Киплинг
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Название: Gesammelte Werke von Rudyard Kipling

Автор: Редьярд Киплинг

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9788027209255

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СКАЧАТЬ den fürstlichen Gärten, wo unzählige, nur selten bezahlte Gärtner mit Wasserschläuchen und Gießkannen gegen die zerstörende Gewalt der Hitze ankämpften, konnte er ungehemmt aus und ein gehen. Er hatte auch freien Zutritt zum Leibstall des Maharadscha, wo achthundert Pferde allnächtlich auf der Streu lagen, und konnte zusehen, wenn sie am Morgen zu je vierhundert in einer Staubwolke zur Morgenarbeit ausrückten. Die äußeren Palasthöfe standen ihm uneingeschränkt offen, er konnte der Toilette der Elefanten beiwohnen, wenn der Maharadscha einen Staatsumzug hielt, konnte mit der Wache plaudern und lachen und sich an drachenköpfigen, schlangenhalsigen Geschützen erbauen, die von eingeborenen Kunsthandwerkern erfunden waren, denen hier im fernen Osten die Mitrailleuse gedämmert haben mußte. Aber in das Gebiet, wo Käte weilte, durfte er keinen Fuß setzen. Er wußte, baß ihr Leben in Rhatore so sicher war wie in Topaz, aber als sie zum erstenmal, zuversichtlich und ohne Zaudern hinter dem teppichverhangenen Eingang zum Frauenpalast verschwand, fuhr seine Hand unwillkürlich nach dem Griff seines Revolvers.

      Der Maharadscha war ein guter Kamerad und ein vortrefflicher Pachisispieler, aber als Tarvin ihm eine halbe Stunde nach jenem Verschwinden gegenüber saß, überlegte er sich doch, daß er des Maharadscha Leben keiner Versicherungsgesellschaft empfehlen möchte, falls seiner Liebe etwas zu Leid geschähe in dem geheimnisvollen Reich, aus dem außer Flüstern und Rascheln kein Laut in die Außenwelt drang. Als Käte späterhin wieder heraustrat, wobei der Maharadscha Kunwar an ihrem Arm hing, war ihr Gesicht blaß und verzerrt, in ihren Augen funkelten Thränen der Entrüstung. Sie war sehend geworden.

      Tarvin eilte an ihre Seite, aber sie wies ihn mit der herrischen Gebärde von sich, die allen Frauen in tiefer Erregung zu Gebot steht, und flüchtete sich zu Frau Estes.

      Es war ihm, als ob er mit rauher Hand aus ihrem Leben hinausgedrängt worden wäre, und der Maharadscha Kunwar traf ihn am Abend, wie er mit großen Schritten auf der Veranda des Rasthauses hin und her ging, beinah bereuend, daß er den Maharadscha, den eigentlichen Urheber jenes Schreckensausdrucks in Kätes Augen, nicht niedergeschossen hatte. Mit einem tiefen Atemzug dankte er seinem Schöpfer dafür, daß er hier war, um sie zu bewachen, zu verteidigen, im Notfall mit Gewalt fortzubringen. Ihn schauderte, wenn er sich Käte hier allein vorstellte, einzig auf Frau Estes’ Beistand aus der Ferne angewiesen.

      »Ich habe etwas für Käte gebracht,« sagte der Prinz vorsichtig aus dem Wagen steigend, denn er hielt einen Pack, der seine beiden Arme ausfüllte. »Komm mit mir zu ihr!«

      Nichts Schlimmes ahnend, fuhr Tarvin mit seinem kleinen Freund zum Missionshaus.

      »Alle Leute in meinem Palast sagen, daß sie deine Käte sei,« bemerkte er unterwegs.

      »Freut mich, daß die Herrschaften das gemerkt haben!« brummte Tarvin ingrimmig in sich hinein.

      »Was hast du denn da?« fragte er den Knaben laut, indem er die Hand auf den folglich gehüteten Pack legte.

      »Das ist von meiner Mutter, der Königin. Das ist die wirkliche Königin, weißt du, ich bin ja der Prinz. Ich muß auch etwas bestellen.«

      Nach Kinderart begann er, seinen Auftrag leise vor sich hin zu flüstern, um ihn ja nicht zu vergessen.

      Käte saß auf der Veranda, als der Wagen anfuhr, und ihr trauriges Gesicht hellte sich beim Anblick des Knaben ein wenig auf.

      »Die Wache soll nicht in den Garten treten – auf der Straße warten!«

      Wagen und Gefolge zogen sich auf diesen Befehl zurück. Der Maharadscha Kunwar streckte Käte das Paket hin, ohne Tarvins Hand dabei loszulassen.

      »Es ist von meiner Mutter,« begann er. »Du hast sie ja gesehen. Dieser Mann kann bleiben: er ist« – er suchte ein wenig nach dem Ausdruck – »von Deinem Herzen, nicht wahr? Deine Rede ist seine Rede?«

      Käte errötete, aber sie machte keinen Versuch, das Kind zu widerlegen – was hätte sie auch sagen können?

      »Und das soll ich dir sagen, zuerst vor allem, bis du es ganz verstehest.«

      Das Kind strich sich die baumelnden Smaragden aus der Stirne, richtete sich zu seiner vollen Höhe auf und sprach zögernd, die ihm eingeprägten Worte aus der heimischen Mundart ins Englische übertragend: »Meine Mutter die Königin – die wirkliche Königin – sagt: ›Drei Monate habe ich daran gearbeitet. Es ist für dich, weil ich dein Angesicht gesehen habe. Was ich gemacht, kann wieder zertrennt werden, und einer Zigeunerin Hände zerstören alles. Bei den Göttern beschwöre ich dich, achte darauf, daß eine Zigeunerin nicht zerstört, was ich gemacht habe, denn mein Leib und meine Seele wohnen darin. Bewahre und schütze mein Werk, das von mir kommt – ein Gewand, daran ich neun Jahre gewebt habe!‹ – Ich kann besser englisch als meine Mutter,« setzte der Knabe im Alltagston hinzu.

      Käte öffnete das Paket und entfaltete ein ungeschickt gestricktes Umschlagtuch von grober schwarzer Wolle mit gelben Streifen und schreiend roten Fransen – mit solchen Handarbeiten füllten in Gokral Sitarun Königinnen ihre müßigen Stunden aus.

      »Das ist alles,« sagte der Maharadscha Kunwar, ohne sich indes zum Gehen anzuschicken.

      Käte drehte die armselige Gabe hin und her und fand keine Worte; die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Der Knabe, der Tarvins Hand noch keinen Augenblick losgelassen hatte, fing plötzlich an, die Botschaft feierlich Wort für Wort zu wiederholen, und seine schmale Hand krampfte sich dabei förmlich um Tarvins Finger.

      »Sag deiner Mutter, daß ich ihr sehr dankbar sei,« erwiderte Käte verwirrt und befangen mit unsicherer Stimme.

      »Das war die rechte Antwort nicht,« sagte der Knabe mit einem hilfesuchenden Blick auf seinen hochgewachsenen Freund, den neuen Engländer.

      Das müßige Geschwätz der Handlungsreisenden auf der Veranda des Rasthauses kam Tarvin in den Sinn, und einen Schritt vortretend, legte er die Hand auf Kätes Schulter und flüsterte dicht an ihrem Ohr: »Begreifst du nicht, was sie meint? Des Knaben Leben – das Gewand, woran sie neun Jahre gewebt hat!«

      »Aber was kann ich thun?« stöhnte Käte in tiefster Seele erschrocken.

      »Ihn bewachen, ihn ohne Aufhören bewachen! Du begreifst doch sonst so rasch – Sitabhai trachtet ihm nach dem Leben. Du sollst sorgen, daß sie ihm kein Leid anthut.«

      Jetzt dämmerte Käte einiges Verständnis – der erste Tag in dem grauenvollen Palast hatte ihr Möglichkeiten genug gezeigt, warum nicht auch die eines Kindermords? Sie hatte schon einen Begriff bekommen von dem Haß zwischen kinderlosen Frauen und den Müttern von Königen! Bewegungslos stand der Maharadscha Kunwar; die Juwelen an seiner Kleidung funkelten im Zwielicht.

      »Soll ich’s noch einmal sagen?« fragte er.

      »Nein, nein, nein, Kind! O nein!« schrie Käte förmlich auf, indem sie auf den Knieen zu ihm hinrutschte und die kleine Gestalt in überwallendem zärtlichem Mitleid an ihre Brust preßte.

      »O Nick, was sollen wir beginnen in diesem gräßlichen Land?« rief sie, in Thränen ausbrechend.

      »Ach!« sagte der Knabe vollständig unbewegt. »Wenn ich dich weinen sehe, soll ich gehen!«

      Mit heller Stimme nach seiner Leibwache und dem Wagen rufend, ging er die Stufen hinunter. Das häßliche wollene Tuch blieb am Boden liegen.

      Schluchzend saß Käte in der jäh hereingebrochenen Dunkelheit. Weder Estes noch seine Frau waren in der Nähe. Das kleine Wörtchen »wir«, СКАЧАТЬ