Название: Gesammelte Werke von Rudyard Kipling
Автор: Редьярд Киплинг
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027209255
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»Fahr nur allein nach Hause, mein Junge,« rief er dem Thronfolger zu. »Nun – Käte?«
Aber Käte hatte zum Willkomm nichts als Thränen und ein atemlos gestammeltes: »Du! Du! Du!«
Neuntes Kapitel.
Aufs neue standen Thränen in Kätes Augen, als sie vor dem Spiegel in Frau Estes’ sorgsam für sie bereiteten Gastzimmer ihre Haare bürstete, dieses Mal Thränen des Aergers. Sie hatte ja schon öfter die Erfahrung gemacht, daß die Welt uns nichts für sie thun lassen will und daß ihr die Menschen mißliebig sind, die sie aus ihrer trägen Zufriedenheit aufrütteln möchten. Aber bei der Landung in Bombay hatte sie doch das Gefühl gehabt, daß jetzt alle Hemmnisse und Abhaltungen hinter ihr lägen: vor sich aber erblickte sie nur die naturgemäßen und zuträglichen Mühen ernster Arbeit. Und jetzt war Nick hier!
Die ganze Reise von Topaz her hatte sie in gehobener Stimmung zurückgelegt. Sie war vom Stapel gegangen, dieses Glück machte sie beinahe schwindeln, wie den Knaben der erste Vorgeschmack vom Leben des Mannes. Endlich war sie frei, niemand konnte ihr Einhalt gebieten. Nichts stand mehr zwischen ihr und der Erfüllung ihres Gelübdes, nur noch eine kurze Wartezeit, und sie konnte die Hand ausstrecken und ihre Arbeit in Angriff nehmen. Wenige Tage und Nächte noch, und sie stand Aug in Auge dem Leid gegenüber, das nach ihr geschrieen hatte über Länder und Meere. In ihren Träumen sah sie flehend gerungene Hände, die sich zu ihr erhoben, fieberglühende Finger, die sich um die ihrigen klammerten. Der stetige Gang des Schiffs war ihrer Sehnsucht zu langsam, sie zählte fast die Drehungen der Schraube. Im Vorderteil des Schiffs stand sie mit windzerzaustem Haar: mit hungrigen Blicken nach Indien ausspähend, eilte ihr Herz dem Schiff voraus, den Gesuchten entgegen: ihr persönliches Leben schien sich von ihr abzulösen und eilig, eilig über die Wellen dahinzugleiten, bis es die Elenden erreicht hatte und sich ihnen hingab. Als sie den Fuß aufs Land setzte, kam ein Augenblick des Umschlags, des Zauderns. Jetzt war sie ihrer Arbeit nahe – aber war sie ihr auch bestimmt? Diese alte Bangigkeit, die von Anfang an neben allem Planen und Handeln hergeschlichen war, warf sie jetzt mit dem festen Entschluß hinter sich, von Stund an alles Grübeln zu lassen. Soviel Arbeit, als der Himmel sie verrichten ließ, war ihr bestimmt, und sie ging mit einem neuen, starken, demütigen Aufopferungsdrang vorwärts, der sie über sich selbst hinaushob und stützte.
In dieser Stimmung hatte sie vor den Mauern von Rhatore den Wagenschlag geöffnet – um in Tarvins Arme zu sinken!
Sie war ja nicht ungerecht gegen ihn, sie würdigte die Herzensgute wohl, die ihn übers Meer getrieben hatte, aber ach – es wäre ihr so viel lieber gewesen, wenn er nicht gekommen wäre! Das Bewußtsein, daß ein Mann, dem sie nichts zuliebe thun konnte, mit ganzem Herzen an ihr hing, war eine schwere Last, auch wenn vierzehntausend Meilen zwischen ihr und diesem Mann lagen, blieb er aber an ihrer Seite in Indien, so wurde es zu einer niederdrückenden Bürde, die ihr die Kraft benahm, andern ernstlich zu helfen. Die Liebe erschien ihr ja in diesem Augenblick wirklich nicht als das Wichtigste im Leben, die Barmherzigkeit stand ihr weit darüber, aber gleichgültig konnte ihr deshalb Nicks Jammer doch nicht sein, sie konnte ihn nicht von sich abschütteln, nicht ihre Haare flechten, ohne daran zu denken! An dem Morgen, wo sie in ihr neues Leben eintreten wollte, das allen, die ihr erreichbar sein würden, Hilfe bedeuten wollte, dachte sie an Nikolas Tarvin!
Und weil sie voraussah, daß sie immerfort an ihn denken werde, wünschte sie ihn weit weg. Er war der Schaulustige, der in der Kirche umhergeht und die Knieenden im Gebet stört, er war der andre Gedanke, der sich in die eigenen einschleicht. Seine Person verkörperte ihr das Leben, das sie hinter sich gelassen, von dem sie sich abgewendet hatte, ja, weit schlimmer, er stellte ihr ein Leiden vor Augen, das sie nicht heilen wollte und konnte. Vom Gespenst einer zuwartenden Liebe verfolgt, verrichtet man keine großen Thaten, mit geteilter Seele hat noch kein Eroberer Städte bezwungen. Was sie zu vollbringen glühte, brauchte ihre ganze Kraft, ihre ganze Seele, eine Teilung selbst mit Nick war unmöglich. Und doch war es gut von ihm, herüber zu kommen, es lag sein ganzes Wesen darin. Sie wußte, daß selbstsüchtige Hoffnung allein ihn nicht getrieben hatte, es war, wie er sagte – er konnte nicht mehr schlafen aus Angst um sie. Seine Sorge um sie, das war selbstlose, echte Güte.
Frau Estes hatte Tarvin auf heute zum Frühstück eingeladen gehabt, als Käte noch nicht in Sicht gewesen war, und er war nicht der Mann, darum eine Einladung im letzten Augenblick abzusagen. So saß er ihr denn an ihrem ersten Morgen in Indien am Frühstückstisch gegenüber und lächelte ihr zu, daß sie ihn wider Willen freundlich ansehen mußte. Trotz einer schlaflosen Nacht sah sie ungemein frisch und hübsch aus in dem weißen Waschkleid, womit sie den verstaubten Reiseanzug vertauscht hatte, und als Frau Estes nach der Mahlzeit ihren Haushalt beschickte und der Hausherr in seine innerhalb der Stadt gelegene Missionsschule gegangen war, setzten sich die beiden Gäste allein auf die Veranda und Tarvin sprach sich bewundernd über das kühle weiße Kleid aus, eine Toilette, die im Westen Amerikas selten gesehen wird. Allein Käte that seiner Artigkeit Einhalt.
»Nick,« begann sie, ihm gerade in die Augen sehend, »willst du mir etwas zuliebe thun?«
Tarvin sah ihren Ernst und versuchte den Angriff mit Humor abzuschlagen, aber sie ließ ihn nicht dazu kommen.
»Nein, Nick, nicht so,« schnitt sie ihm das Wort ab. »Es ist etwas, woran mir sehr viel liegt. Willst du es mir zuliebe thun?«
»Als ob ich nicht alles für dich thäte!« rief er ernst.
»Ich weiß doch nicht, ob gerade dieses! Aber du mußt es thun.«
»Was ist’s denn?«
»Fortgehen.«
Er schüttelte den Kopf.
»Du mußt gehen.«
»Höre mich an, Käte,« begann er, beide Hände in die tiefen Taschen seines weißen Rocks vergrabend. »Ich kann nicht gehen. Du hast noch keine Ahnung davon, wo du hingekommen bist – richte dasselbe Verlangen heute in acht Tagen wieder an mich. Nachgeben werde ich dir auch dann nicht, aber wenigstens will ich dann den Fall mit dir durchsprechen.«
»Ich weiß jetzt schon, was in Betracht kommt,« entgegnete sie, »aber ich will leisten und vollbringen, was mich hierher führt, und wenn du da bist, kann ich’s nicht. Du verstehst ganz gut, wie ich’s meine, Nick, und weißt, daß es genau so ist, wie ich dir sage. Daran ändert niemand etwas.«
»Doch, ich kann’s ändern, indem ich mein Betragen danach einrichte – ich will sehr artig sein!«
»Du brauchst mir gar nicht zu sagen, daß du das willst, ich weiß es! Aber all deine Güte ändert nicht, daß du mich hemmst. Glaube mir das, Nick, und geh fort. Nicht, weil ich dich nicht gern um mich hätte, das weißt du ja …«
»Oho!« warf Nick lächelnd hin.
»Ach, stelle dich doch nicht, als ob du mich falsch verständest,« rief Käte, ohne daß der Ernst von ihren Zügen gewichen wäre.
»Nein, ich verstehe dich wohl, aber wenn ich mich gut halte, bin ich dir nicht im Wege. Das weiß ich und du wirst es einsehen,« fügte er sanft hinzu. »Eine greuliche Reise, nicht wahr?«
»Du hattest mir versprochen, sie nicht zu machen!«
»Habe sie auch nicht gemacht,« behauptete Tarvin СКАЧАТЬ